Zustelldienste: Amazon-Pläne im Paketgeschäft machen die Branche nervös

Es gibt immer vielfältigere Möglichkeiten, Pakete auszuliefern und die Paketzusteller wollen stets einen Schritt schneller und flexibler als die Konkurrenz sein. Da Amazon nun auch auf dem Markt mitmischen möchte, ist die Branche nervös.

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Amazon-Paket

(Bild: dpa, Henning Kaiser/Archiv)

Lesezeit: 6 Min.
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Unruhe auf dem deutschen Paketmarkt: Amazons Pläne, in Deutschland auch in der Zustellung Fuß zu fassen und die Branche aufzumischen, setzt die Zusteller unter Druck. "Es gibt eine gewisse Nervosität", räumte der Vorsitzende des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK), Florian Gerster, in einem Gespräch mit der dpa ein. Amazon sei ungemein kapitalstark und ein Unternehmen, das Branchen auf Trab bringen könne. Dabei zeigte sich der Verbandschef sicher, dass es in Ballungsgebieten den Versuch geben werde, eine Teilkonkurrenz aufzubauen.

"Aber auch dort optimieren wir unsere Angebote", sagte Gerster und kündigte an, das Feld nicht kampflos aufzugeben. Das klassische und flächendeckende Zustellgeschäft werde ohnehin weiter eine Domäne der reinen Paketdienstleister bleiben. Dabei zeigte sich der BIEK-Chef überzeugt, dass "Unternehmen im Wesentlichen bei ihrer Kernkompetenz bleiben und nicht beliebig ganze Lieferketten aufrollen" würden.

Eigene Paketstationen könnten Amazon unabhängiger machen.

(Bild: Amazon)

Anfang des Jahres waren Pläne von Amazon bekannt geworden, den deutschen Zustellern mit dem Aufbau eines eigenen Netzes Konkurrenz zu machen – auch, weil Paketzusteller sich zunehmend von Amazons Paketflut überfordert zeigten. So testet das Unternehmen in einem Verteilzentrum in der Nähe von München schon länger die Zustellung in Eigenregie. Auch in anderen Metropolen sollen Verteilzentren in Stadtnähe aufbaut werden. Darüber hinaus startet der Onlinehändler laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung mit Packstationen einen weiteren Angriff auf die Deutsche Post. Vor allem in Deutschland und Frankreich wolle Amazon die Automaten aufbauen.

Kürzlich wurde auch bekannt, dass Amazon in den USA eine eigene Fahrerflotte aufbaut und hierfür bereits Fahrer eingestellt hat. Zuvor hatte Amazon etwa 1000 Sattelzüge gekauft und außerdem hieß es, das Unternehmen wolle sich eine eigene Flotte an Frachtflugzeugen zulegen. Außerdem arbeitet Amazon weiterhin an der Entwicklung von Lieferdrohnen.

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Aber selbst ohne Amazons Konkurrenz beharken sich die verschiedenen Paketzusteller untereinander. Zielscheibe der Kritik ist der Branchenprimus Deutsche Post DHL. So warf Gerster dem Unternehmen erneut unfaire Wettbewerbspraktiken im Paketgeschäft vor: Das Geldverdienen sei schwierig geworden, "die Margen sind gering, darunter leiden unsere Unternehmen". Die Post stütze das Paketgeschäft mit dem hochprofitablen Briefbereich und könne so die Preise drücken. Ein Postsprecher wies den Vorwurf als haltlos zurück.

Die Bundesnetzagentur habe bereits im März 2015 nach mehrjährigen Untersuchungen festgestellt, dass es eine Quersubventionierung nicht gebe. Gerster forderte den Bund auf, sich von seinen Anteilen an der Post zu trennen, um Interessengegensätze zwischen Aktionär auf der einen und Regulierer auf der anderen Seite zu beseitigen. "Dieser Widerspruch muss aufgelöst werden", sagte er. Derzeit hält der Bund noch ein Aktienpaket von 21 Prozent an der Post.

Die Paketdienstleister sind das wichtigste Rad im Getriebe des boomenden Onlinehandels. Die Branche gehört seit Jahren zu den Bereichen der Wirtschaft, in denen es unaufhaltsam nach oben geht. Und wenn Post-Chef Frank Appel in wenigen Tagen die Bilanz 2015 vorlegt, hat er das boomende Paketgeschäft wieder auf der Habenseite. Der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK), der die Post-Konkurrenten vertritt, rechnet in diesem Jahr über alle Sparten mit einem Zuwachs von rund 5 Prozent.

Ein überdurchschnittliches Wachstum verbuchen dabei die Paketsendungen an private Haushalte, resümierte die Kölner Beratungsgesellschaft Consult KE im vergangenen Dezember in einer Marktstudie für den BIEK. Einen Schub hat der Onlinehandel in den vergangenen Jahren vor allem mit der Ausweitung der mobilen Kommunikation erhalten. Vermehrt wird von unterwegs über das Smartphone bestellt. Dabei müssen die Paketzusteller nicht nur Kapazitäten ausweiten, sondern auch mit neuen Zustelloptionen die Wünsche einer immer anspruchsvoller werdenden Kundschaft bedienen.

Paketshops und Packstationen sind zwar weiterhin das Rückgrat der Zustellernetze, doch sie werden inzwischen ergänzt durch eine Fülle neuer Formen und Formate: Seit fast zwei Jahren vermarktet die Post nun schon die Paketkästen, die Briefchef Jürgen Gerdes einmal als "größte Erfindung seit dem Briefkasten" bezeichnete. Die Wettbewerber bringen voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte ihre Unibox. Beide Kästen haben einen unschätzbaren Vorteil: Die Zustellung gelingt immer auf Anhieb. Ähnlich sicher ist die Zustellung über den Paketbutler – eine abschließbare Tasche, die an der Wohnungstür befestigt wird und von der Telekom entwickelt wurde.

Der Paketbutler von DHL, Zalando und der deutschen Telekom (5 Bilder)

Der Paketbutler soll als faltbare Box daherkommen, die man bis zum Einsatz in der Wohnung aufbewahren kann.
(Bild: Deutsche Telekom)

Amazon erwägt angeblich eine Paketzustellung in Deutschland innerhalb von 90 Minuten nach Bestellung. "Wir vereinfachen die Zustellung für Sie", umgarnt der US-Paketdienstleister UPS die Kundschaft und bietet ihr die Möglichkeit, Lieferpläne über Smartphone und App während der Zustellphase zu verändern. Aus den USA kommt eine weitere Idee: Pakete durch Privatpersonen zustellen lassen – auch Crowd Sourcing genannt.

Ins Blickfeld ist inzwischen auch ein mobiler Paketkasten gerückt: Der Kofferraum des Autos. Gemeinsam mit Audi und Amazon erprobt die Post derzeit in München den mobilen Zustellpunkt im Fahrzeug. Auch die österreichische Post ist bei der Kofferraumlogistik am Ball. Mit VW und T-Systems läuft seit vergangenen Herbst ein Feldversuch. Google hat sich bereits einen autonomen Zustell-Transporter patentierten lassen. Er könnte wie eine mobile Packstation funktionieren.

Googles mobile Packstation. Abbildung aus dem Patent 9,256,852.

(Bild: uspto.gov)

Zur spektakulärsten aller Zustellformen gehört die Paketdrohne, auch wenn die Paketzusteller noch mit Fluberechtigungen oder mit den Witterungsverhältnissen kämpfen und bisher oft nur Testflüge stattfinden. "Die Drohnentechnik leistet einen Beitrag zur Erweiterung von Logistiknetzwerken durch die Überwindung großer Hindernisse", heißt es in einer Mitteilung des DPD. So sieht das auch Dirk Klasen von der Deutschen Post: Es geht vor allem um schwer zugängliche Orte wie Inseln oder Bergregionen, aber keinesfalls um eine Regelzustellung.

DHL-Paketkopter (9 Bilder)

In Aktion

Die Lieferdrohne der DHL vor dem Posttower in Bonn (Bild: Mirco Lang)

(mit Material der dpa) / (kbe)