WSIS+10: Unklare Rolle von Regierungen bei globalen Netzfragen

Trotz viel demonstrierter Harmonie auf dem kleinen UN-Gipfel zum Internet bleiben die Staaten uneinig darüber, wie viel Regierungseinfluss kritische Infrastrukturen vertragen.

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Vernetzte Welt
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Von
  • Monika Ermert

Europa ist sich nicht einig, wie stark die Rolle des Staates bei der Aufsicht über kritische Infrastrukturen im Netz sein soll. Frankreich und Österreich etwa haben auf der WSIS10-Konferenz der Vereinten Nationen in New York eine vorrangige Verantwortung der Regierungen unterstrichen. Stefan Schnorr vom Bundeswirtschaftsministerium trat demgegenüber für ein gleichberechtigte Arbeitsteilung ein.

Schnorr sagte vor der UN, dass das Internet niemals der Kontrolle einer einzigen Interessensgruppe überlassen werden dürfe. Damit setzte sich die Bundesregierung von den Nachbarn in Frankreich klar ab. David Martinon, französischer Beauftragter für Cyberangelegenheiten und digitale Wirtschaft, unterstrich, dass es ohne die privaten "Stakeholder" natürlich nicht gehe in Management und Entwicklung der Netzinfrastrukturen. Letztlich aber seien die Regierungen als einzige demokratisch legitimiert, das öffentliche Interesse aller zu verteidigen.

Insbesondere aus China, Russland, aber auch aus Frankreich kamen in New York wieder vernehmliche Rufe nach einem zwischenstaatlichen Pakt zur Sicherung des Cyberspace. Einen "Code of Conduct" für die Sicherheit im Netz forderte Chinas Vertreter. Martinon warb dafür, enfach die Cybercrime Konvention des Europarates zu einem internationalen Abkommen zu machen.

Der Streit um die Rolle der Regierungen bei der Beaufsichtigung kritischer Infrastrukturen geht auf die Auseinandersetzungen um den Betrieb der zentralen Datenbanken für Domains und IP-Adressen beim ersten Weltgipfel der Vereinten Nationen vor zehn Jahren zurück. Wie der brasilianische Vizeminister für Wissenschaft und Technologie, Jo se Antonio Marcondes de Carvalho, am gestrigen Dienstag unterstrich, bleibt das Thema ein heißes Eisen.

Die Rolle der Regierungen in der Selbstverwaltung der globalen Domainverwaltung steht wegen der geplanten Übergabe der Rootaufsicht an die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) aktuell wieder auf dem Programm. Brasilien hat sich in den vergangenen Jahren vermehrt als Broker im diplomatischen Gezerre darüber positioniert, ob Netzpolitik "multilateral", also zwischenstaatlich, oder doch besser "Multi-Stakeholder" gemacht werden sollte. Die brasilianischen Vertreter verteidigten das Nebeneinander beider Regulierungskonzepte im WSIS10-Abschlussdokument.

Die klare Anerkennung, dass Grundrechte online ebenso wie offline zu gelten haben sei einer der wichtigen Fortschritte der ersten WSIS-Dekade, meint Annette Esterhuysen von der Organisation Association for Progressive Communication (APC). Bei der Implementierung dieses Grundsatzes hinkt die Staatengemeinschaft allerdings noch weit hinterher. Ecuadors Vertreter kritisierte die Massenüberwachung durch Geheimdienste verschiedener Länder scharf. Sie sei "durch nichts zu rechtfertigen, illegal und nicht hinnehmbar". (kbe)