IP-Kameras von Aldi als Sicherheits-GAU

Aldi hatte vergangenes Jahr mehrfach IP-Überwachungskameras mit denkbar schlechten Voreinstellungen verkauft. Die Geräte sind zu Hunderten fast ungeschützt über das Internet erreichbar.

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Aldi-Kameras
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ronald Eikenberg
Inhaltsverzeichnis

Betroffen ist unter anderem die Außenkamera IPC-20 C.

(Bild: Hersteller)

Die bei Aldi verkauften IP-Überwachungskameras der Marke Maginon haben massive Sicherheitsprobleme: Unbefugte könnten über das Internet auf das Kamerabild zugreifen und sogar den Ton anzapfen. Zudem verraten die Geräte unter anderem die Passwörter für WLAN, E-Mail und FTP-Zugang ihres Besitzers. Hunderte Aldi-Kameras sind nahezu ungeschützt über das Internet erreichbar. Darauf hat uns der Zusammenschluss Digitale Gesellschaft aufmerksam gemacht.

Die Kameras IPC-10 AC, IPC-100 AC und IPC-20 C hat Aldi mit einer Firmware angeboten, die eine Nutzung des Fernzugriffs auch dann zulässt, wenn der Nutzer bei der Inbetriebnahme kein Passwort gesetzt hat. Das wird dem Nutzer schnell zum Verhängnis, die Geräte ändern über UPnP nämlich selbstständig die Router-Konfiguration, wodurch sie über Port 80 aus dem Internet erreichbar sind. Ist kein Passwort gesetzt, kann fortan jeder einen Blick durch das Kameraauge werfen. Da die Modelle IPC-10 AC und IPC-100 AC mit einem Mikrofon ausgestattet sind, können Unbefugte sogar Gespräche belauschen. Ferner sind diese Geräte motorgesteuert schwenkbar, ein ungebetener Gast kann also den Bildausschnitt beliebig verändern. Alle drei Modelle können durch Infrarot-LED auch in der Dunkelheit sehen.

Die Modelle IPC-100 AC (siehe Bild) und IPC-10 AC (optisch ähnlich) sind motorgesteuert und übertragen auch Ton.

(Bild: Hersteller)

Doch die Kameras gefährden in dieser Standardkonfiguration nicht nur die Privatsphäre, sondern auch die Sicherheit ihrer Nutzer: Über den Fernzugriff lässt sich die gesamte Kamera-Konfiguration auslesen, mitsamt aller vom Nutzer gespeicherten Zugangsdaten. Darunter befindet sich etwa das Passwort für das WLAN, mit dem die Kamera verbunden ist. Und auch die Logins für externe Mail- und FTP-Server geben die Geräte preis, sofern der Nutzer die Mail-Benachrichtigung respektive den FTP-Upload konfiguriert hat.

Betroffene Modelle wurden bei Aldi Nord, Aldi Süd, Aldi Suisse und Hofer (Österreich) verkauft:

  • Aldi Süd: 9.03., 22.6. und 12.12.2015
  • Aldi Nord: 22.6.2015
  • Aldi Suisse: 18.6. und 24.12.2015
  • Hofer: zuletzt am 24.12.2015 (weitere Termine möglich, Unternehmen reagierte nicht auf unsere Anfrage)

Fatal: Standardmäßig gibt es einen Admin-Account ohne Passwort.

heise Security hat alle vier Unternehmen und den Hersteller Supra um eine Stellungnahme gebeten. Während Hofer und der Hersteller nicht reagierten, erklärten die übrigen, dass "den Nutzern bereits seit einigen Monaten ein Firmware-Update zur Verfügung steht, bei dem sie ein persönliches Passwort festlegen müssen. Wird das Update installiert, jedoch nicht das Kennwort geändert, kann der Nutzer selbst nicht mehr von extern auf die Kamera zugreifen und wird somit automatisch zum Einrichten dieser Sicherheitsvorkehrung aufgefordert".

Dennoch sind aktuell viele Kameras ungeschützt: Laut uns vorliegenden Testergebnissen kann man auf mehr als ein Drittel der Kameras, die über das Internet erreichbar sind, ohne Passwort zugreifen – es handelt sich um Hunderte Geräte. Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass sich die Kameras nicht selbstständig um die Aktualität ihrer Firmware kümmern. Stattdessen muss der Nutzer selbst aktiv werden und zunächst ein Programm auf dem PC installieren, das die Firmware aus dem Netz zieht und auf die Kamera überspielt. Einen Fernzugriff ohne Passwort verhindert die Firmware-Version 1.2 und aufwärts. Auch wenn diese seit "einigen Monaten" verfügbar ist, wurden Ende vergangenen Jahres anscheinend noch Geräte mit älterer Firmware verkauft.

Um die Situation in den Griff zu bekommen, haben die drei Aldi-Unternehmen ihren Lieferanten gebeten, weitere Schritte zu unternehmen. "So werden die Nutzer von unserem Lieferanten erneut eine Update-Information erhalten, mit der sie nochmals explizit darauf hingewiesen werden, ein persönliches Kennwort festzulegen. Beim Öffnen des Programmes bzw. der App werden die Nutzer automatisch auf dieses Update aufmerksam gemacht." Das Windows-Tool und die Apps sind allerdings nicht zwingend notwendig, um auf die Kamera zuzugreifen. Wer nur den Browser-Zugriff nutzt, bekommt davon nichts mit. Ferner will Aldi überprüfen, ob und wie man die "Kundinnen und Kunden noch deutlicher über Sicherheitsvorkehrungen informieren" kann. Einen Sicherheitshinweis sucht man auf den Aldi-Seiten derzeit vergeblich.

Angreifer nutzen die unsichere Konfiguration bereits aus – und hinterlassen dem Kamera-Betreiber auch schon mal eine Botschaft.

Wer eine betroffene IP-Kamera betreibt, sollte mit Hilfe des mitgelieferten Windows-Tools sicherstellen, dass die aktuelle Firmware installiert und ein individuelles Passwort gesetzt wurde. Wer Passwörter für WLAN, Mail oder FTP in der Kamera gespeichert hat und nicht ausschließen kann, dass das Gerät ohne Zugriffsschutz mit dem Netz verbunden war, sollte diese Passwörter sicherheitshalber ändern. Ist der Router über UPnP konfigurierbar, sollte man diese Funktion besser abschalten, um zu verhindern, dass Geräte und Programme unbemerkt Port-Weiterleitungen einrichten.

Allerdings ist selbst nach dem Befolgen aller Sicherheitshinweise Vorsicht geboten: Da der Fernzugriff der Kameras unverschlüsselt über HTTP übertragen wird, kann sich ein Mitlauscher bei der Nutzung ebenfalls dauerhaften Zugang zur Kamera verschaffen. Man sollte die Verbindung also – wenn überhaupt – nur in vertrauenswürdigen Netzwerk aufbauen und öffentliche Netze wie Hotspots meiden.

Lesen Sie dazu bei c't:

  • Smarte Überwachungskameras im Test

(rei)