Chinesen versuchen sich an HIV-geschützten Embryos

Aus China wird ein weiterer kontroverser Versuch gemeldet, in das Erbgut von Menschen einzugreifen: Forscher der Guangzhou University wollten das Genom von Embryos so verändern, dass sie immun gegen HIV-Infektionen sind.

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Von
  • Antonio Regalado
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Chinesische Reproduktionsmediziner haben versucht, gegen HIV geschützte menschliche Embryos zu produzieren, was ihnen jedoch nicht gelungen ist. Dies ist der zweite Fall, in dem chinesische Forscher berichten, dass sie sich an genetisch modifizierten menschlichen Embryos versucht haben.

Die kontroversen Experimente sollen letztlich die Frage klären, ob es möglich ist, Super-Menschen zu schaffen, bei denen Erbkrankheiten wegentwickelt wurden oder die immun gegen bestimmte Krankheiten sind. "Es ist absehbar, dass sich genetisch modifizierte Menschen generieren lassen", sagt Yong Fan, Forscher an der Guangzhou Medical University, dessen Team die neuen Experimente vorgenommen hat.

Fans Team sammelte mehr als 200 Embryos im Einzell-Stadium und versuchte, in ihre DNA ein Gen einzufügen, das vor HIV-Infektionen schützt. Die Anfang April in einer wenig bekannten Fachzeitschrift für Reproduktionsmedizin veröffentlichte Studie wurde als Erstes von Reportern bei Nature entdeckt.

Wie die Wissenschaftler einschränken, sind sie der Meinung, dass die tatsächliche Produktion von genetisch veränderten Babys "streng verboten" sein sollte – aber vielleicht nur so lange, bis die Technologie dafür perfektioniert ist. "Wir halten es für erforderlich, die Technologien für präzise genetische Modifikationen bei Menschen weiter zu entwickeln und zu verbessern", schreiben sie. Denn Genveränderungen könnten "Lösungen für Erbkrankheiten" und weitere Fortschritte für die menschliche Gesundheit bringen.

Bei ihren Versuchen editierten die Chinesen ein Gen namens CCR5. Manche Menschen besitzen spezielle Versionen dieses Gens, die sie immun gegen das Virus als Auslöser der Immunschwächekrankheit AIDS macht: Sie produzieren ein Protein nicht, das von HIV benötigt wird, um in Immunzellen einzudringen und sie zu übernehmen.

Ärzte in Berlin haben diesen Effekt auf beeindruckende Weise demonstriert: Sie gaben einem HIV-Patienten eine Knochenmarktransplantation von einer Person mit der schützenden Genmutation. Dadurch wurde der Mann – bekannt als der "Berliner Patient" – tatsächlich von HIV befreit.

Mit der Gen-Editiermethode CRISPR versuchten Fan und sein Team jetzt, die DNA der Embryos so zu verändern, dass sie die schützende Variante des CCR5-Gens enthält. Damit wollten sie zeigen, dass sie prinzipiell in der Lage wären, vor HIV geschützte Menschen zu schaffen.

Fast genau vor einem Jahr hatte es eine Weltpremiere bei derartigen Bemühungen gegeben: Eine andere Gruppe von der Guangzhou University berichtete, sie habe Embryos genetisch verändert, um einen Gendefekt zu reparieren, der zu der Blutkrankheit Beta-Thalassämie führt.

Dies war der Auslöser für eine Ethik-Debatte. Jeder Versuch zur Erschaffung von genmodifizierten Babys sei "unverantwortlich", erklärte im vergangenen Dezember die U.S. National Academy of Sciences, unterstützt von führenden Wissenschaftlern aus Großbritannien und teils auch aus China. Diese Botschaft schien in vielerlei Hinsicht vor allem an Reproduktionsmediziner in China gerichtet gewesen zu sein. In diesem Februar ging ein führender US-Beamter sogar noch weiter: Er bezeichnete Genmodifikationen als "Massenvernichtungswaffe" und verwies dabei explizit auf die Versuche in China.

Eines Tages könnte es trotzdem zur Realität werden, Menschen mit schützenden Gen-Varianten auszustatten. Das wäre ähnlich wie mit Impfstoffen, nur dass die von Geburt an im Körper einer Person wären. Und neben Schutz vor HIV gibt es eine lange Liste von Genen, die Eltern für ihre Kinder verlangen könnten. Eine bestimmte DNA-Veränderung zum Beispiel scheint Alzheimer vollständig zu verhindern, eine andere führt zu einer Verdoppelung der Muskelmasse.

Doch der Weg dahin ist noch weit, und die Experimente von Fans Team sind nach seinen Angaben weitestgehend gescheitert. Das Editieren gelang nur bei einer Handvoll Embryos, und selbst daraus wurden letztlich "Mosaike", also Mischungen aus Zellen, bei denen einige das neue Gen hatten und andere nicht.

(sma)