Beamte der Schweizer Bundesverwaltung manipulieren Wikipedia-Texte

Schweizer Beamte sind bei Wikipedia aktiv – in manipulativer Weise. Das berichtet eine Schweizer Tageszeitung. Wikipedia sperrte deshalb schon mehrmals den IP-Adressblock der Bundesverwaltung.

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Sperrung von Nutzerkonten

(Bild: dpa, Jens Büttner)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Schweizer Beamte verändern so häufig Wikipedia-Artikel, dass der IP-Adressblock der Bundesverwaltung in den vergangenen beiden Jahren gleich mehrfach gesperrt wurde. Das berichtet die Schweizer Tageszeitung Nordwestschweiz. Wikipedia bestätigte gegenüber der Zeitung, dass von Rechnern aus dem Netz der Bundesverwaltung so häufig auf die Wiki-Server zugegriffen und "anonym und unpassend Artikel verändert" wurden, dass Wikipedia eingriff.

Die Bundesbeamten sollen nicht nur fleißig harmlose Korrekturen von Rechtschreibfehlern vorgenommen, sondern etwa auch unerwünschte Erwähnungen der Vorratsdatenspeicherung oder offenbar unrühmliche Details über den Schweizer Nachrichtendienst NDB entfernt oder umgeschrieben haben. Die Nordwestschweiz legt auch Zahlen vor: So seien 2015 398 deutschsprachige Wikipedia-Artikel von Computern der Bundesverwaltung aus verändert worden. In den fünf Jahren zuvor sollen Bundesangestellte über 1500 Artikel verändert haben, seit dem Jahr 2003 seien es insgesamt über 5500 gewesen. In die Artikel mehrerer Bundesämter seien regelrechte Werbetexte eingefügt worden. Oft erkannten Wikipedia-Administratoren die Änderungen und machten sie rückgängig.

Für die Analyse der Tageszeitung wurde eine Software des norwegischen Programmierers Jari Bakken genutzt, mit der Eingriffe bei Wikipedia feststellbar sind. Bakken veröffentlichte in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Auswertungen von umfangreichen Wikipedia-Textbearbeitungen ausgehend von Regierungs-Rechnern der USA, Russlands, Israels, Kanadas, Australiens und Norwegen. Aber auch Manipulationen etwa großer Ölfirmen zeigte er auf.

Laut der Zeitung ist man in der Schweiz vermeintlich raffiniert vorgegangen: „Damit sie nicht auffliegen, arbeiten Schreiber mitunter während Monaten an einem Artikel. Stück für Stück entfernen sie einzelne Informationsbrocken.“ Ob die Beamten dazu beauftragt wurden, bleibe vorerst im Dunkeln. Auf Anfrage bestätigte das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation der Zeitung, dass ihm die Sperrungen der IP-Adressen bekannt seien. Auf Nachfrage bei der Bundeskanzlei antwortete diese, es gebe "keine zentralen Richtlinien oder Prozesse für die Bundesverwaltung" um Wikipedia-Artikel zu bearbeiten. Allenfalls sei es möglich, dass solche vereinzelte Bundesämter kennen. (kbe)