Autark leben auf dem Wasser

Fraunhofer-Forscher arbeiten an einem Hausboot, das sich vollständig selbst mit allem Notwendigen versorgt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Fraunhofer-Forscher arbeiten an einem Hausboot, das sich vollständig selbst mit allem Notwendigen versorgt.

Der Meeresspiegel steigt – und immer mehr Weltregionen, die nah am Meer gebaut haben, bekommen Probleme. Wenn man das Wasser nicht bekämpfen kann, muss man mit ihm arbeiten. Entsprechend sinnvoll können komfortable Hausboote sein, wie sie etwa in den Niederlanden seit Jahren erfolgreich auf dem Markt sind.

Doch Hausboote lassen sich nicht immer einfach ans Strom- und Wassernetz anschließen. Mehrere deutsche Forschungseinrichtungen entwickeln deshalb ein autarkes Hausboot, das ab 2017 auf dem Geierswalder See nordwestlich von Hoyerswerda schwimmen soll.

Gedacht sind die Hausboote unter anderem für die neu angelegten Wasserflächen in der Lausitz.

(Bild: SeptemberWoman / Wikipedia / cc-by-sa-3.0)

An dem Projekt mit dem Namen "Autartec" beteiligt sind die beiden Dresdner Fraunhofer-Institute für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) und Keramische Technologien und Systeme (IKTS) sowie weitere Partner aus der Lausitz-Region. Darunter sind Industrie, mittelständische Firmen und die Technische Universität Dresden (TUD) und die Brandenburgische Technische Universität (BTU).

Der Strom für das Autartec-Hausboot kommt aus Solarzellen und Lithium-Ionen-Akkus. Als Heizung dient ein Salzhydrat-Kamin. Brennt das Feuer, wird das Salzhydrat flüssig und nimmt Wärme auf, die sich nahezu unbegrenzt speichern lässt. Um die Energie wieder abzugeben, treten funkbasierte "Kristallisationsauslöser" in Aktion – ähnlich wie beim Taschenwärmer.

Hausboote auf dem Niveau von Landbauten gibt es bereits – etwa in Holland.

(Bild: Tina B. / Flickr / cc-by-2.0)

Allerdings reiche ein Kamin nicht aus, um das Haus den ganzen Winter über wohlig warm zu halten. Ein sogenannter Zeolithspeicher im Pontonbereich des Hausboots soll einspringen: Die enthaltenen Mineralien werden im Sommer getrocknet – ein rein physikalischer Prozess, bei dem Wärme gespeichert wird. "Und im Winter reicht feuchte Luft aus, damit der Speicher Wärme abgibt", erklärt Burkhard Faßauer vom IKTS.

Damit es im Sommer nicht zu heiß wird, kommt eine adiabate Kühlung zum Einsatz. Anders als bei herkömmlichen Klimaanlagen benötige das System keine elektrische Energie, sondern nutzt die Verdunstungskälte von Luft und Wasser, so die Forscher. Eine Seitenfläche des Hauses werde begrünt und befeuchtet, die entstehende Verdunstungskälte kühle die Gebäudehülle.

(Bild: Fraunhofer)

"Solche energieautarken schwimmenden Häuser gibt es noch nicht", sagt Autartec-Projektkoordinator Professor Matthias Klingner vom IVI. Viele Seen in der Lausitz seien von Infrastrukturen wie Wasser- und Energieversorgung abgeschnitten. "Für dieses Umfeld wollen wir eine Lösung finden."

Wasch- und Toilettenwasser wird getrennt in geschlossenen Kreisläufen wiedergewonnen. Um das Schiff auch phasenweise nutzen zu können, etwa als Ferienhaus, soll sich die Wasseraufbereitung per Knopfdruck ein- und ausschalten lassen. Bei einer biologischen Kläranlage wäre das nicht möglich.

Daher setzen die Forscher allein auf eine chemische und physikalische Wasseraufbereitung – unter anderem durch Photokatalyse, Elektrochemie und selbst entwickelte Keramikmembranen. Etwa viermal im Jahr muss die übrig gebliebene Festmasse entsorgt werden. (bsc)