Angelockt und abkassiert

Neu ist die Abofallen-Methode beileibe nicht, aber dank raffinierter Tricks momentan so effektiv wie nie. Die Gauner ziehen Verbrauchern Millionen aus der Tasche, aber Strafgerichte und der Gesetzgeber schauen nahezu tatenlos zu. Dabei ist die Zahl der Hintermänner überschaubar. Einige von ihnen sind schon lange aktiv und wohlbekannt.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Holger Bleich

Was koche ich am Wochenende für die Familie? Wo gibts die preiswertesten Kinderklamotten? Wie setze ich den Vertrag für den Autoverkauf auf? – Na, schau doch im Internet, da findest Du alles. Wurden früher bei Alltagsfragen Kochbücher, der Duden oder Zeitschriften bemüht, genügen mittlerweile einige Klicks im Browser, um kostenlos an jede gesuchte Information zu finden.

Das Web ist eben zum Alltagsmedium geworden, hier tummeln sich alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Mehr und mehr unbefangene Nutzer kommen hinzu. Diese Klientel steht im Visier von Gaunerbanden, die mit immer neuen Maschen das Web unsicher machen. Das Ziel der Abzocker ist stets, ihren potenziellen Opfern einen lange laufenden Vertrag ohne nennenswerte Gegenleistung unterzujubeln.

Dabei machen sie sich zunutze, dass sich mit minimalem Aufwand hübsche Webseiten produzieren lassen, die in puncto seriöser Anmutung denen großer Unternehmen kaum nachstehen. Musste Fürst Grigori Potjomkin im Krimgebiet noch ganze Straßenzüge mit bemalten Kulissen ausstaffieren, um seine Herrscherin zu beeindrucken, genügt den Internet-Bauernfängern ein Website-Baukasten, um ihre Potemkinschen Dörfer zu errichten.

Ein Blick hinter die Fassaden bietet sich den Besuchern erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Dann haben sie mit der Eingabe ihrer persönlichen Daten angeblich einen Vertrag abgeschlossen, der meist ein kostenpflichtiges Abonnement über ein oder zwei Jahre umfasst. Mal soll das dann 59 Euro kosten, mal 84 Euro.

Seit rund drei Jahren grassiert diese Abzocke in verschiedensten Variationen. Selbst Tageszeitungen und TV-Boulevardmagazine haben sich des Themas oft mit warnendem Tenor gewidmet. Oft ist deshalb in Webforen oder politischen Diskussionsrunden zu hören: Wer nun immer noch darauf reinfällt, ist selbst schuld.

Aus dieser Argumentation spricht die Arroganz einiger, die sich, vielleicht berufsbedingt, viel und intensiv im Internet bewegen. Und selbst die sind keineswegs vor den Abofallen sicher, wie diverse E-Mails und Anrufe bei der c't-Leserhotline tagtäglich zeigen. Wer viel surft, gewöhnt sich ab, Kleingedrucktes durchzulesen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen wahrzunehmen. Und genau darauf spekulieren die Abofallen-Betreiber.

Kennt man deren Tricks, sollte man Verwandte und Freunde warnen. Nur so kann dafür gesorgt werden, dass weniger Menschen in die Falle tappen, den geforderten Betrag bezahlen und damit die Taschen der Abzocker füllen. Wie man angemahnte Forderungen wirksam abwehrt, beschreibt ausführlich der Artikel ab Seite 96.

Für den meisten Ärger bei Nutzern und Verbraucherschützern sorgt derzeit die Masche rund um Opendownload.de. Dessen Hintermänner arbeiten gezielt mit Erfahrungen und Erwartungen von Websurfern. Das Beispiel belegt eindrucksvoll, wie perfide die Gauner mittlerweile vorgehen und wie schwer dem Treiben Einhalt geboten werden kann.

Opendownload.de stellt sich auf den ersten Blick als Fundgrube zum Herunterladen kostenfreier Software dar. Ob DivX, Acrobat Reader, Flash Player oder Firefox – an populären Programmen ist kein Mangel. Open-Source-Software wie Open Office ist mit dem Hinweis „Lizenz: Freeware“ versehen. Dem Nutzer wird schon mit dem Namensbestandteil „Open“ suggeriert, dass er sich die Programme kostenlos herunterladen kann.

Die Betreiber von Opendownload nutzen offenbar auch Irrtümer bei Domain-Namen. Unter dem viel älteren Open-Download.de (mit Bindestrich) etwa findet sich tatsächlich seit langem eine kleine Linksammlung zu GNU-lizenzierter Software. Die Abzocker sicherten sich auch Vertipper-Domains. Wer etwa youtub.de eingibt, landet beim kostenpflichtigen „Youtube-Downloader“ von Opendownload. Die Domains skype.at, skyp.at, scyp.de und scype.de haben ebenfalls zu Opendownload geführt, dies hat der Voice-over-IP-Anbieter allerdings vor kurzem unterbinden lassen.

Die meisten Opfer dürfte sich Opendownload allerdings über irreführende Werbung angeln. So kooperieren die Betreiber beispielsweise mit beliebten Tauschbörsenportalen. Am Eingang der P2P-Linksite Torrent.to etwa prangt prominent der Hinweis: „Sie versuchen die Seite mit einem veralteten Browser zu betreten. Leider ist Torrent.to nicht für diesen Browser optimiert. Dies kann zu Darstellungsfehlern, Fehlfunktionen und Geschwindigkeitseinbrüchen führen. Wir empfehlen daher Google Chrome zu verwenden, um Torrent.to in vollen Zügen nutzen zu können.“

Klickt der Surfer auf den Download-Button, um sich Google Chrome wie empfohlen zu besorgen, landet er bei Opendownload. Dass sich derlei fiese Tricks beliebig variieren lassen, zeigt die derzeit bei Surfern besonders beliebte Site Kino.to, die Links zu Videostreams von aktuellen Kinofilmen liefert. Um den Stream betrachten zu können, heißt es da, müsse man den aktuellen Flash- oder DivX-Player herunterladen – natürlich bei Opendownload.

Die Omnipräsenz von Opendownload-Links beschränkt sich keineswegs nur auf die dunkleren Winkel des Webs. Auch Google führt den Abzockern jede Menge potenzielle Opfer zu. Die Suchmaschine liefert bei Eingabe von Software-Namen wie „Flash“, „Adobe Reader“ oder „DivX“ oft Textwerbung, die zu sogenannten Landing-Pages von Opendownload führt. Diese Webseiten enthalten nicht den Begriff „opendownload“ in der URL, außerdem findet sich auf ihnen keinerlei Kostenhinweis. Erst ein weiterer Klick führt dann zum Abofallen-Portal.

Offensichtlich sind die Hintermänner von Opendownload seit Monaten Kunden bei Google und werben mit Adwords. An jedem Klick auf die Textanzeigen verdient der Suchmaschinenriese folglich mit.

Dass Opendownload.de ein Abofallen-Portal ist, müsste sich auch bei Google herumgesprochen haben. Ob man denn nicht erwäge, diesem oder zumindest mit ihm offenbar in Zusammenhang stehenden Kunden den Vertrag zu kündigen, wollten wir von Google wissen. Der Konzern antwortete mit dem Standard-Statement: „Wir arbeiten aktiv daran, Webseiten, die in unserem Werbenetzwerk bösartige Software bewerben, zu ermitteln. Konten, die Anzeigen beinhalten, die auf Webseiten mit bösartiger Software weiterleiten, werden von uns sofort gesperrt.“ Wir wiesen darauf hin, dass es sich nicht um bösartige Software, sondern um zwielichtige Werbepartner handelt. Darauf erhielten wir keine Antwort mehr.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 11/2009.


"Web-Abzocker abwehren"

Artikel zum Thema "Web-Abzocker abwehren" finden Sie in der c't 11/2009:
Das Millonengeschäft mit Abofallen S. 90
Rechtslage und Musterbriefe S. 96

(hob)