Wissen für alle

Bisher war der Zugang zu den in renommierten Fachzeitschriften veröffentlichten Artikeln oft von einer Paywall verstellt. Jetzt fordern die EU-Minister bis 2020 einen "Open Access" für öffentlich finanzierte Forschung.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Das Internet hat viele Lebensbereiche massiv umgekrempelt – das gilt nicht zuletzt für den Informationssektor. Auch an der Wissenschaft ist die digitale Revolution nicht spurlos vorbeigegangen: Daher ist es nur konsequent, künftig bei der Veröffentlichung von Studien und Forschungsergebnissen auf diesen Wandel zu reagieren.

"Open Access" ist das Schlagwort, auf das alles hinausläuft. Doch fällt es nicht nur den Wissenschaftsverlagen schwer, diese Veränderungen zu akzeptieren: Sie müssten ihr Geschäftsmodell ändern, wenn sie ihre Publikationen nicht mehr über die relativ teuren Abonnements für wissenschaftliche und universitäre Einrichtungen finanzieren können. Eine – teilweise bereits praktizierte – Alternative wäre es, Gebühren für die Veröffentlichung selbst zu nehmen. Andererseits fällt es jedoch auch den Forschern schwer, sich von den althergebrachten Traditionen zu lösen. Für sie ist es eine Frage des Renommees, die Resultate ihrer Arbeit in einer der angesehenen Zeitschriften unterzubringen.

Vorstöße, Open Access zu installieren und die Forschung zu demokratisieren, gab es bereits in der Vergangenheit: zum Beispiel die umstrittene Online-Plattform Sci-Hub der kasachischen Neurowissenschaftlerin Alexandra Elbakyan, die an sich gesperrte Publikationen millionenfach zugänglich macht. Oder das Schweizer Projekt Science Matters, das ebenfalls mit dem offenen Konzept arbeitet.

Um die Sache mit dem Open Access aber nun endgültig ins Rollen zu bringen, haben die zuständigen EU-Minister beim "Rat für Wettbewerbsfähigkeit" Ende Mai in Brüssel beschlossen, dass von 2020 an "alle wissenschaftlichen Publikationen zu Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschungsarbeiten frei zugänglich sein" sollen. Gefordert wird darüber hinaus ein Umdenken auf vielen Ebenen: raus aus dem Elfenbeinturm, wo der Fokus auf den eigenen Publikationen und den Reaktionen der Forschungsgemeinde liegt, hin zu einem gesellschaftlichen Auftrag.

Für die öffentliche, allgemein zugängliche Bereitstellung von Forschungsarbeiten – denkbar wäre zum Beispiel nach einem gewissen Zeitraum – spräche nicht zuletzt die Tatsache, dass Wissenschaft vielfach bereits durch staatliche Gelder finanziert wurde. Nach dem bisherigen Modell müssen die entsprechenden Institutionen sie über die Abos ein zweites Mal bezahlen. Außerdem hätten viele Menschen, die nicht unmittelbar zum universitären Umfeld oder zu Forschungsinstituten zählen, wie praktizierende Mediziner, Lehrer, Unternehmer oder auch interessierte Laien die Gelegenheit, an den wissenschaftlichen Prozessen teilzunehmen.

Parallel dazu installierte die EU jetzt die "European Open Science Cloud", die den 1,7 Millionen europäischen Wissenschaftlern und 70 Millionen Berufstätigen der Forschungsbranche eine virtuelle Plattform schafft, um ihre Daten über die Grenzen hinweg aufzubewahren und zu teilen. Ein Ziel, das auch die deutsche Helmholtz-Gemeinschaft mit ihren mehr als 30.000 Forschern, bereits anvisiert. Daneben verfolgt sie seit diesem Jahr ihre eigene Open-Access-Richtlinie, die vorsieht, dass Publikationen in den Naturwissenschaften spätestens nach sechs Monaten und in den Geistes- und Sozialwissenschaften spätestens nach zwölf Monaten kostenfrei zugänglich gemacht werden sollen. Der Weg ist also vorgezeichnet: Jetzt kommt es darauf an, dass entsprechend viele andere folgen. (inwu)