PR-Gag: Europäisches Patentamt will Gewerkschaft anerkennen

In einem "historischen" Schritt hat die Führung des Europäischen Patentamts eine Gewerkschaft als Verhandlungspartner akzeptiert. Allerdings vertritt diese gerade einmal ein Prozent der Beschäftigten.

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Europäisches Patentamt in München

Das Europäische Patentamt an seinem Hauptsitz in München. Außenstellen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien.

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Kirsch

In dem andauernden Konflikt der Führung des Europäischen Patentamts (EPO) unter Präsident Benoît Battistelli mit den Beschäftigten will das EPO jetzt einen Durchbruch erzielt haben. In einer Mitteilung verkündet es, in einem "Memorandum of Understanding" (MoU) Gewerkschaften als Verhandlungspartner anzuerkennen. Ein Foto zeigt die EPO-Spitze und Vertreter der Gewerkschaft FFPE-EPO, die das Dokument unterschrieben haben.

Diese Organisation vertritt jedoch nach Ansicht des renommierten Patent-Blogs IPKat nur rund ein Prozent der 7.000 EPO-Beschäftigten, die zudem alle am EPO-Sitz in Den Haag arbeiten. FFPE-EPO war seit seiner Gründung 2008 nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Die wesentlich größere Gewerkschaft SUEPO hat rund 3.400 Mitglieder an allen EPO-Standorten. Sie liegt seit Jahren mit Battistelli im Streit, der Anfang 2016 eskalierte. Der Präsident des EPO feuerte zwei Gewerkschaftsführer und degradierte die SUEPO-Schatzmeisterin. Bei der Auseinandersetzung geht es um die Arbeitsbedingungen sowie um das autoritäre Regime, das Battistelli eingeführt hat. Vorwürfe gegen Mitarbeiter werden von einer internen Behörde untersucht, die keinerlei unabhängiger Kontrolle unterliegt. Auf öffentlich zugänglichen Rechnern im EPO wurden Keylogger installiert, um einem Mitarbeiter auf die Spur zu kommen, der angeblich verleumderisches Material verschickte.

Beschäftigte können nur bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf gegen ihren Arbeitgeber vorgehen, denn das EPO untersteht als zwischenstaatliche Organisation keiner nationalen Gerichtsbarkeit. Die ILO beschwerte sich 2015 denn auch über die andauernde Belastung durch EPO-Fälle: In 37 Jahren seien diesbezüglich 761 Entscheidung zu treffen gewesen – die WHO sei mit ähnlich vielen Mitarbeitern in 66 Jahren nur auf 447 Fälle gekommen.

In dem heise online vorliegenden Memorandum of Understanding ist keine Rede von einem Schutz der Gewerkschaftsführung vor arbeitsrechtlichen Maßnahmen. Den Arbeitnehmervertretern wird die Nutzung des EPO-Intranet zugebilligt, ihre Veröffentlichungen dort müssen "professionell und respektvoll" sein. Wer entscheidet, ob diese Kriterien erfüllt sind, bleibt offen. Pro Jahr darf die Gewerkschaft höchstens zwei E-Mails an alle Beschäftigten versenden. Das MoU sei offen für alle Gewerkschaften – angesichts des Inhalts und der verfahrenen Situation dürfte eine Unterschrift für SUEPO jedoch ausgeschlossen sein.

Möglicherweise verspricht sich Battistelli von seinem PR-Gag eine bessere Position bei dem im März anstehenden Treffen des EPO-Verwaltungsrats (AC). Dieses höchste Entscheidungsgremium ist mit den Vertretern der Länder besetzt, die das EPO tragen, und stand bislang immer hinter Battistelli.

In einem vor kurzem bekannt gewordenen Brief des AC-Vorsitzenden Jesper Kongstad beklagte dieser sich jedoch, mit dem EPO-Präsidenten sei kein Dialog über die erforderliche Verbesserung der Beziehung zu SUEPO möglich. In einem Entwurf für einen AC-Beschluss verlangt Kongstad nun, dass Battistelli die Disziplinarmaßnahmen gegen die SUEPO-Führung bis zur Klärung durch eine externe Untersuchung aussetzt. Außerdem soll er die Regelungen für seine interne Untersuchungskommission und das Disziplinarsystem verändern. (ck)