Prozessorgeflüster

Feuer in und aus Brüssel, feuriger neuer Cheftrainer bei AMD und viel Katanarasseln bei Fujitsu: Die Japaner wollen im Servergeschäft stärker mitreden und zeigten mit dem Achtkerner SPARC64 VIIIfx schon mal kräftig Muskeln.

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Von
  • Andreas Stiller

Dass plötzlich das Berlaymont-Gebäude in Brüssel, in dem unter anderem EU-Kommissionspräsident Präsident Barroso mit seiner Crew zu Hause ist, in Flammen stand und geräumt werden musste, hat wohl nichts mit einem sauer gewordenen und folglich überhitzten Intel-Prozessor zu tun. Sauer ist Hersteller Intel aber ganz bestimmt, soll doch die amerikanische Firma nicht ganz freiwillig die EU mit über einer Milliarde Euro wegen Verstoßes gegen die europäischen Wettbewerbsgesetze subventionieren. Intel wehrt sich dagegen nach Kräften mit einer Berufungsklage. Doch der Wind weht möglicherweise auch in den Staaten bald viel heftiger. Angeregt durch ihre europäische Kollegin Nelly Kroes will auch die oberste US-amerikanische Wettbewerbshüterin Christine Varney den Firmen in Zukunft weit stärker auf die Finger schauen als bislang üblich.

Für AMD ist jedenfalls nun der Weg frei, Schadenersatzklage in mindestens der gleichen Größenordnung, wenn nicht gar deutlich darüber hinaus, zu erheben. Mit dem eindeutigen Urteil der Europäischen Kommission im Rücken stehen die Chancen für den von Intel unfair behandelten Mitbewerber offenbar recht gut – gäbe es da nicht noch die andere Auseinandersetzung zwischen den Firmen, die sich um die Frage dreht, inwieweit das gegenseitige Patentaustauschabkommen nach Aufteilung von AMD auch für die Tochter Globalfoundries gültig ist.

Intel hatte im März angedroht, AMD die Lizenzen zu entziehen. Die vertraglich vereinbarte Friedens- und Verhandlungszeit von 60 Tagen ist derweil abgelaufen – nur hört man dazu aktuell von keinem der Beteiligten ein Wort. AMD tut so, als wäre das Thema aus der Welt oder „died out“, wie sich AMDs Asien-Chef Ben Williams gegenüber ZDNet Asia ausdrückte – wahrscheinlich aber geht es hinter den Kulissen derzeit heiß her; ohnehin steht eine Erneuerung des Austauschabkommens ab Ende 2010 an.

Unter anderem will AMD Intels geplante Vektorerweiterung AVX für die Bulldozer-Architektur übernehmen. Wie die japanische Website pc.watch.impress erfahren haben will, plant man dafür jedoch keine 100-prozentige AVX-Übernahme, sondern eine eigene Implementierung, zu der sich ursprünglich für SSE5 gedachte Erweiterungen hinzugesellen sollen.

Unterdessen geht auch das Aufräumen in AMDs Führungsetage weiter. Randy Allen, ein weiterer Veteran, hat die Firma nach gut 25 Jahren verlassen und so wurden gleich mehrere wichtige Managerposten neu besetzt. Allen war früher lange Zeit Chef der Server- und Workstation-Abteilung. Zuletzt leitete er die Computer Solution Group. Seinen Job übernahm nun der via S3 und ATI zu AMD gekommene Rick Bergman, der als „Czar“ (so der in Austin/Texas erscheinende American-Statesman) der neu geschaffenen Product Group nun außerdem Herrscher über die Chipsatz- und Grafiklösungen ist.

Derweil kriselt der PC-Markt zwar weiter, laut IDC mit 13 Prozent weniger Verkäufen als im Jahr zuvor, aber es ist nicht mehr ganz so heftig, wie noch im letzten Quartal 2008 mit einem Minus von 17 Prozent. In diesem strauchelnden Markt konnte AMD gegenüber Intel abermals ein gutes Stückchen Boden gutmachen, nämlich 4,6 zusätzliche Prozentpunkte vom großen Kuchen. Damit verbesserte sich AMD auf 22,3 Prozent insgesamt. Intel verlor 4,7 Prozentpunkte und kam auf 77,3 Prozent; der winzige Rest von 0,4 Prozent verbleibt dann für VIA. Letzteres kann sich aber bald zu Gunsten von VIA verändern, plant doch Dell neue energieeffiziente Server (XS11-VX8) mit VIAs Nano-Prozessor – jetzt, wo auch Microsoft Windows Server 2008 den Prozessor 64-bittig unterstützt.

Im Desktop-Segment allein erzielte AMD nach den IDC-Zahlen nun wieder nahezu 30 Prozent Marktanteil, allerdings ging’s im Server und Workstation-Business weiter bergab, hier musste AMD 1,2 Prozentpunkte an Intel abgeben und liegt jetzt nur noch bei knapp über 10 Prozent – und dabei hatte Intels neuer Nehalem-EP-Prozessor noch gar nicht ins Rennen eingegriffen. Auf der anderen Seite soll im nächsten Monat der Sechskerner Istanbul angreifen, das dürfte sich aber frühestens im dritten Quartal auswirken.

Im angesprochenen Servermarkt ist zudem eine größere Umwälzung im Gange: Neue Firmen wie Cisco und Oracle tauchten urplötzlich auf und Kleinere schluckten Größere. So hat Mitte Mai Rackable Systems (318 Mitarbeiter) den Konkurrenten SGI (über 1000 Beschäftigte) samt dessen traditionsreichem Namen übernommen. Rackable versorgt immerhin Großkunden wie Google, Microsoft und Amazon und kennt sich im neuen Trendbereich Cloud Computing gut aus. Bei diesen viel versprechenden Wolken will nun auch Fujitsu Technology Solutions (FTS) mit der „Dynamic-Cube“-Familie Primergy BX900 mitspielen.

Deutschlands FTS-Chef Bernd Wagner äußerte zudem für den Serverbereich ehrgeizige Ziele. Der in Stückzahl gemessene Weltmarktanteil von 4 Prozent des vergangenen Jahres soll über 7 Prozent (entsprechend 500 000 Maschinen) im Jahr 2010 und auf über 10 Prozent im Jahr 2012 wachsen. Ob man dabei auch auf passende Zukäufe schielt, bleibt offen. So könnte der geplante deutliche Zuwachs für 2009/2010 recht passend durch einen Einkauf des x86-Serverbereichs von Sun abgedeckt werden – man munkelt, dass Oracle den schnell loswerden will. Und bei den großen SPARC-Enterprise-Maschinen gibt es ja ohnehin schon eine gemeinsame Vermarktung.

Die SPARC-Linie – so Oracle-Chef Larry Ellison – soll zusammen mit Fujitsu weiterentwickelt werden. Hier gibt’s zum einen die Sun-Entwicklung Rock, die im Verlaufe dieses Jahres debütieren soll – und vor allem die SPARC64-Linie, die in Version VIIIfx (Venus) auf dem Fujitsu-Forum 2009 als Prototyp vorgestellt wurde. Mit acht Kernen und vier Speichercontrollern (gefertigt in 45-nm-Technik) sollen sie mit ihrer erweiterten Vektoreinheit bis zu 128 GFlops leisten können und dabei angeblich nur ein Drit-tel des aktuellen SPARC64-VII-Chips verbrauchen. Wahrscheinlich meinte aber Fujitsu-Sprecher Masao Sakamoto dabei – so wie bei früheren Angaben von Fujitsu üblich – den Verbrauch pro Kern, sodass der Prozessor dann insgesamt auf etwa 90 Watt käme.

Das ist immer noch sehr effizient, aber es wird noch ein Jahr oder länger dauern, bis dieser Prozessor marktreif ist. Bis dahin sind auch andere große Eisen wie Tukwila, Beckton, Magny-Courts, Power 7 sowie Larrabee, G(T)300 und Radeon 5000 längst spruchreif. Nur ob der geplante gemeinsame Vektorprozessor von NEC und Hitachi sich dann schon materialisiert hat, steht in den Sternen – denn NEC ruderte jetzt zurück und will die Herstellung des fertig konzipierten Prozessors nicht übernehmen – weil zu teuer. Der sollte eigentlich neben dem einigermaßen im Zeitplan liegenden Fujitsu SPARC64-VIIIfx den 10-Petaflops-Rechner Kei Soku Keisanki befeuern, den das japanische Technologieministerium für rund eine Milliarde Dollar in Auftrag gegeben hat. Nun sucht man einen anderen Hersteller – fraglich, ob man den im Land der Morgensonne findet, aber sonst ist es ja kein rein japanischer Supercomputer mehr. (as)