Glücklich, gut oder nur paranoid? Zum Tode des ehemaligen Intel-Chefs Andy Grove

Im Alter von 79 Jahren ist der ehemalige Intel-Chef Andy Grove am Montag gestorben. Bei Intel war Grove dafür verantwortlich, dass die Firma Mikroprozessoren statt Speicherbausteine entwickelte und die PC-Revolution einsetzen konnte.

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Andrew Grove

(Bild: Intel)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Er entkam den Nationalsozialisten wie den russischen Besatzern, die 1956 den Ungarn-Aufstand niederschlugen. Er besiegte den Krebs, er bekämpfte als Chef von Intel 26 Jahre lang die Konkurrenz unerbittlich und wurde danach zum gefragten Management-Guru. Nun ist der Computer-Pionier Andy Grove im Kreise seiner Familie in Los Altos gestorben. Zuletzt litt er an der Parkinson-Krankheit.

Grove kam als András István Gróf am 2. September 1936 als erster Sohn der jüdischen Kaufmannsfamilie Gróf zu Welt. Vater Georg handelte mit Käsereiprodukten, Mutter Maria besorgte die Buchhaltung der kleinen Firma. Vater Georg wurde von den ungarischen Behörden 1941 in ein Arbeitslager gesteckt, András und seine Mutter mussten sich verstecken, als die deutsche Wehrmacht 1944 Ungarn besetzte.

Der Wiederaufbau der Firma wurde 1956 mit dem Einmarsch der Roten Armee gestoppt, die "jüdischen Kapitalisten" mussten fliehen. Zusammen mit seinem Freund Janoy Lanyi, dem späteren Biophysiker, gelang dem jungen András die Flucht nach Österreich, wo sie vom International Rescue Committee gefunden und nach den USA ausgeflogen wurden. Zeit seines Lebens gehörte Andy Grove zu den wichtigsten Geldgebern dieser Fluchthelfer.

In New York studierte Grove am kostenlosen City College, dem damaligen "Emigranten-Oxford", und schaffte in drei Jahren den Abschluss als Klassenbester. Während des Studiums lernte der Neu-Amerikaner Andrew Stephen Grove einen anderen ungarischen Flüchtling kennen, seine Frau Eva, mit der er 58 Jahre lang verheiratet war. Das junge Paar zog nach Kalifornien, wo Grove in Berkeley an der Universität von Kalifornien chemische Verfahrenstechnik studierte und mit einer Arbeit über Halbleiter als Jahrgangsbester abschloss.

Sowohl die Bell Laboratories wie das damalige Start-Up Fairchild Semiconductor boten ihm eine Stelle an. Grove entschied sich für Fairchild, wo er bald als Assistent des Forschungsdirektors Gordon Moore arbeitete. Als Moore im Jahre 1969 zusammen mit Robert Noyce Fairchild verließ und die Firma Integrated Electronics gründete, war Grove der erste Angestellte des Start-Ups. Unter Moore, dem Chefdenker der Firma, war Grove zunächst für die Chipproduktion verantwortlich, eine Position, die er bis zum Erscheinen des 80386-Prozessors innehatte. 1979 wurde er Geschätsführer von Intel und 1987 löste Grove als CEO seinen Mentor Moore ab.

In den 36 Jahren bei Intel arbeitete Grove stets in einer kleinen Bürokabine und entwickelte einen Arbeitsstil, der ihm den Ttel "härtester Manager Amerikas" einbrachte. Wer unpünktlich oder unvorbereitet vor Grove und seinen drei Sekretärinnen auftauchte, hatte seine Karriere praktisch beendet. "Als ich bei Intel arbeitete, bekam ich erst zu spüren, was Disziplin heißt", erinnerte sich der von der US-Armee zu Intel gekommene spätere Venture-Kapitalist John Doerr über Andy Grove, "er war eigentlich kein harter Hund, aber er kannte Null Toleranz. Er akzeptierte keinen Fehler und keine Entschuldigung."

Unter Groves Führung meisterte Intel manche Krisen und wuchs zum führenden Hersteller in der Mikroelektronik. Die größte Krise überstand Grove im Jahre 1994, als Intel mit dem Pentium einen fehlerhaften Chip produzierte und Grove sich entschied, für 475 Millionen Dollar das teuerste Austauschprogramm der Welt zu starten. Nachdem der Schaden überstanden war, schrieb Grove ein Management-Handbuch mit dem Titel "Only the Paranoid Survive", das bis heute zu den Topsellern dieser Buchgattung gehört.

Im selben Jahr wurde diagnostiziert, dass Grove Prostatakrebs hatte. Der 58-Jährige startete eine Forschungsexpedition. Seine Frau Eva musste alle erreichbaren Fachartikel kopieren, die er abends studierte. Gegen den Rat verschiedener Ärzte setzte Grove auf eine Behandlungsmethode, von der er nach Studium zahlreicher Artikel überzeugt war. "Ich dachte, die Diagnose würde ihn hart treffen, weil er Krankheiten von anderen als Schwächen ansah. Stattdessen brütete er nächtelang über den Artikeln und wer es nicht wusste, sah einen glücklichen Menschen", erinnerte sich seine Frau Eva im Time Magazin.

Diese wählte Grove, der seinen Krebs besiegte, im Jahr 1997 zum "Man of the Year". Ursprünglich sollte Lady Diana den Titel zieren, doch was war ihr unglückliches Schicksal gegen den von Grove angeleiteten Erfolg des Mikrochips, der eine neue Ära begründete? Im Jahre 2000 erhielt Grove die Ehrenmedaille der IEEE, 2004 den Titel des einflussreichsten Managers der letzten 25 Jahre und 2009 wurde er in die kalifornische "Hall of Fame" aufgenommen.

Mit der Krebserkrankung zog sich Grove vom Tagesgeschäft zurück, arbeitete aber bis 2004 als Vorsitzender des Intel-Aufsichtsrats weiter. Er setzte durch, dass Craig Barrett sein Nachfolger wurde. 2006 spendete er seinem ehemaligen College 26 Millionen Dollar, außerdem unterstützte er die Krebsforschung und Forschung rund um die Parkinson-Krankheit. Als begehrter Redner versuchte Grove seine Erkenntnisse zum richtigen Management in zahlreichen Vorträgen weiterzugeben, wobei er den Begriff der "kreativen Konfrontation" für seine unverblümten Unterredungen erfand.

Auch seine Definition der Paranoia gab Grove auf einem dieser Vorträge zum Besten. "Seitdem ich auf meiner Flucht 1956 gerettet wurde, frage ich mich jeden Tag: 'warst du gut genug oder hattest du nur Glück gehabt?' So etwas kann einen schon paranoid machen."

Lesen Sie dazu im c't-Blog:

(anw)