Kuba: Ein Land geht ins Internet

Vor einem Jahr kündigte US-Präsident Obama ein Ende der Blockadepolitik gegen Kuba an. Erklärtes Ziel war es auch, Kubanern ins Internet zu helfen. Bislang war ihnen das schwer gemacht worden, doch das beginnt sich zu ändern.

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Kuba: Ein Land geht ins Internet

Internet-Spot in Kubas Hauptstadt Havanna

(Bild: Othmar Kyas, CC BY-SA 4.0)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Dominik Haidenthaler
Inhaltsverzeichnis

Der Tourismus in Kuba boomt: Vor allem Menschen aus Kanada, Europa und Lateinamerika wollen die Karibikinsel besuchen, bevor ausländische Firmen Fuß fassen und der besondere Charme verloren geht. Kaum jemand unter ihnen wird nach der Reise jedoch Positives über das Internet in dem Land berichten: Die angebotenen Zugänge sind spärlich, langsam und teuer, ein internetfähiges Mobilfunknetz existiert nicht. Diese Missstände haben ihre Ursache in der Geschichte des Inselstaats, dessen Weg ins Internet steinig war und das sich doch in einer vielversprechenden Lage befindet.

Erst im September 1996 erhielt Kuba über Satellitenverbindungen Zugang zum Internet. Dieser lang ersehnte Schritt wurde inmitten der sogenannten Sonderperiode realisiert, einer schweren wirtschaftlichen Krise des Landes Anfang der 90er Jahre. Auslöser war die Implosion des Ostblocks - des wichtigsten Verbündeten, zudem verschärften die Vereinigten Staaten ihr Embargo gegen Kuba. Diese Periode zu bewältigen, wurde für Kuba zur Herkulesaufgabe: Das Bruttoinlandsprodukt fiel um 50 Prozent, Im- und Exporte brachen um 80 Prozent ein, Verkehr und Industrie kamen aufgrund des Ölmangels völlig zum Erliegen und ein Fünftel aller Kubaner verlor ihre Arbeit.

Kubanisches Minicomputer-System CID-300/10, kompatibel mit dem damals gängigen PDP-11

(Bild: History of Computing and Education 3)

Um die wichtigsten Sozialsysteme aufrechterhalten zu können, mussten in allen Bereichen Einsparungen vorgenommen werden. In der IT-Forschung hatte der Karibikstaat bis zu diesem Zeitpunkt mit den führenden Ländern Schritt halten können, sogar eigene Computersysteme waren produziert worden. Derartige Projekte mussten aufgegeben werden, wodurch Kuba den Anschluss an die internationale Entwicklung verlor.

Auch die bis dahin gute Telekommunikationsinfrastruktur verfiel rapide. War sie zu Beginn der Sonderperiode noch vergleichbar mit deutlich reicheren Ländern der Region, so konnte sie danach nur noch mit weitaus ärmeren Ländern etwa in Afrika verglichen werden. Auch Jahrzehnte später sind die Folgen dieses Verfalls noch immer spürbar.

Durch die Aktivierung des Unterseekabels im Jahr 2013 konnte die Bandbreite drastisch gesteigert werden.

(Bild: "Die Informationstechnologieoffensive Kubas", Dominik Haidenthaler)

Im Jahr 2013 schließlich wurde das Unterseekabel ALBA-1 nach Venezuela aktiviert und damit der Abhängigkeit vom satellitenbasierten Internet ein Ende gesetzt. Dadurch konnte die seit Jahren stagnierende Geschwindigkeit der Verbindung massiv gesteigert werden. Unmittelbar danach wurden 118 Internetcafés eröffnet, im Juli 2015 wurden zusätzlich 35 WLAN-Netze in Parks und anderen stark frequentierten Zonen in Betrieb genommen. Diese Angebote an öffentlichen Internetzugängen werden seither stark ausgebaut.

Umleitung des Traffics von Tata Communications, einem der Internetprovider, von Satellit auf Kabel

(Bild: Dyn Research)

Das Embargo der USA gegen Kuba besteht seit der Revolution im Jahr 1959, die unter anderem von Ernesto "Che" Guevara, Fidel und Raúl Castro durchgeführt wurde. Offizielles Ziel der Handelsblockade ist es, durch wirtschaftliche Unzufriedenheit und Not einen Regierungswechsel herbeizuführen.

Im Rahmen der Annäherungen zwischen den USA und Kuba in jüngerer Vergangenheit (im Juli 2015 wurden wechselseitig wieder Botschaften eröffnet) wurde sie etwas gelockert, unter anderem im Telekommunikationsbereich. Eine vollständige Aufhebung scheint inzwischen nur noch eine Frage der Zeit. In Kuba wird das Embargo maßgeblich für die langsame Entwicklung im Telekommunikationssektor verantwortlich gemacht. Vor allem dieser Bereich sei dahingehend sehr empfindlich.

So ist beispielsweise der Import von Geräten und Ersatzteilen schwierig, da Produkte mit über 10 Prozent an US-amerikanischen Komponenten nicht nach Kuba importiert werden dürfen, auch nicht über Drittländer. Zudem berechnen Firmen oft einen Risikozuschlag für den Handel mit Kuba, da sie Sanktionen aus den Vereinigten Staaten befürchten. Auch Software ist von dieser Regelung betroffen.

Typische Reklame gegen das Embargo, das hier als "größter Völkermord der Geschichte" bezeichnet wird.

(Bild: Maxence, CC BY-SA 2.0 )

Bereits der Anschluss Kubas an das Internet im Jahr 1996 war nur durch eine Modifikation der geltenden Embargogesetze möglich. Die Bandbreite wurde dabei allerdings von den USA festgelegt und danach streng limitiert. Für die Bedürfnisse des Landes war sie zu stets viel zu gering. In kubanischen Medien wurde immer wieder betont, das ganze Land müsse mit den "Internetkapazitäten eines Hotels" haushalten. Dabei liegen zahlreiche Datenkabel nur wenige Kilometer von der kubanischen Küste entfernt. Das Embargo verhinderte jedoch den Anschluss daran. Einzige Lösung war daher die Verlegung eines eigenen Kabels von über 1.600 Kilometern Länge bis nach Venezuela.

Ein Netz an Unterseekabeln umspannt Kuba, dennoch musste ein eigenes Kabel bis nach Venezuela verlegt werden. Die Verbindung nach Jamaika ist ein Backup dieser Verbindung.

(Bild: Submarinecablemap.com)

Auch wenn der Anschluss Kubas ans Unterseekabel einen Meilenstein darstellt, so blieb der von vielen Bewohnern und ausländischen Medien erwartete Quantensprung aus. Grund hierfür ist die immer noch schwache interne Telekommunikationsinfrastruktur, obwohl der Ausbau in den letzten Jahren mit Hochdruck vorangetrieben wurde.

Zudem verfolgt Kuba hier eine andere Strategie als die meisten Entwicklungsländer: Der Ausbau beschränkt sich nicht auf dicht besiedelte Gebiete wie die großen Städte, sondern wird in den ländlichen Regionen gleichermaßen vorangetrieben. Der dahinter liegende Grundgedanke, dass alle Bewohner von neuen technischen Errungenschaften profitieren sollen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Politik des Landes.

Aus diesem Grund wird auch der Ausbau der öffentlichen Internetzugänge forciert und jener der privaten aufgeschoben. So kann mit geringeren finanziellen Mitteln ein größerer Teil der Bevölkerung erreicht werden. Die kollektive Nutzung der beschränkten Internetressourcen spiegelt sich auch in den offiziellen Statistiken wieder: Ende 2014 waren nur 533.900 Computer mit dem Internet verbunden, die Zahl der Internetnutzer betrug hingegen über 3 Millionen. Insgesamt hat das Land mehr als 11 Millionen Einwohner.

Private Internetzugänge erhalten bevorzugt Personen, die eine wichtige Rolle innerhalb der Gesellschaft einnehmen oder das Internet eher benötigen. Darunter fallen beispielsweise Ärzte, Journalisten, Lehrer, Unternehmer oder Studenten. Diese Selektion war insbesondere zu Zeiten des Satelliteninternets notwendig, da die zur Verfügung stehenden Internetkapazitäten für eine breitere Nutzung schlicht zu gering waren.

Auch beim aktuellen Ausbau des Telekommunikationsnetzes werden die für das Land wichtigen Sektoren priorisiert. So erhalten beispielsweise Gesundheits- und Forschungszentren, Universitäten oder Schulen früher einen leistungsstarken Breitbandanschluss. Die Universitäten wurden in den vergangenen Monaten zusätzlich mit WLAN Netzen ausgestattet.

Im Juni 2015 präsentierte das Land umfassende und äußerst ambitionierte Pläne für den zukünftigen Ausbau. So sollen bis 2020 die Breitband-Internetzugänge auch in Privathaushalten stark ausgebaut werden, wobei die Kosten auf maximal 5 Prozent des monatlichen Durchschnittseinkommens reduziert werden sollen. Im Mobilfunkbereich ist die Einführung von 3G-Internet in unmittelbarer Zukunft geplant, zudem gibt es Vorbereitungen zur Einführung von 4G. Auch in diesem Bereich ist die noch schwache interne Infrastruktur das größte Problem, insbesondere die geringe Bandbreite bei der Vernetzung der Mobilfunksender.

Geleakte Grafik zum Ausbau des Backbone-Netzes in 3 Phasen. Ein Zeitplan fehlt.

(Bild: laredcubana.blogspot.co.at)

Noch kostet es für viele Kubaner zu viel, das Internet zu benutzen. Die anfänglich hohen Tarife haben zwei Gründe: Zum einen soll auf diese Weise der zukünftige Ausbau finanziert werden, zum anderen kann dadurch gewährleistet werden, dass die noch schwache Infrastruktur nicht überlastet wird. Die Preise wurden bereits schrittweise reduziert und sollen weiter sinken. Aktuell kostet eine Stunde in einem der Internetcafés 2 Peso convertible (2 US-Dollar).

Trotz der hohen Preise sind die Zentren zur Nutzung des Internets stets gut besucht, in den neuen WLAN-Bereichen herrscht sogar in der Nacht reges Treiben. Auch die Privatanschlüsse sind teuer und werden daher gemeinsam verwendet. Während eines mehrmonatigen Aufenthalts konnte der Autor beispielsweise einem Medizinstudenten 30 Stunden pro Monat abkaufen.

Bemerkenswert ist die große Technikaffinität der Kubaner. Trotz der Schwierigkeiten beim Erwerb der Geräte sind die IT-Kenntnisse der Bevölkerung vergleichbar mit jenen in Industrieländern, was auch in diversen Studien bestätigt wird. Ein Grund ist das hervorragende Bildungssystem, das vom Repräsentanten der Vereinten Nationen als "Beispiel für die ganze Welt" bezeichnet wurde. Analysen der Weltbank zeigen, dass Kuba 12,9 % seines Bruttoinlandsprodukts in den Bildungsbereich investiert, mehr als jedes andere Land. Zum Vergleich: Die Ausgaben Deutschlands liegen bei 5,1 Prozent.

Des Weiteren wird der IT in Kuba schon lange eine große Bedeutung beigemessen. So konnte die Informatik in den Schulen und Universitäten bereits früh Einzug halten, seit Jahrzehnten werden auch kostenlose Informatik- und Elektronikkurse für Erwachsene angeboten. Auch der Forschungsbereich ist in Kuba gut ausgebaut.

Die Zahl der Internetnutzer soll laut offiziellen Prognosen in den kommenden Jahren überdurchschnittlich stark wachsen. Hier wird deutlich, wie ambitioniert die Pläne Kubas für den zukünftigen Ausbau sind.

(Bild: "Die Informationstechnologieoffensive Kubas", Dominik Haidenthaler)

All das scheint nun Früchte zu tragen: Momentan entwickelt sich in Kuba eine äußerst lebende Startup-Szene, die bereits mit dem Silicon Valley oder jener in Indien zu Beginn der Software-Exportindustrie verglichen wird. Einziges Problem ist die noch schlechte und teure Internetanbindung, doch auch in diesem Bereich will das Entwicklungsland Kuba innerhalb weniger Jahre das Niveau von Industrieländern erreichen.

Dominik Haidenthaler beschäftigt sich seit über zwei Jahren intensiv mit der Informations- und Kommunikationstechnik und dem Internet in Kuba. Im Rahmen seines Studiums an der Technischen Universität Wien schrieb er dazu seine Diplomarbeit "Die Informationstechnologieoffensive Kubas" (mho)