Der Gentechnik-Lachs in der Warteschleife

Zwei Jahrzehnte ließ sich die US-Behörde für Lebensmittelsicherheit Zeit mit der Zulassung des ersten transgenen Tieres zum Verzehr. Aber auf den Markt kann der Genlachs trotzdem nicht, weil ihm noch ein entsprechendes Etikett fehlt.

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Von
  • Hanns-J. Neubert
  • Inge Wünnenberg

Zwei Jahrzehnte ließ sich die US-Behörde für Lebensmittelsicherheit Zeit mit der Zulassung des ersten transgenen Tieres zum Verzehr. Aber auf den Markt kann der Genlachs trotzdem nicht, weil ihm noch ein entsprechendes Etikett fehlt.

Ursprünglich gab die FDA, die Food and Drug Administration, die genetisch veränderte Variante des beliebten Atlantiklachses im vorigen November für den US-Markt frei. Damals ging sie davon aus, eine zusätzliche Etikettierung für den künstlich kreierten Fisch sei nur notwendig, falls sich dieser hinsichtlich "Materie" und "Nährwert" von den natürlichen Artgenossen unterscheide.

Wie die Washington Post berichtet, wurde jetzt die Behörde im Zuge der kürzlich vom US-Kongress verabschiedeten Haushaltsgesetze aufgefordert, den Verkauf des transgenen Lachses solange auszusetzen, bis endgültig verbindliche Regeln für die genaue Bezeichnung des Fisches festgelegt sind. Bisher existiert in den Vereinigten Staaten, anders als in Europa, keine Kennzeichnung für Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen oder mit verändertem Erbgut.

Bei dem in den Fokus der Öffentlichkeit geratenen transgenen Lachs handelt es sich um eine Variante, die im Unterschied zu ihren natürlichen Verwandten doppelt so schnell wächst. Bereits nach eineinhalb statt nach drei Jahren erzielt der Fisch sein Schlachtgewicht von drei Kilogramm.

Um dies zu realisieren, flochten die Entwickler des Turbofisches bei der Firma AquaBounty Technologies in Maynard, Massachusetts, ein Wachstumsgen des Königslachses in seine DNA ein. Zusätzlich stellten sie das Tier unter die Kontrolle eines Regulationsgens aus einer völlig anderen Fischart, die im Englischen "Ocean Pout" heißt. Sie kommt an der Küste Neuenglands vor und ist mit der europäischen Aalmutter verwandt. Dank dieser Kombination wächst das AquAdvantage genannte Tier das ganze Jahr über und nicht nur im Sommer, wie bei Lachsen üblich.

In den USA darf der Turbolachs zwar grundsätzlich künftig auf den Teller, aber keineswegs gezüchtet werden. Denn um ganz sicher zu gehen, will man ihn in behördlich zugelassenen, hochsicheren Anlagen außerhalb des Landes weiterzüchten. So entsteht ein ungewöhnlich kompliziertes Verfahren: Die Larven wachsen in Tanks an der Küste Kanadas bis zum Jungstadium heran.

Da sie nur in Süßwasser überleben, würden sie eingehen, falls sie aus den Zuchtanlagen direkt ins Meer entwischten. Von Kanada müssen sie dann ins Hochland von Panama verfrachtet werden. Dort verbleiben die Jungfische in 68 riesigen Tanks, bis sie die Schlachtreife erreichen. Die dortigen Flüsse sind zu warm für das Überleben der Lachse, falls dennoch einer ausbüxen sollte. Von Panama würden sie schließlich auf den US-Markt gelangen.

Befürworter gentechnisch veränderter Fische argumentieren, dass auf diese Weise der steigende weltweite Bedarf an Fisch schneller befriedigt werden kann. Außerdem würden die bedrohten natürlichen Bestände geschont. Nicht zuletzt frisst transgener Lachs 25 Prozent weniger als seine Artverwandten. Das senkt den Bedarf an Fischmehl und macht zudem die Fischzucht profitabler.

Allerdings sind die Langzeitfolgen der Genlachs-Zucht nicht ausreichend untersucht. Die Gefahr, dass bei allen Vorsichtsmaßnahmen dennoch Turbolachse in der Natur überleben, ist nicht gebannt. Und trotz des geringeren Futterverbrauchs muss auch weiterhin im Meer gefischt werden, weil Lachse nun einmal Raubfische sind und entsprechend mit Nahrung versorgt werden müssen.

Die FDA hatte ihre Nahrungssicherheitsbewertung zwar bereits 2010 und die Umweltbewertung 2012 abgeschlossen – dennoch kam die Freigabe erst drei Jahre später Ende 2015. Als Begründung gab die Behörde an, dass sie besonders vorsichtig sein wollte, weil es die erste Zulassung dieser Art war. Außerdem mussten sich die Experten diesmal durch besonders zahlreiche öffentliche Kommentare hindurcharbeiten.

Auf europäische Teller wird AquAdvantage allerdings wohl eher nicht kommen. Die Europäische Kommission fordert weitere Untersuchungen, da die FDA ihre Entscheidung nur aufgrund der Studien fällte, die die Zuchtfirma selbst durchgeführt hat. Ob das geplante TTIP-Abkommen daran etwas ändert, bleibt abzuwarten. (inwu)