Open-Source-Router Turris Omnia: CZ-NIC-Chef äußert sich zur Auslieferungsverzögerung

Die Produktion des mit Spannung erwarteten Routers verzögert sich unter anderem, weil Zulieferer Vorlaufzeiten ändern. Zu den Besonderheiten des Geräts zählt eine verteilte Firewall, die ungewöhnliche Aktivitäten einem zentralen Server meldet.

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Turris Omnia

(Bild: CZ.NIC)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert
  • Dusan Zivadinovic

Eigentlich sollte der neue Heim-Router Turris Omnia ab April in die Produktion gehen. Doch jetzt mussten die Router-Entwickler, die unter dem Dach der tschechischen Domain-Registrierung CZ.NIC arbeiten, ihre via Crowd-Plattform Indiegogo versammelten Unterstützer vertrösten: Erst ab Juni könne gebaut werden, heisst es jetzt. Dafür, so beschwichtigt CZ.NIC-Chef Ondrej Filip im Interview mit heise-Netze, sollen alle Turris-Router immerhin 8 anstatt der ursprünglich geplanten 4 GByte Flash-Memory auf den Weg bekommen.

Der Turris Omnia ist ein WLAN-Router auf OpenWRT-Grundlage. Er zieht die Aufmerksamkeit mit seinem Open-Source-Konzept auf sich. Zu den Schwerpunkten gehört die Netzwerksicherheit unter Einsatz einer adaptiven, verteilten Firewall, die Anomalien an einen zentralen Server meldet. Der Server kann anhand der Daten neue Firewall-Regeln gegen schädlichen Verkehr entwickeln und verteilen. Der Quelltext der Router-Firmware steht zur Einsicht bereit. So will CZ.NIC Befürchtungen wegen Verletzungen der Privatsphäre kontern. Ungewöhnlich für einen Router ist auch sein Virtualisierungsserver, auf dem man individuelle Software laufen lassen kann, ohne die Kernfunktion des Routers zu gefährden.

heise Netze: Herr Filip, bis Mitte Januar, als die Crowdsourcing-Kampagne auf der Indigogo-Plattform endete, konnten die Initiatoren 858.000 US-Dollar sammeln. Inzwischen ist die Summe sogar auf über eine Million Dollar gestiegen, und um so mehr Nutzer sind nun enttäuscht über die Auslieferungsverzögerung des Turris-Routers. Warum dauert es denn länger als geplant?

Ondrej Filip: Der Router wird aus 800 Einzelkomponenten und 100 verschiedenen Komponententypen zusammengebaut. Wir haben es einfach nicht geschafft, alle zur selben Zeit zu bekommen. Einige haben einfach längere Vorlaufzeiten. Unser Worst Case Szenario ist derzeit, dass wir im Juni soweit sein werden. Unser Team arbeitet aber hart daran, doch noch etwas früher starten zu können.

heise Netze: Das heißt, dass die Nutzer im Juni die Päckchen mit ihren Turris-Routern bekommen?

Ondrej Filip: Genau gesagt, starten wir im Juni mit dem Zusammenbau. Unser tschechischer Hersteller, Wendell Electronics in Lanškroun, hat zugesagt, ungefähr fünfhundert Stück pro Woche zu produzieren. Das bedeutet, dass wir nicht alle im Juni ausliefern können.

heise Netze: Ist das Turris-Projekt Opfer des eigenen Erfolgs durch die große Nachfrage in der Crowdsourcing-Kampagne? Oder wäre das Lieferproblem mit den Komponenten ohnehin entstanden?

Ondrej Filip: Die große Nachfrage spielt schon eine Rolle. Kleinere Stückzahlen von Komponenten sind, zumindestens in manchen Fällen, schon mal schneller zu haben. Wir haben uns natürlich auch Zeit genommen, die besten Produzenten zu finden, aber wir haben schon vor Ende der Kampagne
angefangen, das Material zu bestellen. Wir hatten aber auch ein paar Fälle, dass Hersteller im Januar andere Vorlaufzeiten genannt haben als noch im Dezember. Das ändert sich übrigens auch immer noch
und das ist für uns manchmal auch frustrierend, aber eben die Realität.

heise Netze: Viele Nutzer waren enttäuscht über die Verzögerung...

Ondrej Filip: Ich war eigentlich positiv überrascht, denn viele haben sich auch dahingehend geäußert, dass sie die Wartezeit in Kauf nehmen, wenn die Qualität dann stimmt. Wie gesagt, wir arbeiten hart an der Fertigstellung der Router. Dabei gibt es immer mal wieder unerwartete Probleme zu lösen, zum Beispiel, dass wir die via PayPal eingesammelten US-Dollar nur als tschechische Kronen auf unser Konto erhalten können.

Andererseits müssen wir aber Komponenten mit US-Dollar einkaufen, was einen doppelten Umtausch des Geldes erfordert. Um das zu vermeiden, versuchen wir nun, ein US-Konto einzurichten. Das ist aber in Zeiten von Anti-Terror-Gesetzen auch im Finanzbereich nicht gerade leicht.

heise Netze: Werden trotzdem weiterhin Bestellungen angenommen?

Ondrej Filip: Ja. Wir sind in der sogenannten „Demand Phase“ und wir werden Bestellungen wohl noch bis kurz vor dem Start der Produktion entgegennehmen. Dann ist erst mal Schluss und im nächsten Schritt hoffen wir, dass der Router normal in Serie produziert werden kann. Deutschland ist dabei neben der Tschechischen Republik unser zweitwichtigster Markt. Wir wären froh, wenn wir dort auch noch einen oder mehrere Distributoren finden. Bei uns haben wir schon einen großen Vertrieb gefunden, der alles koordiniert, und mehrere kleinere. Vertrieb ist nicht unser Geschäft.

heise Netze: Was sind die nächsten Schritte fürs Turris-Projekt?

Ondrej Filip: Wir arbeiten parallel an einer weiteren Version des Routers. Er bekommt zusätzliche Anschlüsse über eine Double-PCI-SATA-Karte. Deshalb wird diese Version ein wenig größer.

heise Netze: Können sich diejenigen, die schon einen Router bestellt haben, noch für die neuere Version entscheiden?

Ondrej Filip: Ja, das können sie noch tun. Wir haben dann parallel drei Versionen. Die jetztige Version, die neue, etwas größere und schließlich noch die Hackerversion.


[Update]: 6.4.2016, 11:25 Uhr: Flash-Speichereinheit korrigiert

(dz)