Die Stimmbandtransplantate kommen

Fortschritte beim Tissue Engineering könnten in wenigen Jahren dazu führen, dass sich die für das Sprechen und Singen notwendige Strukturen im Labor züchten lassen.

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Von
  • Mike Orcutt

Fortschritte beim Tissue Engineering könnten in wenigen Jahren dazu führen, dass sich die für das Sprechen und Singen notwendige Strukturen im Labor züchten lassen.

Menschen, die unter stark beschädigten Stimmbändern leiden, haben neuen Grund zur Hoffnung, ihre Stimme zurückzuerhalten: Im Reagenzglas erzeugtes Gewebe steht vor dem Durchbruch. Tissue-Engineering-Experten ist es nun zum ersten Mal gelungen, Strukturen herzustellen, die nicht nur optisch echten Stimmbändern ähneln, sondern auch wie diese funktionieren.

Angegriffene Stimmbänder rauben Betroffenen wortwörtlich die Stimme. Liegt ein starker Schaden vor, lässt sich dieser kaum behandeln. Solche Erkrankungen können durch Komplikationen chirurgischer Eingriffe, traumatische Verletzungen oder Krankheiten wie Krebs entstehen. Forscher an der University of Wisconsin arbeiten daher schon seit längerem an künstlichem Ersatz.

Im Versuch pflanzten sie die im Labor gezüchteten Stimmbänder nun in den herausoperierten Kehlkopf eines Hundes ein, bei dem eines der Stimmbänder entnommen worden war. Anschließend konnten sie demonstrieren, dass das künstliche Gewebe genauso vibriert und sich anhört, wie sein gesundes Pendant. Weitere Tests an Mäusen zeigten, dass die Stimmbänder aus dem Labor nur eine minimale Immunantwort hervorrufen. Daher vermuten die Wissenschaftler, dass das Verfahren in einigen Jahren auch beim Menschen angewendet werden könnte.

Stimmbänder sind Gewebebänder, die sich horizontal an beiden Seiten des Kehlkopfs entlangziehen – angeordnet über der Luftröhre. Sie öffnen sich beim Atmen und vibrieren, wenn ein Mensch seine Stimme verwendet. Bei organischen Stimmbandschäden lässt sich wenig tun, da Ersatzgewebe unter einzigartigen biomechanischen Bedingungen funktionieren muss. Die präzise Struktur und Zusammensetzung der Stimmbänder sorgt dafür, dass sie Stress, Belastungen und Vibrationen im Alltag aushalten.

Seit einigen Jahren versuchen Forscher, die Struktur im Labor nachzubauen. Dabei hilft ein Polymergerüst, Stammzellen in drei Dimensionen wachsen zu lassen, wie man dies im Tissue Engineering schon seit längerem verwendet. Zwar gelang es so, Stimmband-artiges Gewebe zu züchten, wie Nathan Welham, Juniorprofessor für Kehlkopfmedizin an der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health, erzählt. Allerdings vibrierten diese künstlichen Organe nicht effektiv genug.

Das Problem war, dass keine Zellen aus echtem Stimmbandgewebe verwendet wurden. Welham zufolge ist dies aber einer der Schlüssel zur Lösung des Problems. In neueren Versuchen nutzten die Forscher daher von Leichen entnommenes Gewebe – zudem erhielten sie Spendermaterial aus chirurgischen Eingriffen. Das Wachstum wurde in einem Kollagengerüst angeregt. Nach einigen Wochen entstand etwas, das wie Stimmbänder aussah. Eine Proteinanalyse ergab, dass sich darin eine große Menge der Proteine befand, die auch in echtem Gewebe vom Kehlkopf steckt.

Bis die Technik auch für den Menschen geeignet ist, dürfte es noch eine Weile dauern. Zunächst muss sich zeigen, ob künstliche Stimmbänder, die aus Spendergewebe gezüchtet wurden, wirklich keine schädliche Immunreaktion hervorrufen. Ist dem so, würde nur wenig Spendergewebe ausreichen, um eine große Zahl künstlicher Stimmbänder zu züchten.

Welham kann noch nicht sagen, ob künstliche Stimmbänder die Stimme ihres Trägers verändern – doch dem sei wahrscheinlich nicht so, meint er. Die Einzigartigkeit der Stimme habe mehr mit der Form von Hals, Nase und Mund zu tun. ()