Der Futurist: Einmal Mond, alles inklusive!

Was wäre, wenn es Pauschalreisen zum Mond gäbe?

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Was wäre, wenn es Pauschalreisen zum Mond gäbe?

Stolz hatte Matthias Seiler gegrinst, als er seiner Familie das nächste Urlaubsziel verkündete: "Wir fliegen zum Mond!" Während seine Frau Silke begeistert war, hatte sich die 16-jährige Tochter Charlotte das eigentlich anders vorgestellt. Was sollte sie auf dem ollen Staubfänger am Firmament?

Seit gut einem Jahr bot die ESTA, die European Space Travel Agency, zweiwöchige Pauschaltrips zum Mond an. Schnell hatte sich eine lange Warteliste gebildet, an dessen nächster Stelle nun also die Seilers standen. Die Eltern hatten als Jugendliche miterlebt, wie die ersten permanenten Mondbasen entstanden. Seitdem wollen sie unbedingt dorthin.

Charlotte hingegen kann mit dem ganzen Mond-Getue wenig anfangen. Unbeholfen hüpft sie vom Spacetaxi zum Hotel. In ihrem klobigen Travelsuit fühlt sie sich wie ein Michelin-Männchen. "Fett aussehen auf Mond-Selfies – das fehlt auch noch", flucht sie in sich hinein. Aber figurbetonte Raumanzüge stehen offenbar nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste der ESTA. Nicht mal einen Swimmingpool gibt es im Hotel. Und an einen Videochat mit ihren Freundinnen ist wegen der langen Übertragungszeiten gar nicht zu denken. Schmollend verschwindet Charlotte im Hotelkino, das wenigstens etwas Abwechslung verspricht.

Ihre Eltern hingegen hatten gleich das komplette "Voll-Mond-Programm" gebucht. Wahrscheinlich wurden sie beim Mondstaub-Peeling gerade richtig schön abgeschrubbelt. Wenn es nicht so schrecklich nach Schießpulver riechen würde, wäre Charlotte vielleicht sogar mitgegangen. Andererseits gibt es den Staub hier ja überall – in den Lücken und Spalten des Apartments, auf der Matratze, im Smartphone.

Auf die Tour zum Apollo-Freilichtmuseum geht Charlotte dann doch mit. Nicht wegen des obligatorischen Selfies vor der Landefähre, sondern wegen der Trampolinanlage. Durch die geringe Schwerkraft könne man sich dort gefühlt bis in den Orbit katapultieren, hatten andere Mondtouristen auf moontripadvisor.com geschwärmt.

Leider war es am Vortag zu einem unschönen Vorfall mit einem Teenager aus Paris gekommen: Die Stiefel des Raumanzugs waren offenbar nicht für das Herumhüpfen ausgelegt, und so trieb ihn entweichende Luft tatsächlich Richtung Umlaufbahn. Nur mit Mühe konnten ihn Sicherheitskräfte mit Jetpacks wieder einfangen.

Bis alle Raumanzüge überprüft sind, bleibt die Anlage nun geschlossen. Charlotte hat die Nase voll von Staub und Steinen. Kennst du einen Krater, kennst du alle. Nächstes Jahr geht's wieder nach Lloret de Mar, schwört sie sich.

Auch den ESTA-Vorständen wurde langsam klar, dass die wenigsten Familien zu Stammgästen würden. Doch wer sonst ließe sich hierher locken? Die Idee eines Meditationszentrums auf der Rückseite – garantiert frei von Erdstrahlen und sonstigen irdischen Ablenkungen – verwarfen sie auf einer Krisensitzung schnell wieder. Die Klientel erschien ihnen zu anspruchsvoll. Da brummte ein altgedienter Kasinomanager in die ratlose Stille: "Meinen Kunden ist es Gott sei Dank egal, wie es einen Meter neben dem Spieltisch aussieht."

Die anderen Teilnehmer sahen sich an: Bingo! Schnell entdeckten Juristen ein paar äußerst vorteilhafte Lücken in der lunaren Glücksspiel-Gesetzgebung, und steuerfrei war der Mond sowieso. Und so formen seit einigen Wochen 3D-Drucker im Nachbarkrater, gerade außerhalb der Sichtweite von Familie Seiler, einen neuen Hotelkomplex aus dem Mondstaub: Las Lunas – das schwerelose Spielerparadies. (jle)