re:publica: Facebook Free Basics als Hort des Überwachungskapitalismus

Der Free-Software-Aktivist Eben Moglen hat auf der re:publica für ein anonymes und verschlüsseltes Internet auf Basis freier Infrastrukturen geworben, um die privat-staatliche Massenüberwachung zu erschweren.

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Eben Moglen, Mishi Choudhary

Eben Moglen und seine Kollegin Mishi Choudhary vom Software Freedom Law Center

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Lesezeit: 3 Min.

Eben Moglen, Gründer des Software Freedom Law Center, hat Facebooks umstrittenes kostenloses Internetangebot Free Basics als Sinnbild für das Grundübel der digitalen Wirtschaft ausgemacht. Der kalifornische Konzern übernehme dabei die Zugangsgebühren zu einem eingeschränkten Netz im Gegenzug für eine Komplettüberwachung der Nutzer, monierte der US-Amerikaner am Montag auf der re:publica in Berlin.

Bei dem Dienst gehe es nur darum, das Verhalten der Mitglieder vorherzusagen und darauf basierend Anzeigen zu verkaufen, führte Moglen aus. Generell stellten soziale Medien vor allem auf Neid und Selbstpromotion ab, da die Schau der tollsten Urlaube, Einkäufe oder Essen im Vordergrund stehe. Dies führe bei anderen Mitgliedern zu Ärger und mache sie anfällig für passende Werbeeinblendungen. Mit Free Basics, das die indische Regulierungsbehörde im Februar faktisch untersagt hat, sollten jetzt noch die Ärmsten der Armen einen "Discount" erhalten, um ausgeforscht zu werden.

Prinzipiell sei Facebook damit in schlechter Gesellschaft, konstatierte der Rechtsexperte. Der Überwachungskapitalismus sei auch bei Google und anderen Internetplattformen weit verbreitet und gebe dem Staat "so günstig wie nie die Möglichkeit für Totalitarismus in die Hand". Die Geheimdienste seien längst in das "Data-Mining-Tracking-Netz" der Online-Größen eingezogen, wie die Snowden-Enthüllungen gezeigt hätten. Dass die Überwachungstechniken nun öffentlich bekannt seien, habe auf Seite der staatlichen Agenten nur dazu geführt, die Spirale weiter nach oben zu drehen und mehr oder weniger unverhüllt eine Echtzeitüberwachung und Abbilder der gesamten Bevölkerung in Form "sozialer Graphen" zu fordern.

Wie der Aktivist für freie Software schon 2012 in seinem Vortrag auf der re:publica durchblicken ließ, besteht für ihn der Ausweg nur in einem von Grund auf anonym gehaltenen Internet, in dem möglichst viele Daten verschlüsselt werden. Um die Privatheit im digitalen Zeitalter zu retten, sei es überfällig, die Zugangsanbieter mit Lösungen wie der "Freedom Box" wieder zu reinen Verkäufern von Transportdiensten zu machen, die auch mithilfe von Techniken wie Deep Packet Inspection ihre Kunden nicht weiter ausspähen könnten.

Die Zeit dränge, um die Gedankenfreiheit und den Datenschutz zu bewahren, warnte Moglen. Die aktuelle Generation sei die letzte, in der die Menschheit noch eine Wahl habe, um sich der Herrschaft der Algorithmen und Maschinen entgegenzustellen. Die Jugend müsse mithilfe von freiem Code, günstiger freier Hardware und freier Bandbreite den Datenversand mit voreingestellter Privatsphäre und Anonymität zum Laufen bringen. Es sei wichtig, hier "Fakten mit Technik zu schaffen", da "wir nicht auf die Politik und das Recht warten können".

Argumente, dass sich auch Terroristen oder andere Straftäter das abgesicherte Netz zu eigen machen könnten, ließ der Jurist nicht gelten. Es sei unerlässlich, die Technik so zu programmieren, dass sie die Nutzer zunächst "vor den größten Gegnern" schützen könne. Die großen privaten und staatlichen Überwacher dürften nicht unkontrolliert bleiben. Erst im zweiten Schritt sei es wichtig, auch gegen "kleinere Kriminelle" vorzugehen. (axk)