Post aus Japan: Kleine Schritte für kleinste Teilchen

Die jüngste NanoTech-Messe in Japan machte eines deutlich: Nanomaterialien haben den Durchbruch geschafft, aber es geht geradezu in Zeitlupe voran. Statt den ursprünglichen Revolutionen handelt es sich eher um Evolutionen.

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Von
  • Martin Kölling

Die jüngste NanoTech-Messe in Japan machte eines deutlich: Nanomaterialien haben den Durchbruch geschafft, aber es geht geradezu in Zeitlupe voran. Statt den ursprünglichen Revolutionen handelt es sich eher um Evolutionen.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Die NanoTech Japan, die weltweit größte Messe für kleinste Teilchen, diente dieses Jahr wieder zum Schaulaufen für deutsche Forschung und Firmen in Sachen Nanotechnologie. Vier Fraunhofer-Institute, zwei Leibniz-Institute und wohl fast drei Dutzend Unternehmen stellten ihre Produkte in Tokio aus, pflegten Kontakte und schauten sich heute nach den neuesten Trends aus Asien um, die morgen vielleicht schon die Welt dominieren werden.

Der Stand des Bundeslandes Sachsen stach ganz besonders heraus. Denn er war nicht nur einer der größten auf der Messe, sondern servierte auch mit Abstand das beste Essen. Aber das Engagement zahlte sich aus. Ein sächsischer Cluster für organische Elektronik vereinbarte bereits vor der Messe eine Zusammenarbeit mit seinem Gegenstück in der Präfektur Yamagata, in der mit der Universität Yamagata eine der global führenden Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet beheimatet ist.

Auf der Messe selbst ging es eher geschäftig als gehypt zu. Das heiße Thema in Japan seien Nanomaterialien aus Biomasse, in der Regel Zellulose, erklärte Yoshinobu Fujishiro, Direktor der Forschungsplanung der Abteilung für Materialien und Chemie am Aist (National Institute of Advanced Industrial Science and Technology). Aber ansonsten sei die Stimmung eher cool. "Das Thema ist für uns nicht mehr so heiß", so der Experte, "denn Nanotechnik ist inzwischen eher normal".

Nicht nur werden in immer mehr Produkten Kohlenstoffröhrchen und andere Nanomaterialien verwendet. Auch die Anordnung von Material auf der Nanoebene macht große Fortschritte. Der rasante Preisverfall in den vergangenen zwei Jahren könnte die Verbreitung noch fördern. Allerdings ist es ein Durchbruch in Zeitlupe.

Die großen Erwartungen der Anfangszeit haben sich nicht erfüllt. Es dauert nicht nur länger als gedacht, Erfolge auf atomarer Ebene in sichtbare Welt hochzuskalieren. Forscher vernachlässigten auch die Frage, ob ihre Erfindung sich auch in Massen produzieren ließe, kritisierte Junji Kido, der führende OLED-Experte vom Forschungsinstitut für organische Elektronik der Universität Yamagata. Dazu addiere man noch die gesundheitlichen Bedenken, die überwunden werden mussten und schon hat mein formidables Tal des Todes, in dem viele gute Ideen verenden.

Doch selbst wenn ein Material all die Hindernisse genommen hat, verspricht dies Beileibe keinen Boom. Denn die betriebswirtschaftliche Hürde ist ebenfalls hoch. Ein Paradebeispiel sind Silber-Nanofäden für die Herstellung von durchsichtigen, flexiblen Filmen für Touchscreens.

Sie haben seit 2014 den Sprung in den Markt geschafft. 2015 kündigten beispielsweise Apples wichtiger taiwanischer Auftragshersteller Foxconn und der US-Materiallieferant Cima NanoTech an, gemeinsam mehr als 40 Zoll-große Touchscreens zu entwickeln. "Aber der Absatz von alternativen Nanomaterialien wird nur relativ langsam wachsen", urteilt Khasha Ghaffarzadeh, Head of Consulting beim Marktforscher IDTechEx.

Auf den ersten Blick mag das überraschen. Schließlich ist das neue Material nicht brüchig wie Indiumzinnoxid, das bisher im Vakuum auf Folien und Glas gedämpft wird. Damit werden auch flexible Touchscreens möglich. Zudem eignet sich der bisherige Platzhirsch wegen seines höheren elektrischen Widerstands nur für Touchscreens mit 15- bis 20-Zoll-Bilddiagonale. Außerdem können Silberfäden gedruckt und damit theoretisch preiswerter in der Produktion sein.

Doch obwohl der Absatz flexibler Filme sich laut Ghaffarzardehs Prognose bis 2025 auf 1,2 Milliarden US-Dollar verdreifachen soll, glaubt der Experte, dass Silber-Nanofäden und andere Alternativen wie Metallgewebe nur rund ein Drittel des Markts ausmachen werden. Denn die Anbieter von Indiumzinnoxid schlafen nicht.

"Die Lieferanten senken aus der Angst die Preise, Marktanteil an alternative Materialien zu verlieren", erzählt Ghaffarzardeh. Zudem verbessern sie die Produktionsmethoden und das Material. Die Bildschirmhersteller haben überdies in die Produktionsanlagen investiert.

Und zuletzt sei Indiumzinnoxid für die meisten Bildschirme unter 20 bis 25 Zoll gut genug, so der Experte. Wegen dieses Faktorenbündels ziehen auch bei anderen Materialien vom Prototypen bis zur Idee oft zehn bis 15 Jahre, manchmal sogar ein Forscherleben ins Land, berichten andere Nanotechnologen. Und auch die Revolutionen bleiben bisher oft aus, urteilt Ghaffarzardeh: "Viele der Nanomaterialien haben sich nicht als disruptiv herausgestellt, sondern unterstützen eher bestehende Technologien." ()