Kann ich Ihnen helfen?

Digitale Assistenten breiten sich aus: Sie werden nicht nur immer klüger, Google, Facebook und Microsoft bekommen zudem Konkurrenz von einigen Start-ups.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Boris Hänßler

Digitale Assistenten wie Google Now, Cortana oder Siri leisten schon heute Beachtliches: Wir können uns bei ihnen nach dem Wetter oder nach dem nächsten Steakhouse erkundigen; sie verwalten unsere Termine oder spielen auf Zuruf unsere Lieblingslieder ab. Laut den Marktforschern von Gartner sollen Ende dieses Jahres zwei Drittel aller Smartphone-User in den Industrieländern täglich digitale Assistenten nutzen.

Aber der Service hat Grenzen: Bei Aufgaben ohne vorgefertigte Lösungen sind die Assistenten hilflos. Meist geben sie die Anfrage dann einfach an eine Suchmaschine weiter. Facebook will mit "M" nun einen weitaus flexibleren Helfer schaffen. Dahinter steckt ein künstliches neuronales Netzwerk, das wie unser Gehirn durch Erfahrungen lernt, indem es die Stärke der Neuronenverbindungen laufend neu gewichtet.

Wird eine Anfrage zufriedenstellend beantwortet, stärkt das die entsprechenden Verbindungen im künstlichen Gehirn. Man kann das mit dem Erlernen einer Fußballtechnik vergleichen: Hat ein Spieler den Ball gut getroffen, versucht er den Schuss zu wiederholen – mit kleinen Anpassungen, bis er immer besser gelingt.

M wird zunächst im kleinen Kreis in den USA getestet. Ausgewählte Messenger-Nutzer können den Assistenten bitten, was sie möchten – sei es Blumen verschicken, einen Tisch reservieren oder einen Flug buchen. Hat M keine Lösung parat, geht die Anfrage an einen Facebook-Mitarbeiter. Alle Maßnahmen, die dieser ergreift – welche Webseiten er besucht, was er mit wem kommuniziert –, fließen in eine Datenbank ein.

Ist diese groß genug, soll M daraus selbstständig Lösungen generieren. Erste Tests zeigen vielversprechende Ergebnisse: M versteht bereits einfache Texte inhaltlich – eine gute Voraussetzung, um zum Beispiel aus Chats die Bedürfnisse der Nutzer abzuleiten. Allerdings beklagen sich einige der frühen M-Nutzer, dass die Antwort der Facebook-Mitarbeiter zu lange auf sich warten lasse.

Ein weiteres Problem: Facebook weiß nicht, ob sich das Prinzip auf alle der derzeit mehr als 600 Millionen Messenger-Nutzer ausweiten lässt. Die Entwickler gehen davon aus, dass die Zahl der Betreuer bei Facebook mit den M-Usern wachsen muss – und dass Mitarbeiter über Jahre hinweg die Entscheidungen des digitalen Assistenten überwachen und gegebenenfalls beeinflussen müssen. Bis dahin könnte Google seinen Assistenten "Google Now" mit dem eigenen neuronalen Netzwerk "Deep Mind" verschmolzen und vielleicht eine schnellere Lösung gefunden haben.

Auch die herkömmlichen Assistenten werden künftig schrittweise neue Bereiche erobern und neue Funktionen hinzugewinnen. Bei Google Now können deutsche User inzwischen das neue Feature "Now on Tap" nutzen, das im englischsprachigen Raum bereits eng mit Android verbunden ist. Ein langer Druck auf den Home-Button ruft den Assistenten innerhalb von Apps auf. Er scannt dann den aktuellen Bildschirminhalt und liefert passende Infos.

Schaut man sich gerade einen Filmtrailer an, liefert "Now on Tap" etwa die Namen der Hauptdarsteller. Außerdem kann der Nutzer per Sprache Fragen stellen – zum Beispiel, wer das Buch zum Film geschrieben hat. Und wer sich in einem Chat zum Essen verabredet, dem liefert "Now on Tap" Restaurantvorschläge mit Routenbeschreibung.

Microsofts Cortana-Team arbeitet sogar an automatischen Restaurant-Reservierungen – doch dieses Projekt steckt in den Kinderschuhen. Konkreter ist hingegen der Plan, Cortana auf andere Plattformen auszuweiten: Voraussichtlich diesen Sommer, mit dem Windows 10 Anniversary Update, soll sie auf der Xbox laufen und sich dann per Headset ansprechen lassen. Auch Apples Siri macht sich auf weiteren Geräten breit. So lässt sich etwa per Sprachbefehl über die neue Funktion "Live tune-in" auf dem Apple TV zwischen verschiedenen Sendern mit Live-Fernsehangebot wechseln. Außerdem soll Siri künftig per "iCloud Voicemail" Sprachnachrichten annehmen und als Text weiterleiten. Siri informiert auf Wunsch sogar die Anrufenden, wo der Empfänger gerade ist und warum er nicht abgenommen hat.

Dass digitale Assistenten nicht allein Sache der großen Technikkonzerne sind, zeigt das Start-up Cubic mit Standorten in den USA, Russland und Shanghai. Es plant, einen eigenen digitalen Assistenten auf den Markt bringen. Es basiert auf dem "Home Cube", einem kleinen Kasten, der eigentlich für die Steuerung eines Smart Homes entwickelt wurde.

Neben Licht und Heizung soll er künftig auch in anderen Lebensbereichen helfen. Zum Aktivieren tätschelt der Nutzer ihn mit der Hand. Dann kann er ihm beispielsweise die Haushaltseinnahmen und -ausgaben diktieren und ihn fragen: "Kann ich mir diesen Monat noch einen Restaurantbesuch leisten?" Eine Besonderheit: Gespräche, die man mit dem Kasten begonnen hat, lassen sich mit anderen Geräten wie dem Smartphone fortsetzen.

Ein ähnlich ambitioniertes Projekt ist Braina – ein Assistent für Windows-PCs. Er ist auch über eine Android-App ansprechbar, wenn Smartphone und PC per WLAN angebunden sind. Über diese App kann der Nutzer dem PC Texte diktieren, Songs abspielen lassen, Dateien suchen oder sich E-Books vorlesen lassen. Über die Pläne des Unternehmens sagt ein Sprecher: "Wir geben Braina kognitive Fähigkeiten, sodass wir nicht wie die Konkurrenz auf vorprogrammierte Antworten angewiesen sind."

Konkret bedeutet das: Braina lässt sich per Textdatei mit Informationen füttern und merkt sich nicht nur deren Inhalt, sondern versteht auch die Zusammenhänge. Aus Sätzen wie "Angela Merkel ist Bundeskanzlerin" und "Angela Merkel ist CDU-Vorsitzende" kann die Software die Frage "In welcher Partei ist die Bundeskanzlerin?" korrekt beantworten. Das Unternehmen entwickelt zudem eine Bildverarbeitung, die Gefühle des Users per Kamera auslesen soll. Die Entwickler möchten damit Braina zu einem Betriebssystem für Roboter ausbauen. (bsc)