"Adblock Action Day" der Verleger: "Adblocking ist wie der Klimawandel"

Verleger sind die Verlierer durch den steigenden Einsatz von Werbeblockern. Auf dem "Adblock Action Day" in Frankfurt forderten viele Teilnehmer bessere Werbung, die den Leser respektiert. Den ersten Schritt zu machen fällt jedoch schwer.

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"Adblock Action Day" der Verleger: "Adblocking ist wie der Klimawandel"

Wer heutzutage etwas auf sich hält, macht einen Versionssprung. Hier fordert Johnny Ryan von Pagefair Werbung, die den Kunden respektiert. Das "Advertising 2.0" soll Adblocker umgehen.

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Die Lage ist ernst – darin waren sich die Teilnehmer der Konferenz zum "Adblock Action Day" im Gebäude der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Donnerstag einig. So hatte die gastgebende World Association of Newspapers and News Publishers (WAN-IFRA) in einer Umfrage ermittelt, dass 75 Prozent seiner Mitglieder sehr besorgt um die Entwicklung bei Adblockern seien. Derzeit konzentrieren sich viele Verlage darauf, neue Werbeformen im Mobilbereich zu etablieren, berichtete Ben Shaw von der WAN-IFRA. Zum einen sei dort das Publikum zunehmend zu finden, zum anderen werden auf Smartphones und Tablets Adblocker noch selten eingesetzt.

Das könnte sich jedoch schnell ändern. Johnny Ryan vom irischen Adblock-Spezialisten Pagefair betonte zwar, dass die Freigabe von Adblockern auf dem iPhone bisher noch vergleichweise wenig Auswirkungen gehabt habe. Ein Blick nach Asien zeige aber, dass sich dies schnell ändern könne. Gerade in China seien Web-Browser wie Maxthon und UC Browser verbreitet, die schon von Haus aus Werbung blockierten. Auch Asus und Samsung haben eigene Browser veröffentlicht, die Werbeblocker unterstützen. In den kommenden anderthalb Jahren werde Adblocking auf Mobilgeräten daher auch hier zum Thema werden, prophezeite Ryan: "Adblocking ist wie der Klimawandel." Die Entwicklung lasse sich nicht kurzfristig aufhalten.

Dennoch riet der Pagefair-Manager davon ab, in Panik zu verfallen. So zeigten die statistischen Untersuchungen seiner Firma, dass der Adblocker-Einsatz nur linear wachse. Hoffnungen auf Native Advertising als krisensicheren Ersatz für klassische Display-Werbung dämpfte er. So wurde auch das viel gelobte Advertorial der New York Times zur TV-Serie "Orange is the New Black" von gängigen Werbeblockern ausgeblendet.

Zudem sei die Grenze zur verbotenen Schleichwerbung schnell überschritten, warnte Ryan. Vielmehr sollten sich Verleger darauf konzentrieren, dass sie die Kontrolle über ihre Seiten von der Werbeindustrie zurückbekämen. Die sei in den vergangenen Jahren durch die Integration immer neuer Werbeprogramme von Drittanbietern komplett verlorengegangen. So beklagte sich der Amerika-Chef des britischen Guardian vor kurzem darüber, dass er sein Angebot nicht von Werbung der Waffenbesitzer-Organisation NRA freihalten könne.

Pagefair beansprucht für sich, eine Technik entwickelt zu haben, die Adblocker auf Dauer zuverlässig umgehen kann. Allerdings sei es nicht ratsam, den Kunden die selben Anzeigen vorzusetzen, wegen derer sie Adblocker installiert haben, erläuterte Ryan. Um für Nutzer akzeptable Werbung zu etablieren, strebt Pagefair einen industrieweiten Konsens an, zu dem auch Organisationen wie die Mozilla Foundation oder das W3C ihren Input geben sollen. Damit ist Pagefair aber nicht alleine. So versucht auch der weltweite Werber-Verband International Advertising Bureau mit seiner LLEAN-Initiative Standards für bessere Werbung zu finden, ebenso Adblock Plus-Hersteller Eyeo mit seiner "Camp David" getauften Initiative.

Die Unterschiede der Initiativen sind deutlich. Während die im IAB organisierten Adtech-Anbieter überzeugt sind, mit besserem Tracking kundenrelevantere und damit beliebtere Werbung anzeigen zu können, rät Pagefair dazu, die überbordende Datensammelei abzuschalten. Die sei ohnehin nicht im Interesse der Verleger, da sie auf diese Weise nur sehr wenig über ihre eigenen Kunden lernten. Die Initiative "Acceptable Ads" Adblock Plus findet Pagefair auch suboptimal: So spreche nichts dafür, einen weiteren Mittelsmann zu installieren, der die Kontrolle über die Werbung habe.

Die in Frankfurt vorgestellten Erfahrungen der Verleger sind allesamt recht ähnlich. Fast jeder Anbieter kontrolliert inzwischen den Adblocker-Einsatz seiner Kunden und stellt erhebliche Steigerungen fest. Um den Einnahmeausfällen zu begegnen, suchen die Verlage neue Umsatzquellen. Dies sind neben Native Advertising vor allem neue Abo-Modelle, bei denen sich Kunden werbefreie Nachrichten erkaufen können. Als wenig bis überhaupt nicht erfolgreich erwiesen sich freundliche Bitten, Adblocker abzuschalten. Zwar sanken die Adblock-Quoten nach solchen Aktionen deutlich, waren aber kurz danach wieder auf dem alten Stand. Lars Janzik von der Springer-Tochter WeltN24 berichtete zudem, dass die Block-Quote in seinem Haus durch die Einführung der als Werbeblocker funktionierenden Anti-Tracking-Funktion des Browsers Firefox angestiegen sei.

Bessere Werbung einzuführen haben sich Verlage hinter die Ohren geschrieben, die sich in Frankfurt zu Wort meldeten. So stellte der Schibstedt-Verlag in einer Studie kürzlich fest, dass statische Bilder mit klarer Botschaft die effektivste Werbeform seien. Doch bisher fällt es wenigen Anbietern ein, nervige Werbeformen von ihren Plattformen ganz zu verbannen. So musste Janzik auf Nachfrage einräumen, dass es in seinem Haus nicht einmal durchsetzbar sei, Welt.de-Nutzer die Werbung in ungefragt eingespielten Videos überspringen zu lassen. Bemühungen, Werbung von Werbenetzwerken auf die eigenen Server und in die eigene Verantwortung zurückzuholen, sind bei den Verlagen allenfalls im Anfangsstadium.

Neuen Gegenwind für die Anti-Adblock-Techniken der Verlage versprach Datenschutz-Aktivist Alexander Hanff. Nach seiner Auffassung sind Skripte, die den Einsatz von Adblockern mittels JavaScript und ähnlicher Techniken überprüfen oder gar blockieren, ohne ausdrückliches Einverständnis des Nutzers illegal. Er habe schon mehrere Beschwerden bei europäischen Datenschützern eingereicht. Auch die Technik mancher Adblocker sei datenschutzrechtlich bedenklich. So seien die providerseitigen Filter des israelischen Anbieters Shine nach europäischem Recht illegal – selbst wenn der Endkunde zustimme.

Hanff appelierte an die Verlage, auf das übergreifende Tracking zu verzichten und aggressive Anti-Adblock-Skripte abzuschalten. "Wollen Sie denn wirklich einen Kampf gegen das eigene Publikum führen?", fragte er. Nun bestehe die Möglichkeit, die Fehler der letzten 20 Jahre zu korrigieren. Allerdings habe die Branche dazu nur einen Versuch. Die Vorhaltungen Hanffs blieben nicht ohne Widerspruch: So hätten bereits einige Verlage versucht, die Werbung zu verbessern und auf Tracking zu verzichten, konnten aber dem wirtschaftlichen Druck nicht standhalten.

Die Verleger sehen sich in einem Gefangenen-Dilema. Verzichten sie auf Werbeformen, finden die dominierenden Adtech-Anbieter genug andere Plattformen, um ihre Werbung auszuspielen. Das wiederum treibt die Adblocker-Rate hoch. So ergab eine Umfrage unter Adblock-Nutzern auf FAZ.Net, dass nur 15 Prozent die Werbung auf dem Verlagsangebot als so störend empfanden, dass ein Adblocker nötig sei. Abschalten wollte den Werbeblocker jedoch nur ein kleiner Teil der Nutzer. (anw)