Wikimedia: Unwürdiges Gezerre um Affen-Selfies

Die Wikimedia kämpft mit Schwung für das Gute im Menschen: Jeder kann Inhalte frei mit der ganzen Welt teilen. Und wenn einer nicht mitspielen möchte, wie der Fotograf mit den berühmten Affen-Selfies, dann wird er halt gezwungen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Steinhoff
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In der Posse um die Affen-Selfies aus Indonesien gibt es einen neuen Zwischenstand: Jüngst hat ein Gericht festgestellt, dass der Affe nicht Inhaber der Urheberrechtes an den Bildern ist. Die Tierschutzorganisation PETA hatte vergeblich versucht, für den Affen die Bildrechte zu erklagen. Ob der Naturfotograf David Slater Urheberrechte geltend machen kann, ist hingegen immer noch strittig. Er hat ja nicht selbst auf den Auslöser gedrückt, es war der Affe. Für die Wikimedia Foundation, also die Organisation hinter den Wikimedia Commons und der Wikipedia, ist der Fall jedenfalls klar: Sie hat die Affen-Selfies als gemeinfrei gekennzeichnet und in voller Auflösung zum Download bereitgestellt. Die Wikimedia Foundation hat damit Fakten geschaffen, die für den Fotografen äußerst nachteilig sind.

Ein Kommentar von Sascha Steinhoff

Sascha Steinhoff ist Redakteur bei c't Digitale Fotografie und schreibt seit 2008 regelmäßig über techniklastige Fotothemen. Privat ist er seit analogen Zeiten bekennender Nikon-Fanboy, beruflich ist er da flexibler. Als Softwarespezialist kümmert er sich insbesondere um die Themen Raw-Konvertierung, Bildbearbeitung und Bildarchivierung.

Doch zunächst eine kleine Rückblende, die bei der Einordnung der Geschehnisse hilft: Im Jahr 2011 reiste der englische Naturfotograf David Slater nach Indonesien. Bei einer Fotosession mit Schopfmakaken hatte sich ein weiblicher Primat eine Kamera geschnappt und sich mehrmals selbst aufgenommen. Für einen Naturfotografen ist so etwas wie ein Sechser im Lotto, zumal die Bilder auch fotografisch zu überzeugen wussten. Das Interesse der Öffentlichkeit an den Bildern war groß und zumindest anfänglich konnte Slater eigenen Angaben zufolge mit seinen originellen Bildern gute Einnahmen erzielen.

Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich Stimmen meldeten, die ihm das Urheberrecht an seinen Bildern absprachen. Immerhin hatte ja ein Affe den Finger am Auslöser und nicht der Fotograf selbst. Zu einem wirklichen Problem wurde die Diskussion für den Fotografen erst, als seine Bilder als gemeinfrei gekennzeichnet in die Wikimedia Commons und in die Wikipedia eingestellt wurden. Die Wikipedia ist eine der einflussreichsten Webseiten im Internet. Wenn hier ein Bild als gemeinfrei gekennzeichnet ist, dann hat das zwar keine rechtliche Relevanz, aber sehr wohl eine Signalwirkung. Die Wikimedia Foundation hatte den Urheberrechtsanspruch des Fotografen nicht nur bestritten, sondern obendrein hochaufgelöste Bilder zum Download bereitgestellt.

Für einen Naturfotografen wie David Slater muss es das Worst-Case-Szenario sein: Du hast einmal im Leben das Glück ein Foto zu schießen, das weltweit in allen Medien präsent ist. Und dann zahlt niemand dafür. Natürlich könnte Slater vor Gericht versuchen, von der Wikipedia Foundation Lizenzzahlungen zu erstreiten, aber das ist eine eher theoretische Option. Wer sich als Privatmann bei unsicherer Rechtslage mit einer derart finanzstarken Organisation anlegt, kann eigentlich nur verlieren. Der gut situierte Beklagte kann die Prozesse nämlich bequem aussitzen, denn dem Kläger wird früher oder später auf dem Weg durch die Instanzen das Geld ausgehen. Die Wikimedia ist mehr als nur solide finanziert. Es gibt regelmäßige Spendenaufrufe, obwohl bei nüchterner Betrachtung der Dinge eigentlich schon derzeit viele Millionen Dollars auf dem Konto herumliegen. Dass Slater trotz mehrfacher Ankündigungen bis heute nicht geklagt hat, spricht für sich.

Eigentlich ist die Sachlage doch klar: Ohne David Slater hätte es diese Bilder nie gegeben. Es war sein Fototrip, es war seine Ausrüstung. Wenn der Makake statt auf den Auslöser zu drücken, die Kamera zu Klump geschlagen hätte, hätte sie niemand Slater ersetzt. Millionen Menschen haben sich über die witzigen Affen-Selfies amüsiert und viele Medien haben damit gutes Geld verdient. Es ist also nur gerecht, dass der Fotograf auch seinen fairen Anteil an dem gewaltigen Hype um diese Bilder bekommt.

Die Wikimedia Foundation sieht das anders. Sie lebt ja, ähnlich wie Google und Facebook davon, Inhalte zu verbreiten, für die sie nicht bezahlt hat. Das ist auch völlig in Ordnung, wenn sich jemand freiwillig mit eigenen Inhalten an einem Projekt beteiligt. Bei David Slater war das eindeutig nicht der Fall. In seinem Fall hat die Wikimedia Stiftung eine unklare Rechtslage zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Jimmy Wales - aka Mr. Wikipedia - war sich nicht einmal zu schade, für ein Affen-Selfie-Selfie zu posieren. Und damit den geschröpften Fotografen per Twitter publikumswirksam abzuwatschen. So gab’s nicht nur kein Honorar für Slater, sondern obendrein noch reichlich öffentliche Häme.

Inwiefern dieses Verhalten der von der Wikimedia Foundation proklamierten Gemeinnützigkeit entsprechen soll, ist mir unklar. Für mich ist das ungenierter Raubtier-Kapitalismus, Stiftung hin oder her. (sts)