Musikindustrie: Kulturpauschale auch zur Pirateriebekämpfung nutzen

Die geplante Reform der rechtlichen Vorgaben für Verwertungsgesellschaften sorgt für Streit. Die beteiligten Verbände, die Geräteindustrie, die Urheber und Vertreter der GEMA nehmen teilweise "maximal unterschiedliche Positionen" ein.

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Gema gegen YouTube

(Bild: dpa, Frank Leonhardt)

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Die Musikindustrie wittert in der laufenden Reform der gesetzlichen Grundlagen für Verwertungsgesellschaften eine Chance, mehr Geld zu erhalten, um gegen Urheberrechtsverletzer vorzugehen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Kulturförderung, für die die Vereinigungen von Wahrnehmungsberechtigten derzeit Geld beiseite legen, sollte auf weitere "soziale Zwecke" ausgedehnt werden, forderte René Houareau vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI) am Mittwoch bei einer Anhörung im Bundestag. Konkret müssten auch "effektive Modelle der Piraterieverfolgung" künftig davon profitieren können.

Der "Kulturpfennig" ist an sich umkämpft. "Eine direkte Kulturförderung hat im Urheberrecht nichts zu suchen", betonte der Marburger Rechtsprofessor Georgios Gounalakis. Der entsprechende Geldtopf, der sich 2014 allein bei der Gema auf 3,4 Prozent der Einnahmen beziehungsweise 30 Millionen Euro summiert habe, müsse direkt an die Kreativen ausgeschüttet werden. Da die Gruppen der Wahrnehmungsberechtigten nicht homogen seien, würden derzeit vor allem Urheber mit geringfügigen Einkommen von der Abgabe belastet.

Die Kulturabgabe lasse sich verfassungsrechtlich gut begründen, hielt Tobias Holzmüller von der Gema entgegen. "Die Mitglieder wollen fördern, das ist keine Bürde für sie", verteidigte der Hausjurist den "Solidarpakt". Bei der parallel abgezogenen sozialen Beihilfe seien den meisten Aspekte der Altersversicherung am wichtigsten. Auf den Ruf nach einer verstärkten Pirateriebekämpfung ging Holzmüller nicht ein.

Die Sicherheitsleistung, mit der laut Bundesregierung künftig gewährleistet werden soll, dass Gerätehersteller Vergütungen für Privatkopien tatsächlich zahlen, war vor allem Stefan Laun als Vertreter von Verbänden wie dem Bitkom oder dem ZVEI ein Dorn im Auge. "Wir sehen das Ausfallrisiko nicht belegt", konstatierte er. Man könne auch nicht von einem "Verhandlungsungleichgewicht" zugunsten der Industrie ausgehen, wenn Streitigkeiten über 300 Millionen Euro pro Jahr an potenziellen Einnahmen aus betroffenen Produkten bereits gelöst und "nur" noch ein Jahresvolumen von 60 bis 80 Millionen Euro offen sei.

Die Unternehmen müssten angesichts der "systemfremden und zu unbestimmten" Auflage fortlaufend Rücklagen bilden, beklagte Laun. Dies behindere Innovationen. Zudem würden Verfahren auf einzelne Marktteilnehmer vorverlagert. Die im Raum stehende Regel müsste daher "auf den Insolvenzfall beschränkt werden". Auch die Urheber hätten große Schwierigkeiten damit, dass ihre Werke genutzt werden, die Verwerter aber nicht dafür zahlten, monierte demgegenüber Gerhard Pfennig von der "Initiative Urheberrecht". Derzeit entstünden den Kreativen etwa durch ungeklärte Werkeinspeisungen in Intranets hohe Verluste. Die Sicherheitsleistung dürfe nicht aufgeweicht werden, da sie das einzige Mittel darstelle, "die Geräteindustrie an den Verhandlungstisch zu bringen".

Die Privatkopieklausel stelle einen "sehr starken Eingriff in die Rechte der Urheber" dar, ergänzte Jürgen Becker von der Zentralstelle für Private Überspielungsrechte (ZPÜ). Vergütungen dafür müssten daher gezahlt werden, "wenn ein Produkt in den Verkehr gebracht wird". Angesichts jahrelanger gerichtlicher Auseinandersetzungen um die Höhe der Pauschalen stehe "in den Sternen", ob viele der sich im Internet tummelnden Firmen bei einer höchstrichterlichen Entscheidung überhaupt noch fähig seien, das geschuldete Geld zu entrichten.

Bei den Tarifgesprächen träfen "maximal unterschiedliche Positionen" aufeinander, machte der Berliner Rechtsanwalt Oliver Poche deutlich. Gerade beim Streaming seien die einen dafür, einen einmaligen Abruf mit einem Download gleichzusetzen, während die anderen nur für das zahlen wollten, was durch Werbung refinanziert werde. Für die Verbraucher sei es jedenfalls "kaum verständlich", warum das US-Repertoire über YouTube abrufbar sei, das deutsche aber nicht. Die Google-Tochter streitet sich seit Jahren mit der Gema über einen "angemessenen" Tarif.

Gounalakis begrüßte, dass die Bundesregierung entlang einschlägiger EU-Vorgaben die "faktische Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften beenden" und den Wettbewerb ankurbeln wolle. "Spezifische Voraussetzungen" für gebietsübergreifende Online-Rechte könnten dem Juristen zufolge große Verwertungsgesellschaften aber nach wie vor begünstigen.

Robert Staats von der VG Wort warb dafür, neben Autoren auch weiter Verleger an Ausschüttungen beteiligen zu können und verlangte eine entsprechende gesetzliche Klarstellung. Angesichts anderslautender Gerichtsurteile sah sich die Gesellschaft zuvor gezwungen, ihre entsprechende Praxis zunächst auf Eis zu legen. Generell steht dieser aber auch nach Ansicht von Gounalakis das EU-Recht nicht entgegen.

Dass künftig alle Wahrnehmungsberechtigten elektronisch an Mitgliederversammlungen beteiligt werden müssten, lehnte der Gema-Vertreter Holzmüller ab: eine solche Pflicht "würde Verwertungsgesellschaften zu Versuchskaninchen für nicht ausgereifte Techniken machen". Michael Weller von der Gema-Alternative Cultural Commons Collecting Society (C3S) machte den Kompromissvorschlag, eine "Kann-Vorschrift" daraus zu machen.

Weller warnte zudem vor dem Missverständnis, dass mit dem Gesetzentwurf jeder seine Werke auch bei traditionellen Gesellschaften über alternative Lizenzen wie Creative Commons der Allgemeinheit kostenfrei zur Verfügung stellen könne. Dies müsse nach wie vor zunächst in Mitgliederversammlungen so auch beschlossen werden. Der C3S-Geschäftsführer schlug ferner vor, die staatliche Aufsicht zu lockern, "wenn das Monopol abgeschafft wird". Es könne "in Richtung Regulierungsbehörde" gehen. (kbe)