Kommentar: Überwachung aus der Parkbucht

Die Datenschutzdebatte über vernetzte Autos läuft falsch: Ein wirkliches Problem haben nicht die Fahrer – sondern alle anderen.

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Vernetzte Autos
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In den USA sollen künftig nur noch vernetzte Autos zugelassen werden. Das US-Verkehrsministerium will die Hersteller ab Modelljahr 2020 dazu verpflichten, ihren Fahrzeugen Funkmodule einzubauen, mit denen sie sich identifizieren und mit anderen Fahrzeugen kommunizieren können.

Datenschützer machen sich bei solchen Meldungen reflexhaft Sorgen um die Privacy der Fahrer. Zu recht. Die Hersteller beteuern zwar beharrlich, alle entsprechenden Daten seien anonymisiert. Doch Forscher der Universität Twente konnten im vergangenen Jahr zeigen, dass man vernetzte Fahrzeuge schon mit einfacher Hardware am Straßenrand relativ zuverlässig nachverfolgen kann.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist TR-Redakteur und zuckt regelmäßig zusammen, wenn er den Satz hört: "Wir halten alle Datenschutzbestimmungen ein."

Trotzdem sind solche fahrerbezogenen Informationen nicht das eigentliche Problem. Wenn jemand zum Beispiel von genaueren Verkehrsinformationen durch die Echtzeitdaten anderer Fahrzeuge profitieren möchte, ist es nur recht und billig, wenn er selbst auch Daten liefert. Alles andere wäre digitale Trittbrettfahrerei. Wenn einem Autofahrer ein günstigerer Versicherungstarif mehr wert ist als seine Privatsphäre, ist das seine Sache. Und schließlich: Was genau kann ein Auto über einen Menschen verraten, was sein Smartphone nicht schon längst verbreitet hat? Wer etwa regelmäßig sämtliche Ortungsdienste seines Mobiltelefons nutzt, bei dem kommt es auf die Daten aus dem Auto auch nicht mehr an.

Doch was ist mit den Passanten und Anwohnern? Stellen Sie sich eine Wohnstraße in fünf Jahren vor, auf beiden Seiten vollgeparkt mit vernetzten und teilautonomen Autos. Jedes dieser Fahrzeuge wird Stereokameras haben, Nachtsichtmodule, verschiedene Radar-, Lidar- und Ultraschallsensoren. Zudem werden all diese Autos über ausreichend Rechenleistung verfügen, um sich aus all diesen Informationen ein zusammenhängendes Weltbild zu zimmern. Und sie haben dank Hybridbatterien genug Energie an Bord, um ständig online zu bleiben, damit sie etwa Befehle ihrer Nutzer empfangen oder Updates herunterladen können.

Natürlich ist es von der reinen technischen Möglichkeit bis zu ihrem Missbrauch ein großer Schritt. Ich würde jedoch keinen Liter Sprit darauf verwetten, dass die Sensordaten künftiger Autogenerationen nicht doch irgendwann abgezapft und zweckentfremdet werden. Schließlich hat sich die Autoindustrie bisher in Fragen der IT-Sicherheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wenn es die Computerindustrie es trotz jahrzehntelanger Erfahrung bis heute nicht geschafft hat, ihre Produkte vor Viren und Würmern, vor Hackern und Geheimdiensten zu schützen, warum sollte das dann ausgerechnet der Autobranche gelingen?

Der Kommentar stammt aus der aktuellen Ausgabe der Technology Review (im gut sortierten Handel und im heise shop erhältlich). (grh)