Post aus Japan: Großer Spaß mit kleinen Motoren

Japanische Bonsai-Boliden haben etwas geschafft, an dem die globale Auto- und Werbeindustrie kläglich gescheitert ist: Mich durch Kreativität und Verzicht auf Kraftmeierei mit dem Autorennvirus zu infizieren.

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Von
  • Martin Kölling
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Japanische Bonsai-Boliden haben etwas geschafft, an dem die globale Auto- und Werbeindustrie kläglich gescheitert ist: Mich durch Kreativität und Verzicht auf Kraftmeierei mit dem Autorennvirus zu infizieren.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Ich bin kein Freund von Autorennen. Eigentlich. Das oft damit einher gehende testosterone PS-Geprahle stößt mich ab. Überdies gehört die Gib-Gas-und-nach-mir-die-Sintflut-Philosophie in eine vergangene Zeit. Und doch habe ich mich am Sonntag köstlich auf einem Autorennen amüsiert – vielleicht gerade, weil die Autos dort gegen meine Vorurteile antraten.

Bei dem Rennen handelte sich um den K4-Grand Prix, ein siebenstündiger Ausdauerwettbewerb auf dem Formel-1-tauglichen Fuji Speedway. Oder anders gesagt: Es ist das größte Rennen für kleinste Autos. Und eines der lustigsten obendrein. Denn mitmachen dürfen alle Formen und Farben, vom Serienauto bis hin zum fantasievollen Eigenbau wie diese Fotos zeigen.

Nur eine Bedingung gibt es: Die Autos müssen die Bestimmungen für die in Japan sehr beliebte, weil steuerbegünstigte Klasse der Leichtautos, der Kei-Cars, erfüllen. Und das bedeutet de facto ein Verbot von PS-Monstern. Denn die Motoren der Minis, die sich in Japan mehr als eine Million mal pro Jahr verkaufen, dürfen ihre Kraft aus maximal 660 Kubikzentimeter Hubraum schöpfen.

Die Motoren lassen sich zwar etwas tunen. Aber Kraftmeierei verbietet sich, weil die Alumotorblöcke leicht platzen, wenn man sie zu sehr aufbohrt, erklärte mir ein Teilnehmer.

Dennoch werden diese Töffs zu Bonsai-Boliden, deren schnellste Vertreter auf der Start- und Zielgerade bis zu 200 km/h schnell werden. Schließlich zeichnet sie eines aus, das die meisten neumodischen Sportwagen verloren haben: die Leichtigkeit des Auto-Daseins.

Die Kei-Cars demonstrieren, dass der Verzicht auf PS durch Abstriche an Gewicht mehr als wettgemacht werden kann. Nehmen wir den britischen Supersportwagen Caterham, der mit seinen ausgestellten Reifen wie ein Rennwagen aus der guten alten Zeit daherkommt.

Die Briten haben auf Anraten ihres Japan-Chefs Justin Gardiner einen kleinen Suzuki-Motor mit 80 PS in ihr Produkt eingebaut, um den Wagen in Japan als Kei-Car verkaufen zu können. Denn Gardiner wurde von einer Erkenntnis beseelt: Es zählen nicht allein Hubraum und PS, sondern das Verhältnis von Leistung und Gewicht. Und da führt der Caterham idealtypisch vor, was leicht abgemildert auch für Kei-Cars gilt.

Der Wagen ist auf das Wesentliche reduziert und wiegt daher nur 490 Kilogramm. Mit den normalerweise in den Caterham Seven eingebauten Motoren ist er ein Geschoss. Aber selbst mit nur drei Kaffeetassen Hubraum bleibt er immer noch ein Renner.

Wegen der Übersetzung der Gänge geht dem Caterham Seven160 genannten Wagen zwar bei 160 bis 180 Kilometern die Stunde die Puste aus. Dafür beschleunigt er von null auf 100 km/h in nur 5,9 Sekunden. Und auf kurvenreichen Strecken zeigt er PS-Monstern oft die Rückleuchten, weil die heutzutage unterstützt von allerlei Fahrassistenten in der Regel deutlich mehr als eine Tonne Gewicht auf der Fahrbahn halten müssen.

Bei den anderen teilnehmenden Rennern galt ähnliches: Die meisten Teams haben die Wagen komplett entrümpelt. Nur ein Fahrersitz und ein zusätzlicher Überrollkäfig addierten Gewicht. Und so sorgten die Wagen in Kurven für eine Schwerkraftentfaltung, die einfach nur Spaß macht. Da fehlt einem die Top-Speed auf der langweiligen Graden nicht mehr.

Dass der Caterham den K4-Grand Prix dennoch nicht für sich entscheiden konnte, sondern nur 14. wurde, hatte einen anderen sympathischen Grund. Der Rennveranstalter hat sich dem Öko-Trend verschrieben. Jedes Jahr überrascht er die Teilnehmer daher kurzfristig mit neuen Vorgaben. Dieses Mal forderte er das strategische Geschick der Rennställe mit einer Beschränkung des Spritverbrauchs heraus.

Mehr als 80 Liter durfte kein Rennstall verbrennen. Der recht durstige Caterham musste daher die Rundenzeiten um 15 Sekunden drosseln, um nicht vor Ablauf der sieben Stunden saft- und kraftlos auszurollen, erzählt Gardiner. Dennoch, oder gerade deswegen, machte ihm das Rennen großen Spaß. Und nicht nur ihm. 98 Teams hatten sich angemeldet und frönten frei vom PS-Wahn dem Rennspaß. Auch mich haben sie damit mit dem Rennvirus angesteckt. Ich werde gerne nächstes Jahr wiederkommen.

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