Ex-Verfassungsschutzchef: Glasfaseroperation Eikonal "hat mit Spionage nichts zu tun"

Im NSA-Untersuchungsausschuss musste sich am Donnerstag auch der frühere oberste Staatsschützer Heinz Fromm zu heiklen Themen wie Netzüberwachung in Frankfurt, Beihilfe zum US-Drohnenkrieg, Schwächen bei der Spionageabwehr und XKeyscore äußern.

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Bundestag

(Bild: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann / NSA)

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Heinz Fromm, Ex-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), hat erklärt, der Inlandsgeheimdienst sei nicht zuständig für das umstrittene Projekt Eikonal. Mit dem ging der Bundesnachrichtendienst (BND) an einen Netzknoten der Deutschen Telekom in Frankfurt heran und leitete dort abgefischte Daten an die NSA weiter. "Wenn ein ausländischer Dienst hier tätig wird und eine deutsche Behörde ist beteiligt, dann hat das mit Spionage nichts zu tun", befand der 67-Jährige am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

"Sie hatten konkrete Hinweise, dass es Probleme mit der Kooperation gab", warf der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, dem Juristen vor. "Sie sind zur Spionageabwehr verpflichtet." Wenn der BND von Deutschland aus internationale Telekommunikation erfasse, "ist das im Rahmen der Aufgabenstellung", entgegnete Fromm. Das Anzapfen der Glasfaser sei im Prinzip nichts anderes als Satellitenaufklärung, obwohl dabei auch deutsche Strecken erfasst werden können.

Fromm räumte ein, dass der Inlandsgeheimdienst nichts unternommen habe um die Frage zu klären, ob Handydaten zur Ortung und in Folge für Drohnenangriffe genutzt werden könnten. Dabei habe es sich zwar nicht um eine "läppische" Angelegenheit gehandelt, "in meinem Haus" sei aber auch "nichts soweit getan worden", was den Sachverhalt ausgelotet hätte.

Da auch mehrere Deutsche Opfer von US-Drohnenangriffen geworden und zuvor BfV-Informationen zu ihnen in die USA geflossen seien, habe es da nicht eine Aufklärungspflicht gegeben, bohrte von Notz nach. Ihn verwunderte, "dass niemand Gutachten in Auftrag gegeben oder Experten befragt hat". Fromm wollte sich aus der damaligen Ansicht des Hauses aber keinen Vorwurf im Nachhinein konstruieren lassen. Ihm sei immer wieder gesagt worden, "dass sich Handynummern nicht zur exakten Ortung" von Personen eigneten.

An der Praxis der Datenweitergabe an US-Geheimdienste wie die CIA oder die NSA habe er während seiner Amtszeit bis 2012 auch nichts geändert, erklärte Fromm. Das Bundesinnenministerium hatte im November 2010 verfügt, dass der Verfassungsschutz keine Informationen übermitteln dürfe, mit denen Personen "unmittelbar" geografisch lokalisiert werden könnten. Diese Ansage sei "nichts Neues" gewesen. Sie sei vor allem auf GPS-Daten bezogen worden. Die Behörde sei davon ausgegangen, dass etwa auch Angaben zu wiederholten Aufenthalten von Gefährdern in einem Internet-Café oder IMEI-Handyseriennummern nicht betroffen seien. Für alles andere "reicht meine Fantasie nicht aus". Andernfalls dürften nicht einmal Namen transferiert werden.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die Datenweitergabe sollte eigentlich in jedem Fall auch mit der Auflage verbunden sein, dass die Informationen ausschließlich für nachrichtendienstliche Zwecke zur Abwehr terroristischer Gefahren genutzt, also nicht "exekutiv" verwendet werden dürften. Fromm musste aber eingestehen, dass eine Liste 2010 in Washington an Partner ausgehändigt wurde, ohne dass die Gegenseite den Eingang des "Disclaimers" bestätigt habe. "Es ist ein Fehler gemacht worden", monierte Fromm, "möglicherweise auch bei der Kontrolle". Es habe sich um einen "Weisungsverstoß" gehandelt, der aber wohl folgenlos blieb.

Das um die Jahrtausendwende verstärkt in den öffentlichen Blick geratene Überwachungsnetzwerk Echelon der Five-Eyes-Staaten (USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland) war für Fromm "kein Thema für die deutsche Spionageabwehr". Es sei zwar diskutiert worden, aber es sei schließlich nur um "die Aufklärung des Satellitenfunkverkehrs" gegangen. Das sei "aus Laiensicht mit den Snowden-Enthüllungen eher nicht zu vergleichen" gewesen.

Um die "Kommunikationsüberwachung aus Botschaften" vor allem in der Hauptstadt hätten sich die Staatsschützer dagegen gekümmert, unterstrich der Rechtsexperte: "Es war Allgemeingut, dass der offene Mobilfunkverkehr in Berlin-Mitte zur Kenntnis genommen wird." Genauso klar sei aber auch gewesen, dass ein "Nachweis solcher Praktiken" auch mit den durchgeführten Routineüberflügen nicht möglich sein würde. Trotzdem sei es dem BfV vor allem darum gegangen, Behörden und die Öffentlichkeit für die Abhörgefahr zu sensibilisieren. Das Amt sei damit bei den politischen Entscheidungsträgern aber nicht immer gehört worden, die Mittel seien sehr beschränkt gewesen.

"Hohe Priorität" hatte es beim Verfassungsschutz laut dem früheren Behördenchef, die umstrittene Analysesoftware XKeyscore der NSA in einem abgeschirmten Bereich zum Laufen zu bringen. Die eigene, rund 45 Millionen Euro teure Überwachungsanlage Perseus sei zwar seit 2010 verfügbar, aber schon damals "den Anforderungen der Entwicklung der Kommunikation im Internet nicht mehr vollständig gewachsen" gewesen. So habe sie etwa Dienste für Sofortnachrichten wie WhatsApp nicht erkennen und die ausgeleiteten Datenmengen nicht vollständig "sortieren" können.

Das über den BND vermittelte Angebot der NSA, das mächtigere XKeyscore einzusetzen, war dem Zeugen zufolge daher "willkommen". Er habe dieses "nicht kritisch" gesehen, sich "bessere Ergebnisse" davon versprochen. "Technik gegen Information", habe der Deal gelautet. Es seien aber "einige Fragen zu klären" gewesen, darunter: "Wie sichern wir dieses Teil nach außen ab." Es sei schließlich zu befürchten gewesen, "dass die Amerikaner irgendwas eingebaut haben könnten".

Schon die Vorbereitungen für den Test hätten daher "gedauert", erinnerte sich Fromm: "Die IT-Sicherheit war sehr, sehr streng immer." Niemand sei die Idee gekommen, die Maschine einfach so "anzuschmeißen". 2012 habe er einen Haken unter eine Entscheidungsvorlage für den Probewirkbetrieb gemacht. Einen Zeitplan für das weitere Vorgehen habe es nicht gegeben. Bis heute hat die Behörde das Werkzeug nicht in den normalen Betrieb genommen. Dies könnte laut dem Zeugen auch daran liegen, dass das Amt inzwischen "vielleicht bessere eigene Produkte" besitze. (mho)