Post aus Japan: Chinas Appetit auf Chips

Der Sanierungsplan des japanischen Technikkonzerns Toshiba hat eine wichtige Botschaft parat: Das Wettrennen im Halbleitergeschäft wird immer teurer. Ein Grund dafür, der sogar Koreas Chipgiganten besorgt, ist China.

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Von
  • Martin Kölling
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Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Technikkonzern zu sein, macht derzeit wenig Spaß. Immer schneller dreht sich das Rad nicht nur bei Innovationen, sondern auch bei den Aufholjagden auf die Pioniere in einem Segment. Wohin man schaut, scheinen neugeschaffene Märkte und Segmente immer schneller von neuen Anbietern überschwemmt zu werden, sobald sie geboomt haben. Damit geraten die Gewinnmargen unter Druck, während gleichzeitig die notwendigen Investitionen in Fabriken steigen. Ein Beispiel dafür dürfte Asiens Chipindustrie werden – wie der Sanierungsplan des japanischen Technikonzerns Toshiba zeigt.

Das Unternehmen wurde durch einen Bilanzskandal tief in die Verlustzone gestoßen. Um sich zu retten, baut der Konzern nicht nur massiv Jobs ab und verscherbelt für rund acht Milliarden Euro Segmente wie seine Medizinanlagen und Haushaltsgeräte. Toshiba geht zudem bei Investitionen in eines seiner Standbeine in die Offensive: NAND-Speicherchips für mobile Geräte.

In den kommenden drei Jahren will das Unternehmen 860 Milliarden Yen, rund sieben Milliarden Euro in neue Produktionsanlagen investieren. Dies sind 25 bis 30 Prozent mehr als in den vergangenen Jahren. Und Toshibas Investitionen sind nur ein Teil der Summe, die notwendig ist, um in dem immer teureren Wettrennen um immer kleinere Chips mitmachen zu können. Industriebeobachter erwarten, dass Toshibas Partner SanDisk noch einmal soviel Geld in die Anlagen investieren wird.

Das Tragische: Mit diesem Kraftakt kaufen sich die Firmen keine Verschnaufpause. Denn die ohnehin sehr zyklische und kapitalintensive Chipherstellung dürfte noch teurer und unlukrativer werden. Denn erstens werden mit immer kleineren Chips die Investitionen in neue Fabriken größer. Zweitens schickt sich der größte Kunde von Halbleitern an, nun auch größter Produzent zu werden: China.

Im März nickte Chinas Volkskongress den 13. Fünf-Jahresplan ab. Ein Teil der Planung ist, Chinas Forschungsausgaben von zuletzt etwa 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 2,5 Prozent zu erhöhen. Und Hauptnutznießer sollen neben Robotics, der Luft- und Raumfahrt auch Chipmaterialien und Chips werden. Denn gerade bei Halbleitern wittern die Chinesen die Chance, den Weltmarkt dominieren zu können.

Und die Ambitionen sind groß: Bereits im Mai 2015 beschloss die Regierung die Strategie "Made in China 2025". Eines ihrer Ziele war, die Selbstversorgung mit Chips bis 2020 auf 40 Prozent und bis 2025 auf 70 Prozent zu erhöhen. Dazu müsste der Weltmarktanteil von Chinas Chipproduzenten dramatisch steigen, laut einem Bericht von McKinsey von zehn auf 46 Prozent.

Ob dieser Plan aufgeht, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch läuten besonders in Südkorea, nach den USA der zweitgrößten Chipherstellernation, die Alarmglocken. Park Sung-wook, Chairman von Koreas Chipherstellervereinigung und vom Chiphersteller SK Hynix, warnte gerade, das Chinas Vorstoß eine "wirkliche Gefahr" darstelle.

Nicht zu unrecht, wie die jüngsten Entwicklungen zeigen. Chinas Regierung ist nicht nur bereit, den Aufbau der heimischen Chipindustrie finanziell massiv zu unterstützten. Sie steht auch auswärtiger Hilfe offen gegenüber.

Taiwans Halbleiterhersteller erleben bereits, dass China Fach- und Führungskräfte abwirbt (wobei die Republik China aus der Sicht der Volksrepublik China China ist). Der zweitgrößte taiwanische Hersteller Silicone Precisionware Industries will sogar eine Partnerschaft mit Chinas Tsinghua Unigroup eingehen. Taiwan Semiconductor Manufacturing erhielt grünes Licht von Taiwans Investitionskommission, eine Chipfabrik in Nanjing zu errichten.

Selbst ein prominenter Japaner hilft China beim Aufbau: Yukio Sakamoto, der frühere Chef des 2013 an Micron Technologies verkauften japanischen Chipkonzerns Elpida, hat die Firma Sino King Technology gegründet. Und die wird für eine Chipfabrik in Hefei Speicherchips entwickeln und die Produktionstechnik liefern.

Dieser staatlich unterstützte Angriff verheißt nichts gutes für die Chipindustrie. Denn es gibt bereits zwei warnende Beispiele, welch ein ruinöser Wettbewerb mit einem Vormarsch chinesischer Firmen einhergeht. Bei Solarzellen zwang der Preiskampf nicht nur Firmen in Deutschland oder anderen Ländern in die Pleite, sondern sogar chinesische Riesen. Nun könnte sich dieses Schicksal bei Smartphones wiederholen. Die Chipindustrie könnte das dritte Beispiel werden. ()