Digitale Auferstehung

Mittels virtueller Realität entstehen zerstörte Denkmäler neu, lassen sich verfallende Schätze konservieren und spielend Zeitreisen in frühere Jahrhunderte erleben.

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Von
  • Daniel Hautmann

Mittels virtueller Realität entstehen zerstörte Denkmäler neu, lassen sich verfallende Schätze konservieren und spielend Zeitreisen in frühere Jahrhunderte erleben.

Als die Buddhas auferstanden, hatten die Historiker Tränen in den Augen“, sagt Torsten Kuhlen, Leiter des Lehr- und Forschungsgebiets Virtual Reality an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. 2001 hatten Taliban die Steinfiguren im afghanischen Bamiyan-Tal gesprengt – und damit einen über 1400 Jahre alten historischen Schatz und ein Unesco-Weltkulturerbe ausgelöscht. Nun standen sie unter Kuhlens Beteiligung wieder auf – zumindest virtuell.

Dazu reiste ein Wissenschaftlerteam der RWTH ins Bamiyan-Tal. Mit den Geräten, die eine Million Punkte in der Sekunde erfassen, scannten sie die Koordinaten der Mulden im Stein, in denen die bis zu 55 Meter hohen Kunstwerke einst standen. Anschließend fotografierten die Forscher die Stellen aus verschiedenen Blickwinkeln und legten die Daten über 3D-Fotografien aus den 1970er-Jahren. „Wir haben alles verschmolzen, um zu sehen, was fehlt“, sagt Georgios Toubekis, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der RWTH.

Zurück in Aachen, speisten die Forscher ihre 24 Hochleistungsprojektoren mit den Daten und ließen so in ihrer CAVE, einem Raum, in dem dreidimensionale Bildwelten erzeugt werden können, die Buddhas virtuell auferstehen. Außerdem analysierten sie die Aushöhlungen im Fels und die Fragmente der Statuen. So erkannten sie, wo Gestein locker ist und gesichert werden muss. Ebenso, welche Fragmente noch brauchbar sind und welche fehlen. Noch lässt die politische Situation in Afghanistan den Wiederaufbau nicht zu. Doch irgendwann könnten die Daten genau dabei helfen. „Diese Dokumentation ist auch für die Nachwelt von unschätzbarem Wert“, sagt Toubekis.

Schon heute können Besucher direkt vor Ort im Bamiyan-Tal die Buddhas mittels Augmented Reality bewundern. Der Betrachter bekommt über eine spezielle Brille, etwa eine Google Glass, die Statuen eingeblendet. „Solche Anwendungen sind auch sehr interessant für die Tourismusindustrie“, sagt Kuhlen.

Die Buddha-Statuen sind damit ein gutes Beispiel für eine neue Art der Archäologie-Vermittlung. Mit ihnen lässt sich die Vergangenheit zum Leben erwecken, und zwar besser als je zuvor: In längst verfallene Burgen kehrt Trubel zurück. Versunkene Städte erheben sich aus den Fluten. Kunstwerke, die vor dem Verfall stehen, werden konserviert. Museen digitalisieren ihr Inventar und bieten virtuelle Ausstellungen an. Das Neue Museum in Berlin etwa, dessen berühmtester Schatz wohl die Büste der Nofretete ist, will in Zukunft virtuelle Museumsbesuche anbieten. Besucher könnten so vielleicht mithilfe eines VR-Headsets mit Nofretete durch Ägypten schlendern und Königen die Hand schütteln – bequem von zu Hause aus. Mehr noch: Dank der 3D-Daten lassen sich originalgetreue Repliken anfertigen und zum Beispiel für Dreharbeiten vermieten. (ksc)