Prozessorgeflüster

Der Adler ist gelandet, die Kuh vom Eis, der Drops gelutscht: Sun ist unter der Haube. Die IT-Branche insgesamt zieht weitgehend traurige Bilanzen, aber hier und da hört man verstärkt auch optimistische Töne. AMD etwa musste zwar wieder heftige Einbußen hinnehmen, greift nun aber mit frischem Schwung, neuen Opterons und dem Sechskerner Istanbul kräftig an.

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Von
  • Andreas Stiller

Der urplötzlich aufgetretene Sonnenanbeter ist diesmal kein Araber, sondern ein gut befreundetes Softwarehaus aus dem Silicon Valley, das die von IBM verschmähte Braut heiraten möchte: Oracle, nur 24 Meilen entfernt vom Sun-Headquarter ansässig (siehe S. 49). Zumindest ist das Aufgebot bestellt, die Aktionäre könnten aber noch ihr Veto einlegen. Über eine Fusion der beiden Firmen unter „Snoracle“ orakelte man schon vor drei Jahren, als sich die beiden legendären Front-Männer Scott McNealy und Larry Ellison zum Tête-à-Tête trafen. Heraus kam damals nur eine lockere Partnerschaft. Nun wird es wohl zu einer festen Beziehung, und so verfügt Oracle dann unter anderem über zwei Java-VMs: Bea-jRockit und Sun – mal sehen, was wie vermarktet wird. Und via Sun bekommt Oracle endlich auch eine Open-Source-Datenbank …

Sun-Verschmäher IBM schaut sich das alles offenbar gelassen an; kann er wohl auch, denn der IT-Markführer steht weiterhin wie ein Fels in der Krisenbrandung: Der Umsatz ging zwar gegenüber dem Vorjahresquartal um 11 Prozent auf 21,7 Milliarden US-Dollar zurück (was unter anderem auch auf Währungseffekte zurückzuführen ist), der Gewinn jedoch blieb nahezu stabil auf 2,3 Milliarden US-Dollar. Geld genug hat IBM jedenfalls in der Kasse, etwa um die Krise für günstige Einkäufe zu nutzen – aber wen nur? Qimonda wirds wohl kaum sein, an den Überbleibseln sind jetzt chinesische Firmen interessiert. Wie wärs mit Texas Instruments? Hier sieht es derzeit etwas trübe aus: Der TI-Quartalsumsatz brach gegenüber dem Vorjahr um 36 Prozent auf 2,16 Milliarden Dollar ein, aber immerhin blieb noch ein marginaler Gewinn von 17 Milliönchen über. Die hätte AMD auch gern, doch hier sieht es schlechter aus: 1,18 Milliarden Umsatz, 416 Millionen Verlust. Immerhin wuchs der CPU-Umsatz im Vergleich zum Vorquartal um 7 Prozent, bei den Grafikchips indes lief es um 18 Prozent schlechter.

Ins riskante Halbleitergeschäft will IBM jedoch vermutlich nicht mehr viel investieren. Hier dominiert weiterhin klar Intel. Auch der Halbleiterbranchenprimus muss jedoch erst einmal die Krise meistern: 7,1 Milliarden US-Dollar Quartalsumsatz entsprechen dem Niveau des vierten Quartals 2001. Der operative Gewinn ist mit 670 Millionen Dollar ebenfalls auf dem niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Immerhin, der Nettogewinn lässt wieder etwas Hoffnung aufkeimen, mit 647 Millionen stieg er gegenüber dem Vorquartal (234 Millionen) kräftig an. Intel-Chef Otellini gibt sich denn auch optimistisch, dass die Talsohle durchschritten sei und die Industrie nun wieder zu normalen, den Jahreszeiten entsprechenden Verkäufen zurückkehren werde. Ähnlich hoffnungsfroh spricht zur ungefähr gleichen Zeit Angela Merkel bei der Eröffnung der Hannover-Messe, die mit über 6000 Ausstellern weiterhin die größte weltweite Leitmesse der Industrie darstellt. Auch die Kanzlerin sieht jetzt den Tiefpunkt erreicht: Von nun an geht’s bergauf …

Interessant sind in der Intel-Bilanz kleine Randnotizen, etwa, dass die Verkäufe des Atom-Prozessors samt zugehöriger Chipsätze gegenüber dem Vorquartal um 27 Prozent eingebrochen sind. O.K., da war Weihnachten, und das ein oder andere Netbook dürfte als nettes Geschenk unter dem Tannenbaum gelegen haben. Vielleicht ist aber auch der erste Netbook-Hype schon verrauscht oder die Konkurrenz mit VIA-Prozessor hier und Nvidia-Chipsatz dort macht sich stärker bemerkbar. Möglicherweise setzt auch die hauseigene Konkurrenz dem etwas lahmen Atom-Prozessor Grenzen, denn man erwartet jetzt preiswertere Consumer-Ultra-Low-Voltage-(CULV-) Prozessoren mit einem oder zwei Kernen sowie 5,5 oder 10 Watt TDP. Die würden bei Notebook-Preisen ab etwa 600 Dollar wohl ein bisschen mehr Profit abwerfen als die recht knapp kalkulierten Atoms. Intel senkte kurz nach Ostern zudem hier und da ein paar Prozessorpreise – aber nicht die der Atoms.

Konkurrent AMD hat ebenfalls Mitte April einige CPU-Preise um bis zu 26 Prozent gesenkt und brachte nicht nur einen 3,2-GHz-Phenom, sondern auch neue Opterons heraus (siehe S. 19), die Intels Nehalem-Xeons Paroli bieten sollen. Der kräftigste Shanghai-Opteron rennt mit 3,1 GHz um etwa 10 Prozent schneller als bislang. Auch HyperTransport 3 soll nun bei den Serverprozessoren Einzug halten, zumindest zur Kommunikation der Prozessoren untereinander. Daneben gibt es besonders effiziente EE-Versionen mit „mittleren Maximalverbrauch“ (ACP) von 40 Watt. Dennoch schluckt ein System mit zwei Opteron 2377 EE im Leerlauf noch 115 Watt, während sich Nehalem-Systeme mit etwa 70 Watt begnügen. Offenbar verbraucht die Plattform zu viel – hier rächt sich möglicherweise die Sockel-F-Kompatibilität zu älteren Opterons. Die Nehalems müssen hingegen auf alte Sockel und Plattformen keinerlei Rücksicht nehmen. AMDs nächster Schritt – sechs Jahre nach Vorstellung des ersten Opterons – ist der Sechskerner Istanbul, ebenfalls noch für den Sockel F. Taktfrequenz und Leistungsaufnahme sind allerdings noch unbekannt. Um den Nehalems auch im High-End ernsthaft Konkurrenz zu bereiten, müsste er wohl 2,7 GHz schaffen, wie Intels Hexa-Core Dunnington.

Am „Earth Day“, an dem AMD seine energieeffizienten Opterons vorstellte, weihte die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ihren von Megware aufgestellten „energieeffizientesten Hochleistungsrechner Europas“ namens Kautz ein. Die Bezeichnung bezieht sich auf die interne CPU-Verschaltung nach dem Schema von Kautz-Graphen. Der in etwas langsamerer Version schon auf der SC06 vor zweieinhalb Jahren vorgestellte Rechner SC5832 von SiCortex ist mit 972 Knoten à 6 MIPS64-Cores bestückt (also ebenfalls mit Hexa-Cores), verbraucht maximal 21 kW und schafft im Linpack-Benchmark 4,73 TFlops, mithin also 225 MFlops/Watt. Damit ist er zwar nicht wirklich Europas energieeffizientester Hochleistungsrechner, denn die Green500-Liste wird von einem IBM-PowerXCell-8i-System der Uni Warschau mit 536 MFlops/ Watt angeführt; mit seinen MIPS-Kernen bringt Kautz jedoch ein bisschen Abwechslung in die x86/Power-Welt. (as)