Jetzt auch für Netbooks

Auf der Professional Developers Conference (PDC) in Los Angeles stellte Microsoft erstmals eine Vorabversion des Vista-Nachfolgers Windows 7 einem größeren Publikum vor. Der erste Eindruck: Sieht irgendwie aus wie Vista, fühlt sich aber nicht so an.

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Von
  • Axel Vahldiek
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Der Nachfolger von Windows Vista wird den Namen „Windows 7“ tragen und sich auf entsprechend ausgestatteten Geräten dank „Multitouch“-Oberfläche ähnlich wie ein iPhone mit mehreren Fingern gleichzeitig sowie mit Gesten bedienen lassen – viel mehr war vor der Entwicklerkonferenz PDC Ende Oktober kaum bekannt. Steven Sinofsky, Nachfolger von Jim Allchin auf dem Chefsessel bei Microsofts Windows-Entwicklern, hatte das Kommunikationsverhalten seiner Abteilung radikal verändert: Nur noch das sollte öffentlich verkündet werden, was wirklich umgesetzt werden konnte. Keinesfalls wollte man wie bei Vista mit nicht gehaltenen Versprechen unangenehm auffallen.

Umso gespannter durfte man auf die PDC sein, auf der Microsoft den Teilnehmern eine Vorabversion von Windows 7 überreichte. Dieser Build 6801 wird zwar noch als „Milestone 3“ bezeichnet (womit Microsoft üblicherweise Designstudien meint), doch angesichts der bisherigen Informationspolitik dürfte sie kaum Funktionen enthalten, die nicht auch in der finalen Version zu finden sein werden. Diese Pre-Beta-Version hatte Microsoft (wie von früheren öffentlich zugänglichen Vorabversionen gewohnt) auf dem Stand von vor einigen Wochen eingefroren und seitdem nur noch Fehler beseitigt. Die Entwicklung ging unterdessen weiter, einen aktuellen Stand (Build 6933) zeigte Microsoft ebenfalls auf der PDC, die Teilnehmer durften ihn aber nicht mitnehmen.

Bei Windows 7 handelt es sich um eine Weiterentwicklung von Windows Vista, es basiert also auf dem gleichen Code, und das sollen die Nutzer merken: Sämtliche Anwendungen und Treiber, die unter Vista laufen, sollen auch unter Windows 7 funktionieren. Dennoch hat sich unter der Haube einiges getan: Build 6801 fühlt sich deutlich schneller an als Vista, egal ob es etwa um das Öffnen von Fenstern oder Menüs, um das Suchen nach Dateien oder um die Voransicht im Explorer geht.

Erste Messungen untermauern den Eindruck (auch wenn Messergebnisse bei einer so frühen Vorabversion nur mit viel Vorsicht zu genießen sind): Die Vorabversion von Windows 7 hantiert mit Dateien meist fixer als Vista und teilweise sogar als XP. So klappte das Rippen einer DVD über 15 Prozent schneller, und das Kopieren oder Entpacken von Dateien lokal oder übers Netz wurde mitunter ebenfalls um zweistellige Prozentpunkte beschleunigt. Auf Spiele dürfte sich das allerdings nur bedingt auswirken: Wenn ein Spiel erstmal geladen ist, ist Windows 7 genauso schnell wie Vista oder XP. Immerhin: Bei keinem einzigen unserer Tests verzeichneten wir Geschwindigkeitseinbußen gegenüber Vista.

Falls Microsoft diese Geschwindigkeitssteigerung in die finale Version retten kann, würde Windows 7 im Unterschied zum behäbigen Vista zu einer ernsthaften Alternative für Windows XP auf Netbooks. Dafür spricht auch der drastisch reduzierte Platzbedarf: Belegt Vista (ohne Auslagerungs- und Ruhezustandsdatei) über 10 GByte auf der Platte, begnügt sich Windows 7 mit der Hälfte. Damit passt es auch auf kleine Flash-Platten.

Die Akkulaufzeit hingegen steigert sich bei der Vorabversion nicht: Ein Dell Latitude E6500 lief bei einem ersten Test damit genau so lange wie mit Vista. Da half auch die neue Option nichts, das Display im Akkubetrieb nach einiger Zeit abzudunkeln. Möglicherweise wird sich das jedoch bis zur finalen Version noch ändern, denn die soll es erlauben, die Frequenz der Timer-Interrupts zu reduzieren, um Strom zu sparen.

Eine der wichtigsten Neuerungen, die Microsoft mit Vista eingeführt hat, war die Benutzerkontensteuerung (User Account Control, UAC). Die erlaubt, auch ohne Klimmzüge ohne Administratorrechte zu arbeiten – ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings war die Umsetzung mangelhaft, denn die „Sind Sie sicher?“-Nachfragen kamen zu häufig. Windows 7 bietet in der Systemsteuerung nun eine Option zum Reduzieren der Frequenz in vier Stufen. Die neueStandardeinstellung ist die zweitniedrigste: Der Nutzer selbst bleibt Administrator, der mit seinem System ohne Nachfragen machen kann, was er will, von ihm gestartete Anwendungen laufen jedoch mit eingeschränkten Rechten und dürfen das System nur auf Nachfrage manipulieren.

Die Sprechblasen, die gelegentlich über dem Infobereich der Taskleiste erscheinen, macht das „Action Center“ überflüssig: Es blendet stattdessen ein kleines Icon im Infobereich ein, dessen Aussehen sich ändert, sobald Windows auf irgendwas aufmerksam machen möchte. Erst nach einem Klick darauf erscheinen die Nachrichten.

Viele der gewohnten Beigaben sind auch bei Windows 7 wieder dabei, so der Internet Explorer 8 (siehe c't 19/08, S. 64), der Media Player 12 oder der DVD Maker. Andere hingegen fehlen. Das gilt sowohl für den Mail-Client als auch für den Messenger; der mit Vista eingeführte Kalender ist ebenso wie die Fotogalerie wieder verschwunden – Microsoft setzt darauf, dass Windows-Nutzer künftig die Programme der Suite „Live Essentials“ nutzen (http://get.live.com/WL/config_all). Die sind jedoch nicht auf der Windows-DVD vorhanden, sondern müssen erst heruntergeladen werden.

Optisch überarbeitet wurden der Taschenrechner ebenso wie Paint und Wordpad – letztere warten nun mit den von Office 2007 bekannten Ribbons auf. Die Sidebar hat Microsoft wieder ausgemustert, die Gadgets hingegen sind geblieben. Sie kleben direkt auf dem Desktop.

Als „AppLocker“ bezeichnet Microsoft erweiterte Richtlinien (Policies), mit denen sich detaillierter als bislang Softwarebeschränkungen konfigurieren lassen. Mit „BitLocker to go“ lassen sich Wechselmedien verschlüsseln, wobei bislang unklar ist, ob das Entschlüsseln auch an anderen PCs klappt. Musste man bislang beispielsweise Druck- und Faxfunktion eines Multifunktionsdruckers an verschiedenen Stellen suchen und dessen Cardreader an noch anderen, erlauben „Device Stages“ an einer Stelle den Zugriff auf alle Funktionen eines Gerätes. Schließlich vermag Windows 7 nicht nur MPEG-2 abzuspielen, sondern auch das komplette MPEG-4 Sortiment: MPEG-4 ASP (DivX, Xvid) und MPEG-4 AVC samt AAC-Ton – sogar im MP4-Container.

Erst im Build 6933 ist die überarbeitete Taskleiste enthalten. Die Schnellstartleiste ist verschwunden, wichtige Programme lassen sich nun direkt in der etwas höheren Taskleiste verankern. Dort bieten die Einträge nun „Jump Lists“, die außer den zuletzt mit der Anwendung geöffneten Dokumenten weitere Einträge mit Aktionen enthalten können, die die Programmentwickler selbst festlegen. Im sonst kaum überarbeiteten Startmenü sind die „Jump Lists“ ebenfalls zu finden.

Lässt man bei Vista die Maus über einem Taskbar-Symbol ruhen, bekommt man eine kleine Vorschau des dazugehörigen Fensters. Bei Windows 7 kann man mit der Maus darüber fahren und erhält so eine Fenstervorschau in Originalgröße. Die Anordnung von Taskbar-Symbolen lässt sich ebenso wie die der Tray-Icons per Drag & Drop beliebig eigenen Wünschen anpassen.

Windows 7 bietet neue Optionen zum Positionieren von Fenstern auf dem Desktop: Verschiebt man gewöhnliche Fenster an eine Bildschirmkante, rasten sie dort ein. Indem man zwei Fenster an entgegengesetzte Kanten schiebt, erscheinen sie bildfüllend nebeneinander, an der oberen Kante werden sie maximiert (maximierte Fenster behalten unter 7 übrigens transparente Fensterrahmen). Per Shortcut bleiben von allen Fenstern nur noch dünne, transparente Rahmen, was den direkten Blick auf den Desktop und damit auf die Gadgets erlaubt („peek desktop“).

Der Explorer bietet oberhalb der bekannten Baumansicht mit den Laufwerken zusätzlich zu den von Vista bekannten Linkfavoriten sogenannte Libraries. Die verhalten sich nicht wie eine Verknüpfung, sondern wie normale Ordner, inklusive aufklappender Baumansicht. Da die Libraries frei konfigurierbar sind, kann man sich hier de facto eine eigene Baumansicht mit den bevorzugten Ordnern zusammenstellen (die Windows 7 umgehend indiziert).

Auch Netzwerkpfade lassen sich einer Library hinzufügen, noch einfacher klappt das Vernetzen jedoch als „Homegroup“: Nach dem Aufruf des Menüpunkts generiert Windows 7 ein Passwort, mit dem andere Windows-7-Rechner über den gleichen Menüpunkt der Homegroup beitreten können – den Rest erledigt Windows; Kenntnisse über Protokolle oder IP-Adressen sind also nicht erforderlich. Die freigegebenen Inhalte tauchen wie die Libraries im Explorer der anderen PCs auf.

Der erste Eindruck ist recht ordentlich: Die Vorabversion von Windows 7 fühlt sich so an, wie man es von Vista ursprünglich erwartet hat, und es ist so schlank und schnell, dass es selbst auf Netbooks läuft. Pfiffige Erweiterungen wie die Libraries, die Homegroup oder die neuen Optionen zum Positionieren von Fenstern runden das Bild ab – jedoch nicht ganz, denn um das Beschaffen eines Virenscanners muss sich der Nutzer immer noch selbst kümmern und der Explorer versteckt immer noch Dateien vor erfahrenen Anwendern. Es bleibt also noch abzuwarten, ob es Microsoft gelingt, die positiven Neuerungen in die finale Version zu retten und die lästigen Eigenschaften noch zu beseitigen.

Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen will, muss noch warten: Die auf der PDC verteilte Version wird Microsoft nicht zum öffentlichen Download bereitstellen. Eine erste frei verfügbare Beta-Version soll Anfang nächsten Jahres erscheinen. Die finale Version wird nach den derzeitigen Planungen wohl irgendwann im zweiten Halbjahr 2009 fertig, im Laden dürfte Windows 7 dann Anfang 2010 stehen. (axv) (axv)