Post aus Japan: Von wegen papierloses Büro

Auf der CES in Las Vegas toben sich die Hightechschmieden mit einem Feuerwerk vernetzter Geräte aus. Doch in Japan setzt ein Konzern auf Papier. Die Idee: Eine Recyclingfabrik für den Bürogebrauch.

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Von
  • Martin Kölling

Auf der CES in Las Vegas toben sich die Hightechschmieden mit einem Feuerwerk vernetzter Geräte aus. Doch in Japan setzt ein Konzern auf Papier. Die Idee: Eine Recyclingfabrik für den Bürogebrauch.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Mit dem Siegeszug der Digitaltechnik geht seit Jahren der Traum vom papierlosen Büro einher. Tatsächlich schwächelt der Druckereinsatz, aber dies vor allem im Heimgebrauch. Besonders in Japans Firmenwelt erfreut sich Papier, ja selbst das Fax, noch immer großer Beliebtheit.

Und so nimmt es sich vielleicht kein Wunder, dass ausgerechnet der Druckerhersteller Seiko Epson ein ganz besonderes Produkt für die Fortsetzung der papierenen Erfolgsgeschichte vorgestellt hat: eine auf Schrankgröße geschrumpfte Fabrik für Recyclingpapier.

PaperLab nennt Seiko Epson sein gefrässiges Getüm, das anders als Papierfabriken kein Wassersäufer ist. Es futtert Papier, zerfasert es und pappt die Zellulose ohne Wasser mit Bindemitteln zusammen und scheidet sie in verschiedensten Formen und Farben wieder aus: von der Visitenkarte bis zum A3-Papier.

6720 A4-Blätter könne das System in einer Acht-Stunden-Schicht produzieren, verspricht der Hersteller. Und es werde dabei nicht wie bisher üblich eine Tasse Wasser für die Herstellung eines Blattes Zeitungspapiers benötigt, sondern nur etwas Wasser, um in der Maschine eine gewisse Feuchtigkeit zu bewahren.

Die Idee ist verlockend. Denn neben Einsparungen beim Einkauf von Papier können Firmen auch Kosten für die Entsorgung von gebrauchten Papier sparen. Und besser noch: Auch vertrauliche und geheime Dokumente müssen nicht mehr zum Schreddern oder danach das Haus verlassen, sondern werden vor Ort spionagefeindlich als blankes Blatt wiedergeboren.

All dies ist sehr lobenswert. Allerdings plagen mich zwei Fragen: Eine stellte ich an dieser Stelle schon 2008, als die Firma Seed aus Osaka ein ähnlichen Recycler vorstellte, der allerdings reichlich Wasser verbrauchte. Ist das dezentrale Recycling wirklich umweltfreundlicher? Und was passiert mit den Abfällen, die sicherlich auch bei der neuen Technik anfallen.

Zweitens frage ich mich, warum sich die Menschen so an Zellulose klammern. Sicherlich haben viele Menschen das Gefühl, dass sie auf Papier weniger Fehler machen als bei einer Bearbeitung von Dokumenten am Bildschirm. Aber es gibt heute mit berührungsempfindlichen Displays in den verschiedensten Formen die Möglichkeit, die digitale Welt sich wieder fast so anfühlen zu lassen wie die analoge. Japaner können damit Dokumente, die im Umlauf sind, wie gewohnt mit ihrem Namensstempel abstempeln und damit zeigen, dass sie das Schriftstück gelesen haben.

Mein Alltag ist wenigstens schon weitgehend papierfrei. Zeitungen konsumiere ich daheim fast ausschließlich digital, die meisten neuen Bücher ebenfalls übers Tablet. Interviews schreibe ich auf dem iPad per Hand mit und archiviere sie danach auch gleich mit einem Fingertipp.

Dokumente, die ich erhalte, scanne ich mit einem Doppelseiten-Einzugsscanner (aus Japan) und archiviere sie so platzneutral. Auch zugesendete Formulare fülle ich in der Regel am Tablet aus. Selbst mein Fax, dass ich in Japan noch immer brauche, weil viele Firmen Interviewanfragen nicht per Email, sondern aus dem Faxgerät haben wollen, läuft digital über die Mailbox.

Ich wenigstens finde diese Möglichkeiten klasse. Denn ich spare damit in meiner kleinen japanischen Wohnung Platz. Zwar behalte ich ein Arbeitszimmer für einige Arbeitsprozesse wie Foto- und Videobearbeitung und als Bibliothek für meine liebsten Bücher. Aber defacto passt mein Büro in meine Messenger-Tasche, inklusive Fotoapparat, wichtigen Papieren, Kabeln und Notakkus für mein mobiles Büro.

Als einziges Zugeständnis ans Analogzeitalter habe ich als journalistisches Back-up ein kleines Notizbuch und Kugelschreiber dabei. Mir könnte ja mal auf einer Recherche der Strom ausgehen. ()