Make Munich 2016: Bruce Sterling, bastelnde Väter und der Blick nach Italien

Blitzlichter der süddeutschen Makermesse: Ein Cyberpunk schimpft über Google, ein Bobbycar macht Furore und eine Musik-Bastelei rappelt sich bis ins Theater.

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Make Munich 2016: Bruce Sterling, bastelnde Väter und der Blick nach Italien

Monster aus dem 3D-Drucker (hier vom Fablab München)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Anika Kehrer
  • Philip Steffan
Inhaltsverzeichnis

Eine Menge Menschen schieben sich durch die 3000 Quadratmeter große alte Krupp'sche Werkshalle in München, genannt Zenith-Kulturhalle. Das Getümmel ist super für die Veranstalter der Make Munich und vor allem für die rund 100 Aussteller, von denen eigentlich kaum jemand mal Ruhe hat. Es ist aber ganz schlecht, wenn man sich für die Keynote von Bruce Sterling quer durch die Halle zur Vortragsbühne boxen muss.

Bruce Sterling ist Mitbegründer der Cyberpunk-Literatur und Design-Aktivist. Als Sprecher mit hemdsärmeliger Verve hält er hier ein Plädoyer dafür, mit der Maker-Produktion nicht die Geschichte zu wiederholen, dass am Ende wenige Große die Marktmacht haben, nur weil die Hackercommunity es nicht auf die Reihe bekommt, begehrenswerte Produkte zu vermarkten.

Make Munich 2016 (21 Bilder)

Kleiner Audi

Wrommm. Naja, dieses Auto macht nicht wirklich wromm, denn es ist ein Bobbycar mit Beinantrieb.

Im Gespräch erläutert er später: "Mein Vater war auch Ingenieur. Ingenieure arbeiten immer auf Lösungen hin – wenn es keine Lösung für ein Problem gibt, dann ist dieses Problem nicht Sache eines Ingenieurs. Das ist aber kein Weg, Lösungen zu validieren. Man kann nicht sagen: 'Google-Tools funktionieren gut, warum hast Du ein Problem mit Google?' Es geht stattdessen auch um den größeren Kontext. Es ist gut, wenn Sachen sicher, effizient und kostengünstig sind – das sind Tugenden des Engineerings. Man kann das aber nicht auf alles andere übertragen. Man kann zum Beispiel nicht seine Ehe engineeren."

Die Maker-Szene, in der Bruce Sterling ausgehend von Cyperpunk über Virtual Reality und Design Fiction mittlerweile gelandet ist, gefällt ihm außerordentlich gut. Seine neuste Eingabe ist das Casa Jasmina in Turin, ein Inkubator-Projekt, bei dem Sterling und insbesondere seine Frau Jasmina Tešanović namens- und ideengebend sind. Maker und Künstler sollen hier zusammenkommen, um so eine Art IoT-Gemeinschaftswohnung zu erbasteln – angeblich die Wohnform der Zukunft. Und angeblich laufen derzeit die letzten Vorbereitungen, um ein Zimmer im Casa über AirBnB buchen zu können.

Wer beim Casa Jasmina noch mitmischt, ist der Münchner Jörg Blumtritt, der zum Beispiel hinter dem Bayduino-Projekt steht. Auf Initiative des umtriebigen Technik-Marketers passieren Austausche zwischen Bayern und dem Casa, bei denen bayerische Staatsvertreter und Designer in die Turiner Maker-Szene eintauchen, und andersherum.

Auch für den Bayduino ist Blumtritt mit den Turinern in Kontakt. Denn das Casa Jasmina wird unter Zutun von Arduino-Mitgründer Massimo Banzi vom offiziellen Arduino-Projekt promotet – der Bayduino ist ja ebenfalls eine Art Arduino-Projekt: Das bayerische Bildungsboard ist ein Expermentierprojekt kompatibel sowohl zu Arduino als auch zum BBC Mikro Bit. Der Status sieht so aus, dass nach erfolgreichem Crowdfunding an die 200 Boards in Herstellung sind, während der heutige Bayduino-Entwickler Hans Franke schon an den ersten Shields baut. Geplant ist, mit einem Teil der in Serie hergestellten Boards erste Versuche in Klassenzimmern zu machen.

Die ganze Zeit klappert und scheppert es in der Ausstellungshalle. Ursache ist die automatische Musikstraße des Berliner Produktdesigners Johannes Lohbihler und dem Münchner Musiker Taison Heiß, die beide unter dem Namen Dada Machines auftreten. Entlang des Tisches hämmern und rappeln zentral gesteuerte Hämmerchen. Sie werden angetrieben von einem Arduino-ähnlichen Board und einer App, auf der sich die einzelnen Tonspuren und ihr Auftreten per Fingertipp in einer Matrix zuschalten lassen.

Das Ganze zieht, wie schon auf der Maker Faire Berlin, jede Menge Kinderaufmerksamkeit auf sich. Im Gespräch ist zu erfahren, dass diese Musikstraße in größerer Form – und weit wohlfeilerem Klang – derzeit als Herzstück der Inszenierung 20.000 Meilen unter den Meeren an der Münchner Schaubühne fungiert. Einer der Musik-Projektler der beiden arbeitet dort als Komponist. Demnächst soll die Straße außerdem Gegenstand einer Crowdfindung-Kampagne werden.

Unter den größeren Unternehmen fällt auf der Make Munich auch Audi mit einem größeren Stand ins Auge. Die Ingolstädter haben einen Basteltisch aufgebaut, an dem man aus Ton Figürchen formen und sie 3D-drucken lassen kann. "Das ist derselbe Prozess wie bei uns in der Entwicklung", heißt es am Stand: Bei Audi arbeitet man zwar mit Clay, aber für Formenfindung und Haptik hält 3D-Druck dort gerade Einzug in die Entwicklungsabteilung.

In der Produktion hat 3D-Druck hingegen schon ein stabiles Standbein, erzählt Maschinenbauer Felix Schröder. Nun ist es ja nicht unbedingt selbstverständlich, dass sich so ein großer Konzern ins Community-Getümmel stürzt. "Wir lernen von den Makern", sagt Schröder. Parallel zur Standarbeit sind deshalb Kollegen auf der Messe unterwegs, um sich bei den Projekten umzutun.

Ende letzten Jahres hat der Konzern das Audi-Bobbycar von Benjamin Gahle stolz verfilmt und auf Facebook gepostet. Hier auf der Make Munich darf der bekennende Audi-Fan nun am Unternehmensstand dabei sein. Vor zwei Jahren begann der damals frischgebackene Vater damit, ein Bobbycar so umzubauen, dass es seinem Audi-Familienauto gleicht: Er hat die Felgen 3D-gedruckt, die Karosserie tiefergelegt und die Lackierung verändert. Elektronische Features fanden ebenfalls ihren Weg in den Bauch des Bobbycars. Dort sind nun echte Scheinwerfer und eine kleine Alarmanlage eingebaut (die mittels App scharf geschaltet wird).

Als er vor drei Wochen erfuhr, dass er auf der Makermesse ausstellen wird, baute er "noch schnell" eine Akku-Ladestation aus Plexiglas dazu. Jetzt, wo die Make Munich vorbei ist, darf Sohnemann nun wieder mit dem Spielgerät fahren. Der Zweijährige wird wahrscheinlich später ganz schön Augen machen, wenn er begreifen kann, welchen Wirbel der Papa für sein Rollauto betrieben hat. (phs)