HD hü, HD hott

Kaum haben die HDTV-Interessenten eine Ankündigung zum kommenden HDTV-Angebot HD+ verdaut, da kommt schon die nächste – mit teilweise widersprüchlichen Aussagen. Selbst beteiligte Firmen durchschauen die Pläne des Betreibers Astra nicht mehr.

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Von
  • Nico Jurran

Die gesicherten Erkenntnisse zum angekündigten HDTV-Angebot „HD+“ des Sat-TV-Plattformbetreibers Astra sind schnell zusammengefasst: Der Dienst soll ab dem Spätherbst über Astras Hauptorbital-Position 19,2 Grad Ost Nagravision-verschlüsselt ausgestrahlt werden und gegen Vorkasse HDTV-Fassungen mehrere deutscher Privatsender bieten – zunächst RTL und Vox, ab dem Frühjahr auch ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins. Deren Programme werden jedoch nicht komplett in hochaufgelösten H.264-komprimierten Bildern produziert; vielmehr strahlen die Sender ausgewählte Inhalte wie Filme und Serien in der Auflösung 1080i (1920 x 1080 Bildpunkte, interlaced) aus und rechnen den Rest auf dieses Format hoch. Die Smartcards sollen Interessenten von der eigens gegründeten HD Plus GmbH bekommen, ohne persönliche Daten hinterlegen zu müssen.

Wesentlich komplizierter wird die Sache, wenn es um den Empfang des Pay-TV-Angebots HD+ geht: Nach der ersten Ankündigung vom 5. Juni gab Astra-Sprecher Markus Payer gegenüber c't an, das Angebot werde sich nicht mit aktuellen HDTV-Receivern nutzen lassen, sondern nur mit HD+-zertifizierten Empfängern – die möglichst CI-Plus (siehe c't 8/09) als Zugangssystem verwenden. Wenige Tage später stellte der zur Kathrein-Gruppe gehörende Hersteller TechnoTrend Görler HD+-zertifizierte Geräte zum Start des Angebots in Aussicht.

Am 23. Juli folgte dann die Kehrtwende – kurz nachdem die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf die angekündigten HD+-Modelle vor Fehlinvestitionen beim Kauf aktueller HDTV-Receiver gewarnt hatte. Nun gab Humax bekannt, zwei seiner aktuellen HDTV-Receiver nachträglich HD+-kompatibel zu machen. Entsprechende Ankündigungen folgten von TechniSat, Kathrein, Vantage und VideoWeb (siehe Tabelle). TechniSat sprach in seiner Pressemitteilung gar von einer „Fehlinformation“ seitens der Verbraucherzentrale NRW – obwohl Astra selbst erst fünf Tage später in einer „Stellungnahme“ die Absicht von Receiver-Herstellern begrüßte, ihre „HDTV-Empfangsgeräte für den neuen HD+-Service kompatibel zu machen“.

Bei Humax’ Modell HD-Fox soll ein Firmware-Update das integrierte Entschlüsselungssystem (Embedded CA) fit für HD+ machen, sodass sein Kartenleser direkt die HD+-Smartcard auslesen kann. Bei den übrigen Modellen (siehe Tabelle) umfasst das HD+-Upgrade zwei Komponenten: Ein „Legacy Module“ genanntes Conditional Access Module (CAM), das mit der HD+-Smartcard in das vorhandene Common Interface (CI) des Empfängers gesteckt wird, und eine für dessen Betrieb nötige Firmware. Vor allem Receiver sollen so auf HD+ umgerüstet werden, aber auch TechniSats „HDTV-geeignete […] LCD-Digitalfernseher“ (Pressemitteilung). Auf Nachfrage erklärte TechniSat allerdings, dass damit nur die „Full-HD“-Modelle der Serie „HDTV“ und „HDTV Plus“ gemeint seien.

Die Legacy-Module laufen jeweils nur in den Geräten eines Anbieters; ein Kathrein-CAM lässt sich also beispielsweise nicht in einem Vantage-Receiver betreiben. Gerade kleine Hersteller drückten gegenüber c't ihre Besorgnis aus, dass Kunden beim Händler um die Ecke aus Unkenntnis zum „Marken-Modul“ greifen und dann Frust schieben, weil der Receiver damit den Dienst verweigert.

Jeder beteiligte Receiver-Hersteller erhält nur eine begrenzte Anzahl von Legacy-CAMs, da sie nur als Übergangslösung gedacht sind – schon, weil die Module technisch nicht das leisten, was sich die Sender von HD+ versprochen haben: So soll bei HD+ die Kommunikation zwischen CAM und Receiver verschlüsselt ablaufen, um ein Abgreifen des TV-Datenstroms zu verhindern. Weiterhin soll der Sender über Flags im TV-Datenstrom bestimmen können, was der Anwender aufnehmen darf und was nicht – und ob die Werbung in dem Mitschnitt übersprungen werden kann.

Alle diese Einschränkungen (aus Kundensicht) fehlen bei den Legacy-CAMs. Daher verwundert es kaum, dass in einem internen Ausschreibungspapier der Astra-Tocher Astra Platform Services (ASP) vom 28. Juli 2009 kategorisch ausgeschlossen ausgeschlossen wurde, mit den bislang frei nutzbaren Festplatten-Receivern nach dem HD+-Update überhaupt Aufnahmen von HD+-Sendern anfertigen zu können. Auf Nachfrage erklärte uns der Autor des Papiers, Alexander Sacher, dass dies jedoch nur eine von mehreren Optionen sei und eine endgültige Entscheidung noch ausstehe. Tatsächlich teilten uns Receiver-Hersteller mit, bis zum Redaktionsschluss noch nicht einmal die HD+-Spezifikationen erhalten zu haben. Einige Firmen, die befürchten, dass die Kunden nach dem HD+-Update „nicht mehr Herr über ihr Gerät sind“, wollen aber auf jeden Fall eine Downgrade-Möglichkeit auf die alte, HD+-freie Firmware gegenüber Astra durchsetzen.

Die Hersteller HD+-zertifizierter Receiver dürfte es gefallen, wenn sich nur mit ihren Geräte die (vom Sender hierfür vorgesehene) Programme mitschneiden ließen. Kritiker befürchten hingegen, dass mit den kommenden HD+-Empfängern eine Situation eintritt, die mit der in Großbritannien vergleichbar ist: Dort veröffentlichte Panasonic zwar einen Blu-ray-Recorder für Free-HDTV-Sender; dieser kann den frei empfangbaren Sender ITV HD aber bislang nicht aufzeichnen, da der im TV-Datenstrom dauerhaft ein No-Copy-Flag mitsendet.

Mancher an HD+ beteiligter Receiver-Hersteller ist von dem Hick-Hack mittlerweile genervt. „Wenn wir Glück haben, löst sich alles in Wohlgefallen auf“, so ein Produktmanager hinter vorgehaltener Hand. Die Chancen für ein Flop stünden seiner Meinung nach gut; schließlich sei Astra bereits mit dem Vorgänger Entavio gescheitert. Nicht zuletzt die Abogebühren dürfen über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Diese werden laut Handelsblatt bei 4,50 Euro monatlich liegen. Aber auch hier ist laut Astra noch nicht das letzte Wort gesprochen. (nij)