Warten auf die digitale Dividende

Vielerorts ist die Rede davon, das Internet habe die Welt zum Besseren verändert. In Wirklichkeit aber lassen die erhofften Vorteile auf sich warten und sind keineswegs garantiert, bremst eine Studie der Weltbank.

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Von
  • Sascha Mattke

Vielerorts ist die Rede davon, das Internet habe die Welt zum Besseren verändert. In Wirklichkeit aber lassen die erhofften Vorteile auf sich warten und sind keineswegs garantiert, bremst eine Studie der Weltbank.

Es gibt viele Erfolgsgeschichten, aber insgesamt haben Digitaltechnologien weniger Auswirkungen als erwartet. Unternehmen sind stärker vernetzt als je zuvor, aber das weltweite Produktivitätswachstum wird langsamer. Digitalisierung verändert die Arbeitswelt, aber die Ungleichheit nimmt in vielen Ländern zu. Das sind drei der Aussagen einer neuen Weltbank-Studie mit dem Titel "Digital Dividends". Ihr Gesamtfazit: Digitaltechnologien haben sich rasch weltweit verbreitet, doch die erhofften positiven Auswirkungen lassen auf sich warten.

"Das Potenzial ist ohne Frage enorm", sagt Deepak Mishra, Ökonom bei der Weltbank und einer der Projektleiter für die Studie. "Wir teilen den Optimismus des Silicon Valley in Bezug auf das transformative Potenzial von Digitaltechnologien, aber nicht die Ansicht, dass die Vorteile sowohl garantiert als auch automatisch kommen. Digitale Investitionen lassen sich viel schwieriger zu digitalen Dividenden machen, als viele Experten bislang berichtet haben."

Letztlich, so die Studie, verstärkten Digitaltechnologien die Auswirkungen sowohl von guter als auch von schlechter Politik. Wenn es zum Beispiel an rechenschaftspflichtigen Institutionen fehle, würden öffentliche Investitionen in Technologie tendenziell nur die Stimme von Eliten verstärken. Zudem hätten sich "erschreckend" viele Projekte für e-Government als enttäuschend erwiesen. Und es bestehe die Gefahr, dass Staaten und Unternehmen die Bevölkerung mittels Digitalisierung nicht etwa stärken, sondern kontrollieren.

Ähnlich sehe es auf dem Arbeitsmarkt aus: Wer die richtigen Qualifikationen hat, der kann mit Hilfe von Technologie effizienter und produktiver werden. Wenn es aber daran mangelt, ist das Ergebnis mehr Konkurrenz um die verbleibenden einfacheren Jobs und somit Druck auf die Löhne, also ein "polarisierter Arbeitsmarkt und mehr Ungleichheit".

Da wirtschaftliche und politische Weiterentwicklung oft Hand in Hand gehen, ist nicht weiter verwunderlich, dass laut dem Bericht die Industrienationen bislang überproportional von der Verbreitung von Digitaltechnologien profitieren.

Weltweit, heißt es in der Studie weiter, solle deshalb die Schaffung von universellem und bezahlbarem Zugang zum Internet Priorität genießen. Denn noch sei dieses Ziel, das auch zu den Sustainable Development Goals der UN zählt, längst nicht erreicht: Auf jeden Menschen mit schnellem Internet-Zugang kommen fünf ohne; vier Milliarden Menschen – 60 Prozent der Weltbevölkerung – haben gar keinen Zugriff auf das Internet, zwei Milliarden kein Telefon, 500 Millionen leben in nicht von Mobilfunknetzen abgedeckten Gebieten.

Ohnehin sei Internet-Zugang allein zwar "unverzichtbar, aber nicht ausreichend". Zusätzlich brauche die Digitalisierung eine starke analoge Fundierung, bestehend aus den drei Elementen Regulierung, Qualifikation und Institutionen. Regulierung müsse sicherstellen, dass Digitaltechnologien zu Innovationen und intensivem Wettbewerb führen statt zu neuen Monopolen. Qualifikation könne Arbeitnehmer, Unternehmer und Beamte in die Lage versetzen, die Chancen der digitalen Welt zu nutzen, statt unter ihnen zu leiden. Und nur ein angemessener institutioneller Rahmen könne sicherstellen, dass Regierungen Technologie nicht gegen, sondern für ihre Bürger einsetzen.

Diese drei Elemente unterscheiden sich nicht von dem, was die Weltbank Staaten auch ansonsten empfiehlt – als allgemeine Grundlage für eine gute Wirtschaftsentwicklung. Im Zusammenhang mit Digitalisierung aber kommen laut der Studie zwei wichtige Dimensionen hinzu.

Dies sei zum einen die Tatsache, dass die "Opportunitätskosten" von Untätigkeit steigen – Staaten, die nicht handeln, würden dadurch noch weiter hinter andere zurückfallen. Insbesondere Entwicklungsländer hätten hier mehr zu gewinnen als Industrienationen, aber auch mehr zu verlieren.

Zweitens seien Digitaltechnologien zwar wie erwähnt keine Garantie für eine Weiterentwicklung, könnten aber sehr dabei helfen, die Qualität der erforderlichen drei Grundelemente zu erhöhen. So könnten Online-Handelsregister die Gründung neuer Unternehmen – in vielen Ländern immer noch ein bürokratischer Alptraum – erleichtern; Internet-Plattformen könnten Qualifikationsangebote zugänglich machen; und neue Medien bieten die Chance, mehr Bürger für Politik zu interessieren.

Zusammenfassend könnte man also sagen: Auch bei Digitaltechnologien kommt es darauf an, was man daraus macht. Gleichzeitig können politische Fehler hier weitaus gravierende Auswirkungen haben als in der rein analogen Welt – in der aber die richtigen Grundlagen für eine positive Digitalentwicklung geschaffen werden müssen. Nur wenn dieses Fundament vorhanden ist, so die Studie, werden Länder reichlich digitale Dividenden einfahren können, in Form von "schnellerem Wachstum, mehr Arbeitsplätzen und besseren Dienstleistungen".

(sma)