Länger leben durch Zellreinigung?

Wenn Säugetiere älter werden, hören einige Zellen damit auf, sich zu teilen. In einer Studie blieben Mäuse länger gesund, wenn diese Zellen entfernt werden – was den Weg zu Medikamenten gegen das Altern bereiten könnte.

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Von
  • Antonio Regalado

Wenn Säugetiere älter werden, hören einige Zellen damit auf, sich zu teilen. In einer Studie blieben Mäuse länger gesund, wenn diese Zellen entfernt werden – was den Weg zu Medikamenten gegen das Altern bereiten könnte.

Die Lebenszeit von Tieren lässt sich verlängern, indem man alte, ermüdete Zellen aus ihrem Körper entfernt.

Das jedenfalls ist das Fazit der ersten Studie dieser Art von Forschern an der Mayo Clinic in den USA: Mäuse lebten im Durchschnitt rund 25 Prozent länger, wenn man ihren Körpern von den so genannten "seneszenten" Zellen befreit.

Die Ergebnisse, veröffentlicht Anfang Februar in Nature, zeigen einen möglichen neuen Weg für die Behandlung von Krankheiten wie grüner Star, Arthritis und Herzproblemen. Laut dem Hauptautor Jan van Deursen, einem Molekularbiologen an der Mayo Clinic im US-Bundesstaat Minnesota, könnten sie zudem auch dazu dienen, das Leben von Menschen zu verlängern.

Auf der Grundlage dieser Forschung ist bereits das Biotechnologie-Unternehmens Unity entstanden, gegründet von van Deursen und Judith Campisi vom Buck Institute for Research on Aging, die auf einem ähnlichen Gebiet arbeitet.

CEO von Unity ist Nathaniel David. Nach seinen Worten hat das Start-up bereits Medikamente identifiziert, die seneszente Zellen in Labortieren töten. Jetzt arbeite man an der Entwicklung von Wirkstoffen gegen Alterskrankheiten und hoffe, irgendwann auch ein Mittel gegen das Altern an sich zu finden.

Die neue Studie ist nicht die erste, bei der das Leben von Mäusen verlängert wurde, doch offenbar gelang es bei ihr zum ersten Mal über das Entfernen seneszenter Zellen. "Bei Mäusen wurde schon Dutzende Male eine Verlängerung der Lebenszeit mittels anderer Ernährung oder der Gabe von Medikamenten erreicht. Wir kennen jede Menge Möglichkeiten dafür. Aber das ist eine neue Methode", sagt Steven N. Austad, Biogerentologe und Präsident der Abteilung Biologie an der University of Alabama in Birmingham.

Als seneszent werden Zellen bezeichnet, wenn sie sich nicht mehr teilen. Wie grummelige alte Männer auf Parkbänken sitzen sie nur noch herum und erledigen keine besonderen Aufgaben mehr, haben aber noch Einfluss auf ihre Umgebung. Laut Austad haben die Zellen zwar möglicherweise noch nützliche Funktionen, doch im Allgemeinen gelten sie vor allem als schädlich. "Das sind Zellen, die nicht sterben, aber sie sind da und scheiden alle möglichen Moleküle aus, die dem Gewebe schaden", sagt er.

Die Entdeckung des Effekts bei der Alterung kam zufällig, wie van Deursen berichtet: Eigentlich habe er nur Krebs bei "progeroiden" Mäusen erforscht, die genetisch so manipuliert waren, dass sie unnatürlich schnell altern und Tumore ausbilden. Dabei zeigte sich jedoch, dass die frühen Symptome der Alterung weitgehend ausblieben, wenn man verhinderte, dass die Zellen das Seneszenz-Stadium erreichen. "Ich bin schlicht über etwas sehr, sehr Interessantes gestolpert", sagt er.

Van Deursens Studie dazu, veröffentlicht 2011, lieferte überzeugende Belege für eine Verbindung zwischen Seneszenz und Alterungserscheinungen. Bislang war aber nicht klar, ob die Eliminierung von seneszenten Zellen auch bei normalen Mäusen das Altern verzögern würde.

Um das zu beweisen, arbeitete das Team mit Gentechnik. Die Forscher schufen Mäuse, in denen sie jede Zelle, die einen Biomarker für Seneszenz zeigte, markieren und gezielt zerstören konnten. Als die Tiere 12 Monate alt waren (was in etwa 45 Menschenjahren entspricht), wurde ihnen ein Medikament injiziert, das die markierten Zellen wegräumte.

Dadurch erreichten die Mäuse zwar kein deutlich höheres Maximalalter – sie wurden also nicht zu felligen Methusalems. Doch von den behandelten Mäusen kamen mehr in ein hohes Alter als von den anderen. Laut Van Deursen hatten sie eine verbesserte "Gesundheitsdauer", denn sie blieben länger gesund und schienen langsamer Krebs zu entwickeln.

Das gentechnische Verfahren wäre bei Menschen nur schwierig einzusetzen, doch möglicherweise lassen sich Medikamente entwickeln, die seneszente Zellen gezielt abtöten. Unity, finanziert von den Wagniskapitalfirmen Arch Venture Partners und Venrock sowie von der Mayo Clinic und der chinesischen Pharmafirma Wuxi, untersucht nach eigenen Angaben, ob sich mit dem Entfernen von seneszenten Zellen bestimmte Krankheiten wie grüner Star heilen lassen. Der "große Traum" sei aber ein Medikament zur Lebensverlängerung, sagt CEO David.

Nach seinen Worten wäre denkbar, dass Menschen alle paar Jahre ein Medikament nehmen, um inaktive Zellen wegzuräumen – ab dem mittleren Alter, ab dem sich seneszente Zellen anzusammeln beginnen. Wie viel Kapital das Unternehmen bislang eingesammelt hat, möchte es nicht verraten. Laut SEC-Dokumenten aus dem Jahr 2013 hat es unter seinem früheren Namen Cenexys jedoch etwa 2 Millionen Dollar bekommen.

Die Entwicklung eines Medikaments gegen das Altern ist auch deshalb immer noch schwierig, weil die US-Zulassungsbehörde FDA Altern gar nicht als Krankheit ansieht. Und da Menschen schon von Natur aus im Durchschnitt länger als 70 Jahre alt werden, würde eine klinische Studie Jahrzehnte dauern.

Im vergangenen Jahr haben solche Hürden dafür gesorgt, dass ein anderes Unternehmen – Elysium, ein von mehreren Nobelpreisträgern unterstütztes Spin-Off des MIT – sich für die Vermarktung eines bloßen Nahrungsergänzungsmittels entschied, statt auf den Beweis zu warten, dass seine Tablette wirklich das Altern verhindert. Einer der Wagniskapitalgeber hinter Unity sagt, er nehme die Elysium-Tablette jeden Morgen.

Unity will jedoch einem konventionelleren Pfad folgen. Statt sofort ein Mittel gegen das Altern zu suchen, beschäftigt sich das Unternehmen mit der Behandlung anerkannter Krankheiten, behält dabei aber ein Auge auf mögliches Anti-Aging. "Ich denke, es ist besser, zunächst Krankheiten zu untersuchen, und dann zu schauen, ob es Nebenwirkungen gibt, die das Leben verlängern", sagt van Deursen.

(sma)