Prozessorgeflüster

Finanzkrise – so lautete in Deutschland das Wort des Jahres 2008, aber es hätte auch Netbook heißen können. Ob mit Intel-Atom- oder VIA-Nano-, ARM- oder MIPS-Prozessor bestückt – die Winzlinge sind in aller Munde. Nur AMD hält sich zurück und will lieber große Drachen steigen lassen.

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Von
  • Andreas Stiller

Kaum hatte Daniel Defoe seinen Bestseller Robinson Crusoe veröffentlicht, da erschien eine Flut ähnlich angelegter „Robinsonaden“ zahlreicher Autoren und Epigonen, in Deutschland etwa die „Insel Felsenburg“ von Johann Gottfried Schnabel. Andere missbrauchten den marktträchtigen Namen für ihre Zwecke, etwa für den medizinischen Robinson, den Schweizer Robinson, den lateinischen Robinson, für Robinson, den Jüngeren und so weiter. So ähnlich ergehts derweil den Netbooks. Jeder will an dem Erfolg teilhaben und stellt unter dem vielversprechenden Namen irgendeine Hardware vor, die vor kurzem noch unter anderem Etikett gesegelt ist, sei es als Webpad, Surfpad, Simpad, Tablet PC, UMPC, Eee PC, Ultralight-Subnotebook und so weiter – mit oder ohne Tastatur, mit oder ohne WLAN, mit oder ohne GSM, GPS, UMTS. Die britische Firma Psion (Potter Scientific Instruments Or Nothing) – nicht von Harry, sondern von Sir David Potter – kommt aus der magischen Versenkung und reklamiert den Begriff Netbook für sich, gab es doch im Jahre 2001 schon ein „Psion netbook“. Psion hatte sich schon vor Urzeiten mit Software für die Kleincomputer des Ritterkollegen Sir Clive Sinclair einen Namen gemacht, dessen legendärer QL (mit 68 008-Prozessor) gerade dieser Tage seinen 25. Geburtstag feiert.

Jetzt hat Psion ein wenig umgesattelt und mahnt nicht ganz so ritterlich wegen Verwendung des Wortes Netbook erst einmal Websites ab. In Deutschland hat außerdem im Oktober ein mit Abmahnungen bestens vertrauter Unternehmer die Chance genutzt, die Wortmarke anzumelden. Alle hoffen wohl auf eine freundschaftliche Einigung mit Intel.

Viele der Netbookiaden sollen mit einem ARM-Prozessor bestückt ihre Käufer finden (Seite 27), etwa jene Gerätchen, die auf dem Cortex im i.MX51-SoC von Freescale aufbauen. Zwar sollen die mit Linux herauskommen, doch das Pressebildchen zeigte ein Design mit einem recht bekannten Äpfelchen – und schon schossen Meldungen über Apple-Netbooks ins Kraut. Qualcomm hält mit dem Dual-Core-„Snapdragon“-Prozessor QSD8672 für ARM-Netbooks dagegen. Andere erscheinen urplötzlich in dieser Szene, wie ZiiLabs/Creative mit ihrem Stemcell-SoC, mit zwei ARM9-Kernen und zahlreichen Processing Elements – ehrenwert, wer da nicht an die synergistischen Kollegen im Cell-Prozessor denkt …

Palm hat nicht lange genug durchgehalten, stellte seinen Foleo 2007 mangels Marktchancen noch vor dem Erscheinen ein und konzentriert sich jetzt mit dem Pre auf hübsche neue WebOS-Smartphones als Konkurrenten zum iPhone (Seite 28 in c't 3/09). Nvidia will demnächst mit Tegra auf den Markt sowie Imovio mit den ersten „echten mobilen Pocket Mobile Messenger“ mit Namen iKit. Dieser ist net-terweise mit einem ehemaligen Intel-Prozessor bestückt, dem Xscale, der jetzt im Angebot von Marvell ist. Und aus China kommt noch die ein oder andere Überraschung wie der Jee-PC 400S für 180 Euro, in dem ein nachgebauter MIPS-Prozessor steckt.

Von den ebenfalls von Intel eingeführten „Mobile Internet Devices“ ist ansonsten nur wenig zu hören, mit MID und Moblin ist offenbar noch kein Staat zu machen. Demgegenüber hat die von Intel angeführte, atomar bestückte Netbook-Garde gemäß unserer traditionellen Weihnachtsumfrage (Seite 74 in c't 3/09) im letzten Jahr kräftig abgesahnt und sie schreitet weiter voran mit neuen Modellen von Dell, Lenovo, Acer und nun auch HP. Die Atom-Chips bieten zwar nur etwa ein Zehntel der Performance aktueller Desktop-Prozessoren mit vier Kernen, aber für viele Zwecke scheint das auszureichen. Zumeist werden diese Netbooks unter Windows XPs betrieben, da Vista zu ressourcenhungrig ist. Eine speziell auf Netbooks zugeschnittene Ausführung von Windows 7, so wie es im Internet kursierte, soll es laut Microsoft zumindest vorerst nicht geben. Und ein zeitgemäßes Windows Mobile, das auch den ARM-Netbooks Flügel verleihen könnte, steht weiterhin in den Sternen.

Schlecht steht es um das OLPC-Projekt (One Laptop Per Child), das günstige Notebooks in der unteren Preisklasse für Kinder in der dritten Welt ermöglichen wollte: Der reale Markt hat es einfach überholt und die Wirtschaftskrise tut ihr Übriges. So musste das Projekt nun die Hälfte der Mitarbeiter entlassen, die Gehälter kürzen und sich für das für 2010 geplante Notebook XO-2 neu ausrichten: preiswerter als 100 Dollar, falls möglich sogar kostenlos und mit nur einem Watt Leistungsaufnahme, sodass es sich mit einer Handkurbel betreiben lässt.

Firma AMD, deren Geode-Prozessor das erste OLPC-Notebook XO antrieb, hat hierfür nichts Entsprechendes im Angebot. Auf der CES betonte Vizepräsident Randy Allen noch einmal, dass man Intels Atom-Prozessor nichts entgegenstellen wolle oder könne. Aber bei den ultradünnen Subnotebooks in der MacBook-Air-Klasse, da will man doch mit dabei sein. Vor allem setzt AMD auf die kommenden Conesus- und Huron-Prozessoren in 45-nm-Technik mit zwei beziehungsweise einem Kern, in den Congo- und Yukon genannten Plattformen mit ATI-Grafik. Doch zunächst ist hier mit dem Athlon Neo noch ein Single-Core in 65 nm mit 15 Watt TDP eingeplant (Seite 32 in c't 3/09), mit Taktfrequenzen ab 1,6 GHz (Neo MV-40). Aber Intel will natürlich auch in der Edelklasse kontern, die neuen Mobile-ULV-Core-2-Ausführungen gibt es jetzt mit 10 Watt TDP in der Gehäuseform von 22 mm x 22 mm, so wie sie bislang nur fürs MacBook Air im Angebot war.

Bei den Desktop-PCs ist AMDs neuer Phenom II (Seite 108 in c't 3/09) soweit man hört recht gut angelaufen, und schon melden sich erste Hersteller von Boards mit AM3-Sockel. AM3 sollte eigentlich schnelleren DDR3-Speicher ermöglichen – doch, oh Schreck, bei Asus sind die Boards (M4A78PRO) dennoch nur für DDR2 ausgelegt.

Andere haben AMDs komplizierte Namensvielfalt nicht so wirklich verstanden. ESC etwa will ein AM3-Board mit DDR3 bringen (A790GXM-AD3), nennt es aber Dragon – das ist indes AMDs Name für die Spiele-Plattform mit DDR2, ATI-HD-4800-Grafik, 700er Chipsatz und dem hochtaktbaren Phenom II Black Edition. Die ersten Phenom-II-Systeme von Dell (XPS 625) und HP (Elite 9500z) sind auch schon in Drachenkonfiguration erhältlich. Eine ganze Drachen-Armada soll nun auch, zu einem Petaflops-Supercomputer gebündelt, Mitte des Jahres bei der kalifornischen Firma Otoy den Betrieb aufnehmen, als Server für Echtzeit-Rendering, gedacht für Computergrafik und Spiele. Ob der dann, via Internet angesprochen, auch wirklich für eine größere Spieler-Community ausreicht, bleibt abzuwarten. (as)