Prozessorgeflüster

Gleich zwei Geburtstage konnte AMD dieser Tage feiern: den 40. der Firma und den sechsten des Opteron. Dazu überraschten die Kalifornier mit ersten Prototypen des Zwölfkern-Moduls Magny Cours.

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Von
  • Andreas Stiller

Zum 40. Geburtstag startete AMD einen Foto- und Videowettbewerb, bei dem Kreative AMD-Prozessoren mit passenden Mainboards gewinnen können, und zum sechsten Opteron-Jubiläum kredenzte AMD den geladenen Gästen nicht nur den neuen Sechskern-Prozessor Istanbul, der bereits im Juni offiziell vom Stapel laufen soll, sondern als besonderes Bonbon auch bereits lauffähige Prototypen des Zwölfkern-Moduls Magny Cours oder Opteron 6000, wie sein offizieller Name lautet. Das Modul soll ab dem ersten Quartal 2010 im neuen Sockel G34 mit vier DDR3-Speicherkanälen debütieren und mit vier Hypertransport-3.0-Links nach außen kommunizieren. Intern sind die beiden Istanbul-Seiten im Modul mit HyperTransport als „Bosporus-Brücke“ verkoppelt. AMD nennt diese Verkopplung jetzt DCA 2.0 – obwohl so direct connected wie bei einer Verbindung auf einem einzigen Chip ist die Architektur jetzt nicht mehr. Wegen des kurzen Abstands zwischen den beiden Chips kann aber HyperTransport besonders zügig arbeiten.

Ungewöhnliche Ausblicke: AMDs Performance-Roadmap bis zum Jahre 2011

(Bild: AMD)

Zudem könnten rein rechnerisch die Chips mit zwei parallel arbeitenden Links miteinander kommunizieren. Hinter den Kulissen erfuhr man allerdings, dass sie sich auf anderthalb beschränken, also einer nur mit halber Breite fährt. Bleibt zu hoffen, dass es den DCA-2.0-Istanbul-Teilen und der kommenden Bulldozer-Architektur nicht so ergeht wie dem ehrgeizigen Link in der türkischen Namensgeberstadt: Das Marmaray-Tunnelprojekt erleidet derzeit wegen „Architekturproblemen“ besonderer Art erhebliche Verzögerungen – hat man doch beim Bau unerwartete Legacy-Hardware, also alte byzantinische Bauten, Schiffe, Amphoren und so weiter entdeckt. Da müssen die Bulldozer nun erst einmal warten.

Der neue Sockel des Opteron 6000 ermöglicht zusammen mit dem G34-Chipsatz auch neue Energiesparfeatures – nicht nur für die Prozessoren, sondern auch für die Plattform. Damit kann AMD dann auch beim Leerlaufverbrauch weiter nach unten kommen und Boden gegenüber Intels Nehalem gutmachen. Das neue Buzzword hier heißt APML: Advanced Platform Management Link. Zusammen mit den anderen Powermanagement-Features fasst AMD dies unter dem Oberbegriff AMD-P2.0 zusammen. Passend dazu wird AMD auch die Virtualisierung auf V2.0 um I/O-Virtualisierung (AMD-Vi) erweitern.

Die Plattform „Maranello“ mit G34 ist dann auch für den in 32-nm-Technik geplanten Nachfolge-Chip Interlagos gedacht, der in der neuen Bulldozer-Architektur mit bis zu 16 Kernen aufwarten soll. Der Opteron 6000 ist allerdings anders als aktuelle MP-Versionen nur für maximal vier Prozessoren ausgelegt – das gibt bereits 48 Kerne. Das Design der Plattformen (Speicher, Links …) soll je nach Einsatzzweck stärker variieren als bislang (usage-based platform design).

Die neuen Features sind zusammen mit einem neuen Sockel auch für die Opteron-4000-Linie als Nachfolger des Istanbul-Prozessors vorgesehen, der noch kompatibel zu aktuellen Systemen mit Sockel F herauskommen wird: Zunächst soll 2010 Lisbon für Ein- bis Zwei-Prozessorsysteme in 45 nm mit C32-Chipsatz erscheinen und dann im Jahr darauf mit bis zu acht Kernen in Bulldozer-Architektur der Valencia.

Diese neue Bulldozer-Architektur soll nach inoffizieller Information pro Kern zwei Integereinheiten besitzen, jede mit ihren eigenen ALUs und L1-Caches, aber mit einem gemeinsamen L2. Außerdem will AMD Intels SSE-Erweiterung namens AVX (Advanced Vector Extension) übernehmen, sofern man sich noch mit Intel in den aktuellen Streitpunkten gütlich einigt. Ob die einst für Bulldozer geplante eigene Erweiterung SSE5 stirbt, ist derweil noch unklar, vielleicht wird AMD sie so wie 3Dnow noch als zusätzliches Goodie anbieten.

Auch über die zu erwartende Performance der kommenden Prozessoren bis hin zum 16-Kerner Interlagos hat AMD schon grobe Einschätzungen veröffentlicht, auch wenn bei ihm die Balken nach oben hin noch im Unscharfen verlaufen. Die 6-Kern-CPU Istanbul soll gegenüber dem aktuellen Shanghai-Prozessor etwa 30 Prozent höheren Gleitkommadurchsatz und 70 Prozent höheren Integer-Durchsatz aufweisen. Damit können dann Zwei-Sockel-Systeme wieder ein gutes Stück zu Intels Nehalem aufschließen. Ein Zwei-Sockel-System käme demnach bei SPECint_rate_base_2006 (estimated) etwa auf 200 (Nehalem X5570: 240), bei SPECfp_rate_base2006 (estimated) auf 132 (Nehalem X5570: 190). Das Magny-Cours-Modul soll dann beim Gleitkommadurchsatz etwa 85 Prozent und bei Integer rund 50 Prozent zulegen, mithin bei zwei Sockeln auf etwa 300 SPECint_rate_base2006 (estimated) und 245 SPECfp_rate_base2006 (estimated) kommen. Und Interlagos soll dann noch mal so um 80 Prozent drauflegen.

Interessanterweise hat Server-Chef Pat Patla betont, dass AMD dabei nur mit hauseigenen G34-Chipsätzen plant und 2010 keine Serverchipsätze von anderen Firmen erwarte. Das legten manche Beobachter so aus, dass Nvida und Broadcom keine Lizenzen für DCA 2.0 bekämen. Dem widersprach Pressesprecher Phil Huges umgehend: Mit dieser Aussage wäre nichts über die Lizenzvergaben gesagt.

Apropos Lizenzen, hier hat sich aus längst vergangenen Zeiten ein alter Mitkämpfer bei AMD gemeldet und Kompensation für einige Patente verlangt: OPTi. Von der einst gut im Rennen stehenden Chipsatz-Firma ist nur noch ein kleiner Rest um CEO Bernard Marren und CFO Michael Mazzoni übrig geblieben, die sich mit gutem Erfolg um die Vermarktung uralter Patente im Umfeld von PCI und LPC kümmern. Intel und Nvidia haben sich schon vor einiger Zeit mit OPTi geeinigt, nun hat ein Gericht auch Apple zur Zahlung von 19 Millionen US-Dollar verknackt. Neben AMD stehen noch Atmel, Broadcom, Renesas, Silicon Storage Technology, SMSC, STMicroelectronics und VIA auf OPTis Klageliste.

Schlechte Bilanzen und solche Forderungen sind zwar keine schönen Geburtstagsgeschenke, aber gefeiert wurde bei AMD dank der neuen Produkte in der Hinterhand trotzdem. Ein Jubiläum wird AMD allerdings nicht mehr zelebrieren können, nämlich das 25-Jährige des langjährigen Deutschland-Chefs und Marketing-Leiters für Europa, Nahen Osten und Afrika (EMEA) Jochen Polster. Zum 30. April hat man sich „in gegenseitigem Einvernehmen“ nach über 24 Jahren Betriebszugehörigkeit getrennt. Ein Nachfolger ist derzeit noch nicht benannt. (as)