Prozessorgeflüster

Sun zieht – zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses – noch eigenständig seinen Sonnenwagen, doch am Server-Firmament erscheint mit Cisco nun ein neuer Shooting Star. Und Nehalem ist überall, wenn auch hier und da noch ein bisschen im Sternennebel.

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Von
  • Andreas Stiller

Zur Begrüßung des neuen Intel-Serverprozessors Nehalem-EP (siehe c't 8/2009, S. 152) hat Konkurrent AMD den Opteron noch ein wenig auf nunmehr 2,9 GHz aufgedreht. Das Dual-Prozessor-Spitzenmodell Opteron 2389 liegt mit einem OEM-Preis von 989 US-Dollar nun sogar etwas unterhalb des 2386 SE (1165 US-$). Deutlich tiefer muss man für die MP-Versionen in die Tasche greifen: Der Opteron 8389 kostet wie der 8386SE stolze 2649 Dollar – und davon braucht man dann ja gleich vier. Und vier Opteron-Pferde sind auch nötig, um dem Nehalem-Zweispänner etwas Wirkungsvolles entgegensetzen zu können.

Während manche Hersteller den offiziellen Startschuss des Nehalem-Prozessors am 30. März noch brav abwarten, haben andere nach Apples Vorpreschen ebenfalls schon mal ihre Workstations herausgeputzt, etwa Lenovo mit den Modellen S20 und D20. Da wollen Dell und HP nicht zurückstehen; auch sie öffnen ein paar Tage früher ihre Tore und legen zudem vorab mit Presseveranstaltungen los. Dell kam zum Beispiel mit den Nehalem-Workstations T3500, T5500 und T7500 sowie der „Cloud Computing Solution“ XS-23 II, ein dicht gepackter Rack-Server als direkte Antwort auf Ciscos Unified Computing System. Mit diesem Blade-System mit 10-Gigabit-Ethernet steigt nun Cisco in die Serverbranche ein. Damit sich die neuen Cisco-Blades von der IBM- und HP-Konkurrenz unterscheiden, werden sie horizontal in das Chassis eingesetzt. Unified bezieht sich auf die Verwaltung: Virtualisierung, Server, Switches – alles bequem aus einer Hand über den Cisco UCS Manager.

Dells neuer Slogan Cloud-Computing wurde ja eigentlich von Vorreiter Sun geprägt. Mit Vorabmeldungen zu neuen Nehalem-Systemen hielt sich Sun jedoch bislang weitgehend zurück. Lediglich zum neuen Supercomputer für Südafrika gab Sun den Hinweis, dass hier Nehalem-Prozessoren in Sun Blades 6048 neben Blades mit SPARC64-VII arbeiten sollen. Mit 27 Teraflops wird dies der schnellste Supercomputer des schwarzen Kontinents sein. Ansonsten machte Sun weniger mit neuer Hardware als vielmehr durch Übernahmegerüchte von sich reden. IBM habe 6,5 bis 8 Milliarden Dollar geboten, heißt es. Das Wall Street Journal berichtete unter Berufung auf mehrere mit der Situation vertraute Personen, dass IBM derzeit die Bücher prüfe. Für IBM wäre die Übernahme des Mitbewerbers zum jetzigen Zeitpunkt ein Schnäppchen, und Geld genug hat man in Armonk in der Kasse: 4,4 Milliarden Dollar fuhr der IT-Marktführer aller Krise zum Trotz allein im letzten Quartal an Gewinn ein – höchste Zeit, etwas zu investieren.

Allerdings hätte IBM dann zusammen mit Sun zwei Drittel des Unix-Servermarktes in der Hand. Laut Marktforschungsinstitut IDC setzte IBM letztes Jahr 6,4 Milliarden Dollar auf diesem Markt um, Sun als Nummer zwei kam auf 4,8 Milliarden vor HP mit 4,6 Milliarden. Da hätte also wohl Christine Varney, frisch bestallte Chefin der Antitrust-Abteilung des amerikanischen Justizminis-teriums, noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Ihrem obersten Dienstherren Barack Obama, der Varney für diesen Posten ausgesucht hat, dürfte aber derzeit jede größere Investition von privater Hand recht sein. Vorsichtshalber kann Frau Varney ja schon mal mit ihrer europäischen Kollegin Nellie Kroes über Antitrust-Vorwürfe gegen IBM fachsimpeln, denn vor der Kommission wird gerade einer Klage von T3 Technologies nachgegangen, wonach IBM widerrechtlich T3-Kunden das Mainframe-Betriebssystem z/OS vorenthalten habe.

Und von Frau Kroes erwartet man ja dieser Tage auch eine Entscheidung im Fall Intel, schließlich droht der Corporation eine viele hundert Millionen Euro schwere Strafe wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Daneben geht das Säbelrasseln zwischen AMD und Intel rund um Marktmissbrauchsvorwürfe hier und Patentaustauschabkommen da weiter. Nach Intels Ansicht ist die nun abgespaltene Fertigungssparte „Globalfoundries“ keine AMD-Tochterfirma im Sinne des Vertrages. Außerdem verletze die Struktur des Geschäfts zwischen AMD und dem Abu-Dhabi-Investor ATIC einen geheimen Teil des Abkommens. Deshalb wolle Intel das Cross-Licensing-Abkommen innerhalb von 60 Tagen kündigen und AMD alle darin gewährten Patentnutzungsrechte und Lizenzen entziehen, sofern die Ver-stöße gegen bestimmte Vertragsklauseln nicht abgestellt werden. AMD konterte, dass diese Kündigungsdrohung selbst gegen den Vertrag verstoße, weil man hier auch Regeln vereinbart habe, wie man im Streitfall miteinander umgehen wolle. Möglicherweise wird AMD so gezwungen, die geheimen Teile des Vertrages zu veröffentlichen.

Das aktuelle Cross-Licensing-Abkommen läuft ohnehin 2010 aus und AMD braucht eine Ausweitung, um Intels neue 256-bittige Vektor-Erweiterung AVX (geplant 2010 für Sandy Bridge) in das Bulldozer-Design übernehmen zu können. Viel Sturm im Wasserglas also, vermutlich will Intel auch nur ein Einlenken von AMD bei den laufenden Prozessen bewirken, in denen sich Intel wegen des Vorwurfs des Marktmissbrauchs zu verantworten hat. Schließlich kosten die Prozesse eine Unmenge Geld, das die Manager lieber selbst verdienen möchten.

Dass diese – ob bei Intel, AMD oder anderswo – nicht gerade am Hungertuch nagen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Das kann man den jährlich an die amerikanische Börsenaufsicht SEC zu entrichtenden „Proxy Statement Filings“ entnehmen (oder schön übersichtlich in Auszügen). Jetzt in der Krisenzeit machen solche Zahlen, wie 12,4 Millionen Dollar Gesamteinkünfte für Intel-Chef Otellini, allerdings stärker von sich reden. Dabei hat sich Ex-AMD-Chef Hector Ruiz selbst in den schlechten Zeiten vor zwei Jahren auch schon über 10 Millionen Dollar gegönnt.

Es lohnt sich allerdings nicht immer, CEO zu sein – der jetzige AMD-Chef Dirk Meyer etwa musste sich letztes Jahr mit mageren 1,9 Millionen Dollar begnügen, wogegen seinem Vize Robert Rivet 6,7 Millionen zuflossen und Hector-Ruiz ebenfalls noch 2,9 Millionen. Ruiz ist mit seinen 6,2 Millionen Aktien nun auch nicht mehr größter Hauptaktionär – diese Rolle hat Waleed Al Mokarrab Al Muhairi mit 107 Millionen Aktien übernommen. Und wenns mit AMDs Dresdener Fabriken nicht so läuft, dann eben mit deutschen Autos aus Stuttgart – dachten sich wohl die staatlichen Investoren aus Abu Dhabi und kauften sich jetzt sicherheitshalber zu neun Prozent bei Daimler-Benz ein. (as)