Post aus Japan: 3D-Printer und die kommende Tintenwelle

Mit der aufkeimenden Ära räumlichen Drucks verbinden sich geradezu waghalsige Hoffnungen, zum Beispiel für den Wiederaufbau Nordkoreas. Nur eines ist gewiss: Auf jeden Fall wird es einen Sieger geben – die Hersteller, die die notwendigen Tinten und Materialien verkaufen.

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Von
  • Martin Kölling

Mit der aufkeimenden Ära räumlichen Drucks verbinden sich geradezu waghalsige Hoffnungen, zum Beispiel für den Wiederaufbau Nordkoreas. Nur eines ist gewiss: Auf jeden Fall wird es einen Sieger geben – die Hersteller, die die notwendigen Tinten und Materialien verkaufen.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Was haben 3D-Printer mit Nordkorea zu tun? Der Start-up-Inkubator MakersVill in Südkoreas Hauptstadt Seoul sieht in ihnen einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftsaufbau, falls sich die geteilte Nation irgendwann einmal wiedervereinigen sollte. Bisher sehen die Pläne der Regierung massive staatliche Infrastrukturprogramme vor, um den maroden Norden neu aufzubauen. Aber der Vizechef von MakersVill Cho Hoon-Je meint: "Eine Alternative ist, 100 unserer Zentren in Nordkorea zu errichten." Dies würde vielleicht 200 Millionen Dollar kosten, aber das Unternehmertum ankurbeln. Auf einen Schlag könnten die Nordkoreaner sozusagen mit der ganzen Welt zusammenarbeiten.

Als Vorlage für die große Umerziehung des kommunistischen Nordens dient MakersVill dabei das eigene Geschäftsmodell. Das Studio nimmt rund die Hälfte des Erdgeschosses des just gegründeten Start-up-Zentrums Tips Town ein, das ein Kristallisationspunkt von Südkoreas New Economy werden soll. In den oberen Etagen schmieden zig Firmen an Technologien der Zukunft, zum Beispiel einem Brain-Machine-Interface, das auf der amerikanischen Konsumelektronikmesse CES im Januar 2016 Furore machen soll. Unten stehen zig 3D-Printer in Reih' und Glied, um die Neu-Unternehmer für die Zukunft der Produktion fit zu machen.

Industrie 4.0 lautet das Stichwort dazu in Deutschland. In Südkorea nennt die Regierung das Konzept nun Manufacturing 3.0, aber es ist umso ambitionierter. Massiv steckt der Staat Geld in Start-ups und bestehende kleine und mittlere Unternehmen, um die von Samsung und Hyundai abhängige Industriestruktur auf ein paar mehr Beine zu stellen.

10.000 Mittelständler sollen bis 2020 ihre Produktion aufsmarten. Und ein Teil der kommenden Revolution ist die großserienmäßige Kleinstproduktion, die – so die Vision – durch 3D-Drucker Wirklichkeit werden soll. "In der Zukunft wird es mehr 3D-Drucker geben und damit mehr Nischenmärkte", erklärt Chang Hong-Lee vom Ministerium für Handel, Industrie und Energie die Vorstellung der Regierung.

Dass diese Hoffnung kurz davor steht, Wirklichkeit zu werden, macht ein Blick nach Japan deutlich. Dort sitzt ein Großteil der Printerhersteller der Welt wie Canon, Seiko Epson, KonicaMinolta und Ricoh. Bislang überließen sie das Feld des dreidimensionalen Druckens noch der Konkurrenz. Dies nährte den Glauben, dass Herausforderer Stratasys oder 3D Systems den gegenwärtigen Platzhirschen in der neuen Epoche den Rang ablaufen könnten. Aber nun beginnen die Japaner anzugreifen – mit industrietauglichen Modellen.

Ricoh stellte Ende Oktober den ersten industriellen 3D-Printer vor, den das Unternehmen unter eigener Marke verkauft. Das Gerät nutzt selektives Lasersintern, um aus Polymeren oder Pulvern komplexe räumliche Strukturen herzustellen. Und Canon stellte 3D-Druck in das Zentrum seiner Wanderausstellung Canon Expo, die vorige Woche nach New York und Paris in Tokio ankam.

Der Augenfänger war dabei bislang noch kein Printer, sondern nur seine präzisen 3D-Drucke von Plastikteilchen, zum Beispiel von einem Zahnrad. Doch das Gerät, das Canon nur als Foto der Weltöffentlichkeit vorführte, soll bis zu 60 kleinere Bauteile pro Minute drucken können und damit in wirklich produktionstaugliche Welten vorstoßen. "Bis spätestens 2018 wollen wir den Drucker verkaufen", sagte ein Ingenieur am Stand.

Aufsehen erregten auch die 3D-Fotodrucke. Bei Canon laufen die unter der Bezeichnung 2.5-D-Print, weil sie halt auf einer Seite flach sind. Schon am Eingang zur Halle war das Relief eines Sprinters aus Tinte auf Papier gedruckt. 2,3 Zentimeter ragte sein Körper aus der 1,60 mal 1,75 Meter großen Fläche hervor. Doch es gibt noch mehr Anwendungen:

Da ist das 3D-Portrait, bei dem wirklich Nasen aus dem Papier ragen und sich Abgründe auftun, wo eine Person den Mund aufreißt. Das gibt es zwar schon von kleinen Anbietern. Aber der Markt ist noch sehr jung.

Eine zweite Anwendung ist museal: 3D-Reproduktionen von Ölgemälden, bei der Kunstbewunderer nun die Werke alter Meister auch ertasten kann. Das erschließt ganz neue Formen von Kunsterlebnis.

Faszinierend für Designer wiederum ist Druck von Oberflächen im Schlangenlederlook, siebähnlich gelochte Metallspiegel bis hin zu komplex verwobenen Oberflächen, die diese Drucker aus Tinte aufschichten.

Für Kreative tun sich da ganz neue Möglichkeiten auf, aber auch eher nüchterne Finanzchefs der Druckerhersteller dürften sich freuen. Denn die Ausstellung hat auch deutlich gemacht, das Canon womöglich immer weniger von Kameras, sondern noch mehr von Druckern abhängig sein wird.

Schon jetzt macht das Unternehmen einen Großteil seiner Gewinne mit Verbrauchsmaterial wie Tinten und Tonern für Ink-Jet- und Laserdrucker. Künftig kommen dann noch Ausgangsmaterial für 3D-Drucker hinzu und vor allem Tinte, Tinte, Tinte für den 2.5D-Fotodruck. Für das Relief des Sprinters wurden sechs Liter Tinte punktgenau aufgeschichtet. Diese Dimensionen der Tintenwelle lassen die Herzen der Printerhersteller höher schlagen. Und wer weiß: Vielleicht können auch Nordkoreaner oder die Unternehmer in anderen Entwicklungsländern auf ihr lokal und global zu Erfolgen surfen. ()