Volle Ladung

Die Preise für Lithium-Ionen-Akkus sind im freien Fall. Bald, glauben Experten, ist eine kritische Marke erreicht. Die Akku-Revolution wird ganze Branchen durcheinanderwirbeln.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Die Preise für Lithium-Ionen-Akkus sind im freien Fall. Bald, glauben Experten, ist eine kritische Marke erreicht. Die Akku-Revolution wird ganze Branchen durcheinanderwirbeln.

Es war wieder kein gutes Jahr für Daimler. Einer der wichtigsten Auftraggeber ging verloren: Google wird seine Fahrgestelle künftig bei Toyota ordern. Die Daimler-Aktie fiel auf fünf Euro. Übernahmegerüchte machen die Runde: Tesla sei interessiert. Apple auch. VW und BMW ergeht es nicht besser. Die einstmals wertvollen Kernkompetenzen der deutschen Autobauer – Verbrennungsmotoren, Getriebe – sind wertlos geworden. Elektroautos dominieren den Markt. Deutsche Autobauer sind zu Zulieferern degradiert, seitdem Tesla, Apple und Google sich mit den Japanern und Chinesen den Markt aufteilen.

Willkommen im Zeitalter der Batterien: Sie haben das Öl besiegt. Obwohl es zunächst nicht danach aussah angesichts der Dumpingpreise von 2016 bis 2019. Doch am Ende waren die Akkus so billig, dass nur noch Saudi-Arabien mithalten konnte. Südamerika, Russland, der Iran: ausgehungert. Nachfrage gibt es noch, aber nur, weil die Superbatterien für Flugzeuge und Schiffe nicht ausdauernd genug sind.

Sie brachten zudem die Energiewende, wenn auch anders als gedacht. Die großen Stromtrassen wurden wieder zurückgebaut, die einstmals großen Energieversorger sind Franchise-Unternehmen von Photovoltaik-Installateurbüros. Jedes Haus mit Solarpanels auf dem Dach und Batteriespeicher im Keller ist jetzt ein Kraftwerk. Das Geschäft machen ein paar digitale Plattformen, die "Energie-Googles". Mit Steuerungsintelligenz und Daten vernetzen sie die Batterien zu virtuellen Kraftwerken.

Deutschland im Jahr 2030? Mal sehen. Aber während die meisten Beobachter dieses Szenario noch vor wenigen Jahren für Fantasterei gehalten hatten, ist es mittlerweile eine ernst zu nehmende Prognose. Die Batteriepreise fallen seit Jahren in einem selbst für Experten ungeahnten Ausmaß. Ein historischer Moment zeichnet sich ab, der eigentlich seit 130 Jahren überfällig ist. Damals begann die Elektrifizierung der Welt, aber sie wurde nie konsequent zu Ende geführt. Wir konnten diese grandiose, aber flüchtige Energieform Strom nicht in dem Ausmaß speichern, wie wir es bräuchten. Doch langsam werden die Batterien gut und günstig genug für diesen Schritt. Damit steht einer der seltenen Momente der Technikgeschichte bevor, in der eine einzige Technologie Unzähliges verändern wird. Die Batterie wird Wirtschaftszweige umwerfen, die derzeit fast 1,3 Millionen Menschen beschäftigen. Wie rasch und wie genau, ist noch offen, für den grundlegenden Trend aber nicht entscheidend. Jeder Einzelne wird den Wandel spüren – sei es als Hausbesitzer, Autofahrer, Stadtbewohner, Industriearbeiter oder als alles zusammen.

Der Preis des Goldes wird in Dollar pro Feinunze angegeben – der von Lithium-Ionen-Akkus in Dollar pro Kilowattstunde. 2007 kostete sie noch über 1000 Dollar, sieben Jahre später waren es nur noch 300 Dollar. So jedenfalls lauteten die Schätzungen, denn über die wirklichen Preise redet die Branche ungern. Dann aber zeigte sich im Oktober 2015, was tatsächlich möglich ist. General-Motors-Chefin Mary Barra plauderte aus, GM werde in seinem neuen Mittelklasse-Elektroauto Bolt Batterien für nur 145 Dollar pro Kilowattstunde verbauen. Was sich für General Motors als PR-Coup entpuppte, war für den Lieferanten, den südkoreanischen Hersteller LG Chem, eine ärgerliche Indiskretion. Denn anschließend klopften andere Großkunden mit der gleichen Forderung an: Daimler, Ford, Renault, VW. Es geht weiter: 2022, so Barra, werde man bei 100 Dollar sein. Spätestens dann werden Elektroautos so viel kosten wie Verbrenner.

Gerade einmal 20000 Elektroautos fahren derzeit in Deutschland. Selbst mit Hybridfahrzeugen zusammen sind das nur 2,9 Promille der 44 Millionen Autos. Entsprechend weit entfernt scheint Angela Merkels Traum von der Million Elektroautos bis 2020. In dieser Argumentation gerät jedoch oft aus dem Blick, wie nah die Elektrofahrzeuge den Verbrennern heute schon gekommen sind. Die ersten Brancheninsider sehen den Break-even der Elektromobilität bereits kommen. Die Unternehmensberatung P3 Group hat eine Gesamtkostenrechnung gemacht, bezog also neben der Anschaffung auch den Betrieb und Wertverlust über vier Jahre mit ein. In diesem Fall kostet ein E-Golf der nächsten Generation im Jahr 2018 im Monat 545 Euro – und damit 16 Euro weniger als sein benzinfressender Bruder. P3 nimmt für diese Rechnung einen Batteriepreis von 150 Euro pro Kilowattstunde an, den die Realität praktisch schon unterboten hat. Etwas Geld müssen die Käufer trotzdem mitbringen: Als Vergleich diente nicht der billigste Golf für 17650 Euro, sondern ein gleich hochwertig ausgestatteter Benziner für 28000 Euro. Nach Analysen des ADAC hat der BMW i3 den Break-even sogar heute schon erreicht. Er liegt knapp unter seinem Benzin-Pendant (siehe Seite 30). Erkauft wird der niedrige Preis allerdings mit einer geringen Reichweite, beim BMW i3 von gerade einmal 160 Kilometern.

Aber je stärker die Batterien im Preis sinken, desto mehr Sprünge sind zu erwarten. Beim Chevy Bolt etwa plant GM bereits eine Reichweite von 320 Kilometern und einen Preis von 37500 Dollar. Mit nahezu den gleichen Kennzahlen soll Teslas Model 3 im Jahr 2017 den Massenmarkt erobern. Wer früher keinen Pfifferling auf die Elektromobilität gesetzt hat, muss heute zugeben: Es ist ein Milliardenspiel.

(jlu)