Hirn-Computer-Schnittstelle zum Aufsetzen

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Von
  • Dr. Veronika Winkler

Brain-Computer-Interfaces (BCIs) sind bislang mit viel Aufwand verbunden. Für eine Art dieser Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer werden sogar Elektroden-Arrays ins Gehirn eingesetzt (c't 13/08, S. 42), doch auch die zweite, die auf dem klassischen Elektroenzephalogramm (EEG) mit elastischer Elektrodenhaube beruht, ist für Alltagsanwendungen viel zu umständlich in der Vorbereitung. Abhilfe verspricht nun ein abgewandeltes EEG in Form eines Elektrodenhelms: Er kommt ohne den direkten elektrischen Kontakt zur Kopfhaut aus und erlaubt es, ein Modellfahrzeug (etwas zeitverzögert) mittels Gedankenkraft zu steuern.

Entwickelt wurde der Helm von Wissenschaftlern der TU Braunschweig um Meinhard Schilling und Martin Oehler, die ihn im August auf einer Konferenz des amerikanischen Informatiker- und Elektroingenieurverbands IEEE vorstellen werden. Zum Einsatz kommen soll er künftig beim „Berlin Brain Computer Interface“ der Berliner Charité und des Fraunhofer FIRST, einem bekannten deutschen BCI-Projekt, dessen Ziel es unter anderem ist, Schwerstbehinderten neue Kommunikationskanäle zu eröffnen oder ihnen die Steuerung von Prothesen oder Rollstühlen via Gedankenkraft zu ermöglichen. Auch die medizinische Diagnostik mittels EEG wird er womöglich einmal wesentlich komfortabler gestalten.

Wie das herkömmliche EEG beruht auch diese Neuerung darauf, dass die elektrische Gehirnaktivität außerhalb des Schädels in Form eines sehr schwachen elektrischen Feldes nachweisbar ist. Das gewöhnliche EEG macht dieses Feld an der Kopfhaut mit Hilfe einer Elektrodenhaube dingfest, wobei minimale elektrische Spannungsdifferenzen von wenigen Mikrovolt (Millionstelvolt) und darunter abgenommen werden. Bevor es losgeht, muss jede Elektrode einzeln in die Haube eingesetzt, mit Hilfe eines speziellen Gels sorgfältig mit der Kopfhaut kontaktiert und schließlich getestet werden, was alles in allem recht lange dauert. Dass es auch anders geht, zeigt der EEG-Helm mit 28 Spezialelektroden. Er nutzt aus, dass sich elektrische Felder auch über Ladungsverschiebungen auf einer Metallplatte verraten. Eine Metallplatte ist daher wesentlicher Bestandteil einer solchen Helmelektrode. Die Signale, die sie aufnimmt, sind außerordentlich schwach, deshalb steckt sie in einem kleinen Zylinder etwa von der Größe einer Zwei-Euro-Münze, der Störsignale abschirmt sowie einen hochempfindlichen Signalverstärker und weitere Signalverarbeitungselektronik enthält.

Elektroden im Helm nehmen die Gehirnsignale einer Versuchsperson kontaktfrei auf (links). Je nachdem, welches von zwei vorgegebenen Mustern sie ansieht, ändert sich die Landkarte der Hirnaktivität, insbesondere der Sehrinde im Hinterkopfbereich (rechts). Eine Software erkennt diese Unterschiede und wandelt sie in Steuerbefehle für ein Modellfahrzeug um.

(Bild: TU Braunschweig)

Aus den Signalen aller Elektroden erstellt ein Computerprogramm eine Landkarte der Gehirnaktivität. Der Hinterkopfbereich, in dem der visuelle Kortex sitzt, ist besonders wichtig. Dort ändert sich die Aktivität messbar, wenn die Versuchsperson eines von zwei mit leicht unterschiedlicher Frequenz blinkenden Schachbrettmustern auf einem Bildschirm betrachtet. Aufgabe eines weiteren Programms ist es, die relevante Information aus den Signalen herauszufiltern und sie in Steuerbefehle umzusetzen, die zum Fahrzeug gefunkt werden. Blickt die Versuchsperson auf das linke Muster, fährt das Fahrzeug nach links, blickt sie auf das rechte, nach rechts; blickt sie keines der Muster an, fährt es geradeaus.

Wie schnell und zuverlässig die Steuerung funktioniert, hängt stark von der jeweiligen Testperson ab. Diejenige mit den besten Ergebnissen konnte nach jeweils sechs Sekunden Konzentration auf ein Muster das Fahrzeug zu mehr als 95 Prozent richtig lenken, nach vier Sekunden waren es noch über 80 Prozent. Vergleichbare Trefferquoten erreicht ein BCI mit normalem EEG zwar in etwa einem Drittel der Zeit. Die Forscher sind aber zuversichtlich, das Verfahren noch deutlich verbessern zu können. Im nächsten Schritt wollen sie beispielsweise viel ausgefeiltere Signalverarbeitungsmethoden implementieren und Störungen besser wegfiltern. Darüber hinaus sollen künftig mehr Elektroden im Hinterkopfbereich befestigt werden. Außerdem wird ein neues Helmdesign dafür sorgen, dass die Positionen der Elektroden besser an unterschiedliche Kopfgrößen und -formen angepasst werden können. (anm)