Unwetterwarnung per Handy

In Uganda sollen neuartige Wetterstationen helfen, dass Menschen im Viktoriasee nicht mehr umkommen.

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Von
  • Roman Goergen
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Der ugandische Fischer Mokassa starb wie viele seiner Kollegen vor ihm. Überrascht vom tückischen Wetter auf dem Viktoriasee, konnte er sich nicht auf seinem Boot halten. Mokassa ging über Bord, verwickelte sich in seinem Netz und ertrank.

Auf ähnliche Weise kommen nach Schätzungen der Uno jährlich rund 5.000 Menschen auf dem zweitgrößten Binnensee der Welt ums Leben. Der Viktoriasee, der zugleich an Uganda, Kenia und Tansania grenzt, gilt beim Rettungsdienst Lake Rescue East Africa als "gefährlichstes Gewässer im Hinblick auf Todesfälle pro Quadratkilometer".

"Ich war schockiert, dass bei einer Umfrage im vergangenen Jahr 93 Prozent aller ugandischen Fischer angaben, von mehr als einem Unfall zu wissen, bei dem zwei oder mehr Menschen ertranken", sagt der niederländische Klimaexperte Nick van de Giesen von der Delft University of Technology.

Gemeinsam mit seinem US-Kollegen John Selker von der Oregon State University möchte van de Giesen diese Zahlen ändern. Dazu haben die beiden Forscher das TAHMO-Projekt ins Leben gerufen. TAHMO steht für "Trans-Afrikanisches Hydro-Meteorologisches Observatorium" und will die bisher extrem unzuverlässigen Wettervorhersagen verbessern. Selker rechnet vor, dass in einem Gebiet, in dem man in Europa 100 Wetterstationen finden würde, in Afrika meist nur eine einzige existiert.

Dabei macht sich die Initiative die Kostenrevolution in der Sensorentechnologie zunutze. Geräte aus dem Haushalts- und Unterhaltungssektor wie Waschmaschinen, Feuermelder oder Autos besitzen immer mehr Sensoren, um Feuchtigkeit, Temperatur oder Luftbewegungen zu erfassen. Die Massenproduktion senkt ihre Kosten. So können nun auch Meteorologen mit ihnen günstig Wetterstationen aufbauen. Dank der immer kompakter werdenden Technologie misst eine TAHMO-Wetterstation gerade mal 25 Zentimeter.

Laut Selker verfügt der handliche Apparat über ein Solarmodul für den Strom, ein integriertes Handy für die Datenübermittlung sowie Sensoren, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Niederschlag, Blitze und sowohl die Geschwindigkeit als auch die Richtung des Windes messen. Außerdem stellt die Anlage die Geoposition fest, kostet aber mit rund 1300 Euro bis zu sechsmal weniger als eine konventionelle Wetterstation.

Vor Ort aktualisieren die Sensoren die jeweiligen Daten alle fünf Minuten und übermitteln sie stündlich an die Server. Diese gleichen die aktuellen Werte mit historischen Daten und zusätzlichen Informationen von den Wettersatelliten ab. Und am Ende stehen verlässliche Vorhersagen und Warnungen für die Abnehmer. Sie können neben den Fischern auf dem Viktoriasee auch den Landwirten in der Region zugute kommen. Bisher wissen die Bauern nicht, wann Trockenheit oder Unwetter droht. Deshalb können sie weder die Aussaat noch ihre Ernte auf die Wetterbedingungen abstimmen. Nur eine größere Anzahl an Wetterstationen kann den TAHMO-Initiatoren zufolge zu verlässlicheren Prognosen führen.

Fischer, Kleinbauern und normale Bürger in Uganda, Kenia, Ghana und Sambia sollen noch 2016 anhand kostenloser SMS und gesprochener Nachrichten Schlechtwetterwarnungen auf ihr Handy erhalten. Mikroversicherer für Ernteerträge, Mobilnetzbetreiber, Wetterdienste oder Agrarrohstoff-Börsen müssen dagegen für den Service bezahlen.

"In Ghana planen wir beispielsweise, mit den Kakaofarmern zusammenzu-arbeiten", kündigt van de Giesen an. Im Moment werde das TAHMO-Projekt noch durch Fördergelder finanziert, aber schon in zwei Jahren soll es sich selbst tragen. Dann soll auch die Massenpro-duktion der Wetterstationen starten. Während in diesem Jahr nur rund 130 Anlagen installiert werden, soll sich die Anzahl künftig von Jahr zu Jahr steigern. "Wir hoffen auf 20 000 Stationen im Jahr 2025", so Selker. Dann würde man in Afrika südlich der Sahara alle 30 bis 35 Kilometer eine TAHMO-Station finden. (bsc)

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