Stuttgart: Anteil der Fahrradfahrer soll steigen

In Baden-Württemberg sollen mit einer neuen Strategie künftig noch mehr Menschen zum Radfahren bewegt werden. Vor allem in der staugeplagten Landeshauptstadt sieht der grüne Verkehrsminister Hermann großen Nachholbedarf

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Zweirad

(Bild: ADFC/Jens Lehmkühler)

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Von
  • Martin Franz

Gegen die hohe Luftverschmutzung mit Feinstaub und für eine bessere Gesundheit will das Bundesland Baden-Württemberg den Radverkehr bis zum Jahr 2020 auf rund 16 Prozent verdoppeln. „Was wir brauchen, ist eine neue Radkultur“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Lange Zeit war in der Stadtentwicklung das Leitbild der autogerechten Stadt vorherrschend. Die Bedürfnisse der Radfahrer kamen zu kurz“, meinte er. Vor allem in der Landeshauptstadt sieht er Nachholbedarf. Die neue Radverkehrsstrategie soll im Januar 2016 vorgestellt werden.

Der Anteil des Fahrrades am gesamten Verkehrsaufkommen soll in Stuttgart langfristig auf 20 Prozent steigen. Andere Städte sind schon heute bei einem höheren Anteil.

(Bild: ADFC/Jens Lehmkühler)

Dabei geht es nicht nur um mehr Infrastruktur, sondern auch um Werbung für die gesundheitlichen Vorteile des Transportmittels, wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mitteilte. „Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, bleibt eher gesund“, sagte die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke. Betriebe könnten Arbeitnehmer etwa durch Stellplätze, Umkleiden und Duschen sowie Trockenräume dazu bewegen, auf das Auto zu verzichten und auf das Rad umzusteigen.

In den vergangenen Jahren habe es in einigen Städten im Südwesten große Fortschritte geben, meinte Zühlke. Als Beispiele nannte sie Karlsruhe, besonders aber auch Pforzheim, das im bundesweiten Vergleich lange zu den fahrradunfreundlichsten Orten zählte. In Freiburg wiederum gebe es aus Radfahrersicht eher das „Luxusproblem“, den Verkehr für die Vielzahl der Radler mit einem modernen Leitsystem zu erleichtern.

Der Radverkehr nehme insgesamt zu, heißt es im Verkehrsministerium. „Die Menschen entdecken das Fahrrad neu“, teilte die Behörde mit. Mit der neuen Strategie, die noch vor der Landtagswahl im März 2016 im Kabinett vorgestellt wird, soll der Anteil der Radler am Verkehr weiter steigen - nicht nur etwa durch Radschnellwege und touristische Landesradfernwege, sondern auch durch Mietstationen und Abstellanlagen. „Die Infrastruktur für das Fahrrad wird im ganzen Land ausgebaut inklusive einer landesweiten Ausschilderung“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Durch motorisierte Räder - die Pedelecs- werde das Transportmittel zudem für noch mehr Menschen interessant.

In einer bundesweiten Erhebung wurde für Baden-Württemberg nach Ministeriumsangaben zuletzt 2008 ein Radverkehrsanteil von 7,7 Prozent ermittelt - gemessen an der Zahl der Wege. Im Landkreis Tübingen liege der Anteil schon heute zwischen 15 und 20 Prozent, in der Stadt Freiburg sogar bei knapp 30 Prozent. Minister Hermann kritisierte im Vergleich dazu die Landeshauptstadt als unterentwickelt. Zugleich sieht er insgesamt Fortschritte für Radler seit der Machtübernahme der grün-roten Landesregierung 2011.

Seit 2012 fördert Baden-Württemberg nach Ministeriumsangaben mit dem Programm „Kommunale Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur“ die Alternative zum Auto. Das Programm sei derzeit mit jährlich 15 Millionen Euro finanziert. Besonders in Stuttgart machen auch die Radler Druck. Jeden ersten Freitag im Monat versammeln sie sich bei der Aktion Criticial Mass, um das Fahrrad als „überlegenes urbanes Fortbewegungsmittel“ anzupreisen. „Es verursacht keinerlei Emissionen oder Lärm, es ist günstig, und es braucht wenig Platz. Wir werben für einen Umstieg: weg vom Auto (...) weg von Lärm, Dreck und Luftverschmutzung“, schreiben die Organisatoren der Kundgebung.

In der Stuttgart soll seit dem Jahr 2002 ein Fahrradbeauftragter für einen Ausbau des Netzes sorgen. „Ein attraktiver Radverkehr ist ein wichtiger Baustein für die innerstädtische Mobilität“, sagte der Zuständige Claus Köhnlein. Der Radverkehrsetat liege bei 2,9 Millionen Euro im Jahr. Das Netz mit separaten Radwegen und Radfahrstreifen sei inzwischen 180 Kilometer lang. Zum Vergleich: Im Jahr 1990 waren es noch 68 Kilometer, wie Köhnlein sagte. Das Netz der Hauptradrouten solle in den nächsten Jahren weiter auf insgesamt 240 Kilometer wachsen. Diese Wege sollen alle Stadtteile miteinander verknüpfen und möglichst schnell und einfach durch die Stadt führen. Dafür seien in den vergangenen Jahren Fahrspuren zurückgebaut worden. Ziel der Stadtverwaltung sei es, den Anteil der Fahrradfahrer am gesamten Verkehr zunächst auf 12 Prozent und langfristig auf 20 Prozent zu steigern.

Die CDU warnte vor einer Überbetonung des Radverkehrs. „Die einseitige Bevorzugung von Fahrradwegen löst nicht die Verkehrsprobleme des Landes“, sagte der Spitzenkandidat der Partei zur Landtagswahl, Guido Wolf. „Wir setzen auf eine Verkehrspolitik, die für jede Strecke das passende Verkehrsmittel bereitstellt. Dazu gehört das Auto genauso wie die Schiene“, betonte er.

(dpa) (mfz)