Evolution statt Revolution

Mit der Beta-Version nimmt OpenOffice 3.0 Gestalt an. Größere Umwälzungen wie die Ribbons in Microsofts Office 2007 bleiben zwar aus. Dennoch haben die Entwickler viele Details in der freien Bürosuite verbessert. Erstmals gibt es OpenOffice auch als native Software für Mac OS X.

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OpenOffice 3.0 vereint weiterhin die Textverarbeitung Writer, die Tabellenkalkulation Calc, das Zeichenprogramm Draw, die Datenbank Base und die Präsentationssoftware Impress. Ein PIM in der Art von Outlook ist nach wie vor nicht enthalten. Wer ihn vermisst, den verweist das Projekt auf die Open-Source-Alternativen Thunderbird für E-Mail und dessen Erweiterung Lightning beziehungsweise das eigenständige Sunbird zur Terminplanung, die sich aber nicht in die OpenOffice-Anwendungen integrieren.

Auffallendste Änderungen an der Oberfläche von OpenOffice 3.0 sind buntere Symbole, die zwar hübscher aussehen, aber keinen wirklichen Mehrwert bieten. Überlegungen im Open-Source-Projekt, das Design stärker zu überarbeiten, haben sich noch nicht in der aktuellen Vorversion des Office-Pakets niedergeschlagen, was sich bis zur fertigen Version auch nicht ändern dürfte, da die Beta als „feature complete“ gilt. Trotzdem wartet sie mit lohnenden Neuerungen auf, von denen Mac-Anwender wohl am meisten profitieren.

OpenOffice 3.0 läuft nun als native Mac-Anwendung, die sich besser als die bisherige X11-Version ins System integriert. Da die Entwickler jetzt alle zugrundeliegenden Bibliotheken ans System angepasst haben, läuft OpenOffice 3.0 schon in der Beta-Version auch auf älteren Intel-Macs erstaunlich schnell – spürbar flotter als der native OpenOffice-Abkömmling NeoOffice und auch als Microsofts aktuelle Office-Anwendungen.

Auch die Zusammenarbeit der Komponenten untereinander ist den Entwicklern recht gut gelungen. So kann man etwa Bilder oder Texte per Drag & Drop vom Desktop oder aus einer anderen Anwendung heraus in Textdokumente einfügen, beispielsweise aus dem Safari-Browser. Zur Übernahme von Adressen in Dokumente lässt sich das Mac-OS-eigene Adressbuch einbinden. Allerdings ist die Online-Hilfe nicht ins System integriert. Statt auf Befehlstaste-Fragezeichen reagiert sie wie unter Windows auf die F1-Taste, es sei denn, man ruft sie übers Menü auf. Doch auch dann hilft sie dem Anwender nicht unbedingt weiter, da die Hilfetexte nicht in die systemeigene Online-Hilfe eingebunden sind. Um diese zu durchsuchen, muss man sie erst öffnen und die dortige Suchfunktion nutzen. Hier müssen die Mac-Entwickler unbedingt noch nacharbeiten.

Plattformübergreifend gehört unter anderem die Doppelansicht in der Textverarbeitung Writer zu den wichtigsten Neuerungen, die zwei Seiten nebeneinander anzeigt. Über einen Schieberegler in der Statusleiste lässt sich in Writer der Zoomfaktor schneller einstellen; bisher musste man dafür extra einen Dialog bemühen. Dabei zeigt das Dokumentfenster mehrere Seiten bis hin zu Miniaturen an – je nachdem, wie viele Seiten beim gewählten Zoomfaktor ins Fenster passen. Leider fehlt ein solcher Schieberegler in Calc, Draw und Impress. In ihnen muss man die Darstellungsgröße weiterhin umständlich per Menü und Dialog einstellen. Hier hätten wir mehr Konsistenz in der Bedienung der Anwendungen erwartet.

In Calc lassen sich Tabellen mit bis zu 1024 Spalten (früher: 256) erstellen und Dateien von mehreren Benutzern gleichzeitig bearbeiten. Über jede Änderung informiert ein Dialog alle Nutzer, die gerade an derselben Tabelle arbeiten. Dabei überwacht OpenOffice, dass nicht mehrere Nutzer dieselbe Zelle ändern. Wirksam wird alles erst beim Speichern.

OpenXML-Import-Filter sollen den Dokumentaustausch mit Office 2007 erleichtern, funktionieren bis jetzt aber alles andere als perfekt. Zwar lassen sich einfache Textdokumente, Tabellen und Präsentationen lesen, doch in der Beta-Version übernimmt Writer aus Word-2007-Dokumenten keine Aufzeichnungen der Änderungen. Calc setzt Bezüge über Tabellenblätter hinweg nicht um, sodass statt des Zellinhalts eine Fehlermeldung erscheint. Damit der Import so gut wie bei MS-Office-Dateien im alten Binärformat klappt, müssen die Entwickler bis zur fertigen Version noch einiges verbessern.

Unter der Haube hat das Team bei Sun zahlreiche Fehler aus der Vorgängerversion beseitigt, die auf der OpenOffice-Website dokumentiert sind. Angesichts der relativ wenigen Neuerungen erscheint der Versionssprung von 2.4 auf 3.0 aber übertrieben. Dabei gibt es im Projekt schon seit geraumer Zeit Überlegungen, die Oberfläche stärker zu modifizieren, etwa durch Übernahme einiger Elemente aus Lotus Symphony. Dazu gehören unter anderem kontextsensitive Dialoge, die ähnlich wie die Aufgabenbereiche in Office 2003 die wichtigsten Funktionen zum Formatieren von Text am rechten Rand des Dokumentfensters bereitstellen. Auch andere Funktionen wie der PDF-Import oder der direkte Zugriff auf MySQL-Datenbanken, an denen das Team arbeitet, sind zumindest für die Beta-Version nicht fertig geworden.

Trotzdem dürfte sich Version 3.0 auf jeden Fall lohnen, wenn sie wie derzeit geplant Anfang September erscheint – dann voraussichtlich auch in einer Mac-Version für PowerPC-Prozessoren. Bis zum Abschluss des Beta-Tests Ende Juni erhoffen sich die Entwickler eine rege Beteiligung und zahlreiche Rückmeldungen, um rechtzeitig möglichst viele Fehler beseitigen zu können. Und dass es weiterhin keine Ribbons gibt, dürfte viele Anwender erfreuen.

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