"Ich bin ein v......t SCHRÄGES Tier!" Zum 200. Geburtstag von Ada Lovelace

Vor 200 Jahren wurde Ada Countess of Lovelace geboren, deren Anmerkungen zur Arbeit von Charles Babbage als Urtext einer Beschreibung des Computers gelten. Lovelace gilt heute als die erste Programmiererin.

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Ada Lovelace
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Am heutigen 10. Dezember wird der 200. Geburtstag von Ada Countess of Lovelace gefeiert, die mit ihren Anmerkungen des Übersetzers als erste im Jahre 1843 den universalen Computer beschrieb und mit der Berechnung von Bernoulli-Zahlen eines der ersten Programmierbeispiele veröffentlichte: "Der Operationsmechanismus (der Analytical Engine) könnte auf andere Dinge als Zahlen angewandt werden, wenn man Objekte finden könnte, deren Wechselwirkungen durch die abstrakte Wissenschaft der Operationen dargestellt werden können und die sich für die Bearbeitung durch die Anweisungen und Mechanismen des Gerätes eignen.“

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Zu Ada Lovelace siehe auch:

  • Zahlenweberin: zum 200. Geburtstag von Ada Lovelace

Vor 200 Jahren wurde Augusta Ada Byron geboren, erstes und einziges Kind von Lady Byron und dem britischen Poeten Lord Byron. Bereits nach einem Monat zog ihre Mutter zurück auf das Gut ihrer Eltern und erzog Ada streng, um "byronische Tendenzen" abzuwehren: Mathematik war erlaubt, Poesie war verboten. Geometrie wurde geübt, freies Malen war strikt untersagt. "Wissenschaftliche" Sprachen wie Deutsch, Französisch und Latein waren erlaubt, Italienisch verboten. Über dem Kamin ihrer Großeltern konnte die junge Ada ein verhülltes Bild von Byron sehen, das erst zu ihrem 21. Geburtstag enthüllt wurde: Lady Byron hatte Angst, ihre Tochter könne sich in den bisexuellen exzentrischen Dichter verlieben, der ein Kind mit seiner Halbschwester hatte, wie sie herausfand. Dieser Trennungsgrund wurde geheim gehalten.

Ada Countess of Lovelace

Als Ada sieben Jahre alt wurde, fragte Lord Byron aus Italien in einem Brief, wie sein Kind denn lebe. "Sie wird im Geiste ihrer mechanischen Begabung erzogen", kam die nüchterne Antwort aus England. Adas Hauslehrer und Mentoren waren gehalten, ihre Phantasie im Zaum zu halten, während Lady Byron viel auf Reisen war. Dies war nicht einfach, denn Ada war ein kränkliches Kind, zeitweilig sogar gelähmt und bettlägerig. In ihrer Phantasie dachte sie sich die "Fliegologie" aus, mit gewaltigen Dampfmaschinen.

Im Alter von 19 Jahren wurde Ada in die Londoner Gesellschaft eingeführt und mit dem zehn Jahre älteren William Baron King, später Earl of Lovelace verheiratet. Das Paar bekam drei Kinder, zwei Söhne (Tischler und Bergsteiger) und eine Tochter (Pferdezüchterin). In Ihren Briefen gestand Ada, eine grässliche Mutter zu sein; sie genieße viel lieber die Sphären der Mathematik.

Unterrichtet wurde sie im "Briefstudium" vom Mathematiker Augustus de Morgan, dessen Morgansche Gesetze von George Boole zur Aussagenlogik fortentwickelt wurden. Außerdem korrespondierte sie mit der schottischen Mathematikerin Mary Somerville, die ihre mütterliche Freundin wurde. Ada schrieb bis zu sechs Briefe pro Tag. Als sie 1844 erfuhr, dass der elektrische Telegraph eingeführt wird, schrieb sie begeistert über die Erfindung des späteren Verlegers ihrer "Anmerkungen": "Wheatstone sagt, dass manchmal Freunde Gespräche von einer Station zur anderen führen, dass man nach jedem senden kann, um sich mit ihm zu unterhalten. Wunderbare Erfindung und Möglichkeit!"

Beeindruckender als die Einführung in die adlige High Society war für Ada der erste Besuch mit ihrer Mutter bei Charles Babbage und seiner im Bau befindlichen Differenzmaschine am 21. Juni 1833, eingeführt von Sophia de Morgan. "Letzten Montag haben wir uns die Denkmaschine angesehen, denn eine solche scheint sie zu sein", schrieb Ada in ihr Tagebuch, während Sophia de Morgan in ihrem Buch notierte, Ada begriff, "jung wie sie war, sofort die Arbeitsweise der Maschine und sah die große Schönheit der Erfindung".

Was Ada sofort einleuchtete, war die Zerlegung von komplexen Berechnungen in kleinste Rechenschritte nach dem Babbage-Prinzip. Als sie wenig später mit ihrer Mutter zur einer Reise in die Midlands aufbrach, um neue Fabriken und Manufakturen zu besichtigen – auch das gehörte zum Eintritt in die Society –, schrieb sie begeistert: "All dieser Maschineneinsatz hier erinnert mich an Babbage und sein Juwel von einer Maschine."

Während Ada Countess of Lovelace sich in der Ehe bewährte und ihre Mathematik-Kenntnisse vertiefte, tourte Charles Babbage in Europa, um für seine neueste, ab 1837 entwickelte Idee zu werben, eine Analytical Engine zu bauen. Für seine nie vollendete Differenzmaschine hatte Babbage viel Geld von der Royal Navy bekommen, etwa den Gegenwert von zwei kompletten Kriegsschiffen, doch für die neue Idee fehlte das Verständnis.

Rechenoperationen, bei denen nicht nur die Zahlen, sondern auch die Rechenverfahren dank der Einführung von Lochkarten als Steuersysteme variabel sind: Dies wollte Babbage dem weltbekannten Mathematiker Plana vorstellen. An seiner Stelle interessierte sich ein junger italienischer Ingenieur dafür, der spätere Ministerpräsident Frederico Luigi Menabrea.

Als seine Beschreibung von Babbages Maschine 1842 auf Französisch erschien, wurde sie von Adas Ehemann William abgeschrieben – Frauen war die Benutzung von wissenschaftlichen Bibliotheken untersagt. Ada übersetzte Menabrea und teilte dies Babbage mit, der darüber sehr erstaunt war. Ada hätte doch selbst dank ihrer Kenntnisse einen besseren Bericht schreiben können, war seine Antwort. Dies setzte die junge Adelige umgehend mit ihren "Anmerkungen des Übersetzers" um, die in ihrer Ausdrucksfähigkeit weit über der nüchternen Beschreibung von Menabrea liegen.

Wo Menabrea trocken anmerkt, dass es derzeit nicht möglich ist, eine solche Maschine zu bauen, tagträumte Ada sie zusammen und schrieb davon, dass die Teile existierten und nur die Zeichnungen und Betriebsnotationen noch kombiniert werden müssten. Ihre Beschreibung war poetisch: "Am treffendsten können wir sagen, dass die Analytical Engine algebraische Muster webt, gerade so wie der Jacquardwebstuhl Blüten und Muster."

Der Zahlen-Webstuhl, die Maschine, die die "ur-weibliche Erfindung des Flechtens und Webens" (Sigmund Freud) zum Berechnen beliebiger Systeme transformierte, wurde von Ada "mein Freund" genannt. Sie plante rund um die Maschine eine Karriere als wissenschaftliche Autorin und legte Babbage einen Vertrag zur künftigen Zusammenarbeit vor, der sich wie ein Ehevertrag liest. "Ich glaube nicht, dass Sie auch nur die Hälfte meiner Vorausahnungen besitzen & das Vermögen, alle Eventualitäten zu sehen (wahrscheinliche und unwahrscheinliche gleichermaßen)."

Der 25 Jahre ältere Babbage lehnte das Projekt rundweg ab. Die Zusammenarbeit war am Ende und Ada Lovelace wandte sich anderen Dingen zu, etwa dem Mesmerismus und Versuchen, mathematische Wett-Methoden zu entwickeln. Im Jahr 1850 wurde ihr Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert und 1852 starb sie im Alter von 36 Jahren, genau wie ihr Vater Lord Byron.

"Du weißt, ich bin ein v------t SCHRÄGES Tier! Und wie meine Mutter oft sagt, sie weiß immer noch nicht genau, ob es der Teufel oder ein Engel ist, der eigentümlich über mich wacht, nur dass es ganz gewiss einer von beiden IST! (Und was mich angeht, ist es mir ziemlich gleichgültig, wer von beiden.)"

Ihre "Anmerkungen des Übersetzers" gerieten schnell in Vergessenheit, zumal sie zunächst mit A.L.L. signiert waren und nicht mit A.A.L. Dass eine Frau hinter dem Text stand, wurde von Zeitgenossen für unmöglich gehalten, denn Frauen waren "zu schwach, die Kräfte der Mathematik auszuhalten", wie es ihr Lehrer de Morgan postulierte. Erst im Jahre 1953 wurden Adas Anmerkungen wieder entdeckt und veröffentlicht – und prompt von Alan Turing in seinem Text zur Möglichkeit der Künstlichen Intelligenz im Argument Nummer 6 als "Lady Lovelace's Objections" kommentiert.

Zum 200. Geburtstag von Ada Lovelace gibt es im Gewebe des internets viele nennenswerte Angebote. Zuvorderst ist für Deutschland die Ausstellung des HNF zu nennen und die für IT werbende Seite der Informatiker in Magdeburg. Die klassische Ada-Biographie ist online zu finden, die feministische Variante mit vielen Briefen von Ada ebenfalls. Noch einen Schritt weiter geht die britische Cybernetic Culture Research Unit an der Universität Warwick. Ada gibt es auch als Krypto-Rätsel fürs iPhone oder als Comic. Erwähnt werden sollte noch ein Buch, das jenseits aller Fakten Ada mit dem deutschen Pionier Konrad Zuse vermählt. (jk)