Gene editieren im Körper

Pharmafirmen zeigen großes Interesse an der Gen-Editiermethode CRISPR. Zusammen mit spezialisierten Start-ups wollen sie Medikamente entwicklen, die innerhalb des Körpers gezielte DNA-Reparaturen vornehmen.

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Von
  • Mike Orcutt

Pharmafirmen zeigen großes Interesse an der Gen-Editiermethode CRISPR. Zusammen mit spezialisierten Start-ups wollen sie Medikamente entwicklen, die innerhalb des Körpers gezielte DNA-Reparaturen vornehmen.

Kann das mächtige Gen-Editierverfahren CRISPR bei der Bekämpfung von Krankheiten helfen? Pharmaunternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, das herauszufinden.

Erst Ende Dezember hat die Bayer AG ein Joint-Venture mit dem Start-up CRISPR Therapeutics angekündigt, in dem Medikamente gegen Blutkrankheiten, Blindheit und angeborene Herzfehler entstehen sollen. Und das war nur das jüngste Beispiel für das hohe Interesse der Pharmabranche, mit Hilfe von CRISPR neue Therapien zu finden und auf den Markt zu bringen. Noch allerdings ist es zu früh, um das genaue Potenzial von CRISPR-Therapien abzuschätzen. In näherer Zukunft dürfte der Fokus vor allem auf der Entwicklung von Methoden liegen, das System zum Gen-Editieren auf spezifische Ziele innerhalb des Körpers anzuwenden.

Neben CRISPR Therapeutics gibt es mit Editas Medicine und Intellia Therapeutics noch zwei weitere prominente Start-ups, die mit Hilfe von CRISPR neue Medikamente entwickeln wollen. Jedes von ihnen arbeitet mit größeren Pharmafirmen zusammen oder hat Kapital von ihnen erhalten. Im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, dass es breite Krankheitsgebiete gibt, bei denen die Medikamentenhersteller Chancen für eine Anwendung des neuen Werkzeugs sehen.

Kurzfristig ist CRISPR interessant für experimentelle Therapien bei bestimmten Erbkrankheiten oder Krebsarten. Dabei werden Zellen aus dem Körper entnommen, ihre DNA modifiziert, und dann wieder dem Körper zugeführt. Alle drei Start-ups wollen jedoch auch Technologien entwickeln, um CRISPR auf Zellen innerhalb des Körpers anzuwenden. Das ist deutlich schwieriger, doch wenn es gelingt, würde das die Tür zu einer deutlich größeren Bandbreite potenzieller Therapien öffnen.

Ein bedeutendes Ziel des Joint-Ventures von Bayer und CRISPR Therapeutics wird darin liegen, neue Technologien zur Verabreichung zu entwickeln, sagt Roger Novak, CEO von CRISPR Therapeutics. Dies sei "entscheidend" für zukünftige Medikamente, die auf Zellen innerhalb des Körpers abzielen. Doch die Herausforderung ist beträchtlich. Denn zunächst müsste das Medikament das richtige Organ oder Gewebe erreichen. Und wenn es dort ist, muss der Wirkstoff auf sichere Weise in die richtigen Zellen eingebracht werden.

"Das wichtigste Erfordernis" für jedes Unternehmen, das CRISPR-Medikamente herstellen möchte, sind Technologien zur Erhöhung der Spezifizität von CRISPR, so dass nur die anvisierte DNA-Sequenz editiert wird, erklärt Axel Bouchon, Leiter des neuen LifeScience Center von Bayer, der das Joint-Venture leiten wird. Die Basis für die CRISPR-Technologie ist ein biologisches System, das manche Bakterien nutzen, um unerwünschte DNA-Sequenzen von Viren zu entfernen. Eines der Moleküle zum Lokalisieren und Zerschneiden der DNA hat sich so entwickelt, dass es relativ unspezifisch und deshalb flexibel genug ist, um eine Reihe unterschiedlicher Viren anzugreifen, sagt Bouchon.

Für das Manipulieren von Zellen außerhalb des Körpers, also ex vivo, ist das laut Bouchon kein Problem. Wenn man aber in vivo gehen möchte, "muss man sicherstellen, dass es hochgradig spezifisch" in Bezug auf die Zielsequenz ist, erklärt der Forscher. Nach seinen Worten verfügt Bayer über proprietäre Technologie sowie genügend interne Kompetenz, um diese Spezifizität zu erreichen.

Wenn das System spezifisch genug gemacht wurde, bieten sich mehrere Möglichkeiten an, es in die richtigen Zellen zu bringen, beispielsweise über virale Vektoren oder Nanopartikel. Bei Gewebe könnte es sogar ausreichen, eine Spritze für die Injektion in den Augapfel oder einen Stent für die Einbringung ins Herz zu verwenden, sagt Bouchon. Noch aber sei es keinem der drei auf dem Gebiet der CRISPR-Medikamentenentwicklung tätigen Akteure gelungen, alle drei Herausforderungen in den Griff zu bekommen – also das Medikament zum Gewebe, zu den Zellen und letztlich mit der erforderlichen Spezifizität zur Zielsequenz zu bringen.

Bayer ist führend bei Therapien gegen bestimmte Erbkrankheiten des Blutes, unter anderem die Gerinnungsstörung Hämophilie. Der schnellste Weg zur Entwicklung eines CRISPR-Medikaments könnte hier laut Bouchon in der Behandlung eines Teils der Krankheiten liegen, die sich auch ex vivo behandeln lassen. Bei den anderen Krankheiten sei es erforderlich, ein Medikament in Zellen der Leber einzubringen. Das sei aber noch ein "riesiger Schritt", sagt er.

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