Der automatische Therapeut: Roboter in der Autismus-Therapie

Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen können mittels Robotern in ihrer mentalen Entwicklung unterstützt werden – Beziehungen zu Dingen können ihnen leichter fallen. Für therapeutische Gespräche lassen sich Roboter als Zwischeninstanz auch einsetzen.

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RO-MAN 2016: Roboter in der Autismus-Therapie

Teo soll ein Roboter zum Knuddeln und Knutschen sein

(Bild: Polisocial Krog)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Angesichts der heute noch recht beschränkten kognitiven Fähigkeiten von Robotern kann es zunächst überraschen, dass ausgerechnet diese tumben Maschinen Menschen bei der mentalen Entwicklung unterstützen sollen. Tatsächlich ist aber genau das ein sehr dynamisches Forschungsfeld, wie in mehreren Vorträgen bei der Konferenz RO-MAN 2016 deutlich wurde, die gegenwärtig in New York stattfindet.

Im Mittelpunkt stand dabei der Einsatz von Robotern für die Therapie von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Dieser Ansatz baut darauf auf, dass autistische Kinder häufig leichter Beziehungen zu Dingen aufbauen können als zu Menschen. Mehrere Roboter wurden speziell für die Therapie entwickelt, etwa der preisgekrönte japanische Roboter Keepon oder die Roboterrobbe Paro, die bei der Pflege dementer Personen helfen soll. All diese Roboter hätten aber ihre Grenzen, erklärten Andrea Bonarini und Mirko Gelsomini vom Politecnico di Milano. Manche seien zu hart, sodass man sie nicht ohne weiteres in den Arm nehmen mag, andere hätten zu beschränkte Bewegungsmöglichkeiten. Das war für sie die Motivation, einen mobilen Roboter zum Knutschen zu entwickeln: Teo.

Die Roboterrobbe Paro wird unter anderem bei Demenzerkrankten eingesetzt

(Bild: Paro Robotics)

Der 60 Zentimeter große, wie eine Cartoonfigur gestaltete Roboter, ist weich und nachgiebig. Drucksensoren im Innern registrieren Berührungen, sodass Teo angemessen reagieren kann, je nachdem, ob er zärtlich umarmt oder geknufft wird. Das Design sei in enger Zusammenarbeit mit Therapeuten entwickelt worden, sagten Bonarini und Gelsomini. Erste Tests hätten gezeigt, dass kommunikative, emotionale und kreative Kompetenzen von autistischen Kindern im Spiel mit Teo gefördert würden. Allerdings sei die Zahl der Versuchspersonen noch zu gering, um belastbare Aussagen treffen zu können.

Das galt auch für die anderen Projekte, die bei der RO-MAN 2016 präsentiert wurden. Gleichwohl sind die Erfolge im Einzelfall durchaus bemerkenswert. So berichtete Jiro Shimaya von der Osaka University von Versuchen, bei denen der Therapeut über einen Nao-Roboter mit dem Kind kommunizierte. Dafür gab er den Text über eine Tastatur ein, der dann vom Roboter gesprochen wurde. Ein 15-jähriges Mädchen, das sich extrem aggressiv gegenüber einer Mitschülerin verhalten hatte, habe auf diese Weise 30 Minuten über ihre Probleme gesprochen, während sie das direkte Gespräch mit dem Therapeuten nicht länger als zehn Minuten durchgehalten hätte. Zudem habe sie ihre Aggressivität gegenüber der Rivalin vorübergehend reduziert und sogar mit ihr gesprochen.

Nao scheint ein Alleskönner zu sein. Hier sieht man ihn in einem Center der "Autistes sans Frontière".

(Bild: Softbank Robotics)

In einem anderen Fall habe ein 18-jähriges Mädchen ihre Gefühle zunächst dem Roboter gegenüber zum Ausdruck gebracht und konnte danach auch mit dem Therapeuten direkt darüber sprechen. Da, so Shimaya, könne es eine Rolle gespielt haben, dass der Therapeut sich bereits während der Kommunikation mit dem Roboter im gleichen Raum befunden habe.

Therapieroboter müssen nicht unbedingt humanoide Gestalt oder Ähnlichkeit mit anderen Lebewesen haben. Eleuda Nuñez (Tsukuba University) stellte Cololo vor, einen mit LEDs und Vibratoren ausgestatteten Ball, der Kindern helfen soll, den Sprecherwechsel in der Kommunikation mit einem anderen Menschen zu lernen. Bei Experimenten zur Förderung der geteilten Aufmerksamkeit, von denen Pauline Chevalier (ENSTA-Paris) berichtete, kam dagegen wieder ein Nao zum Einsatz: Der Roboter spielte mit einem Kind ein Kartenspiel, bei dem es darum ging, zu erkennen, wann ein Bild auf einem seitlich angebrachten Monitor mit dem Bild auf einer Spielkarte übereinstimmte. Auch hier sind die bisherigen Ergebnisse vielversprechend, aber noch nicht statistisch belastbar.

Die Erhebung quantitativer Daten soll ein Forschungsprojekt an der University of Tsukuba erleichtern, das Masakazu Hirokawa vorstellte. Hier ging es darum, die Koordination von Lächeln und Augenkontakt autistischer Kinder zu erfassen, die sich dabei in einer möglichst natürlichen Umgebung bewegen sollten. Sie spielten dafür mit einem Nao-Roboter, der von einem Nebenraum aus ferngesteuert wurde und dessen Kamera die Blickrichtung des Kindes erfasste. Das Lächeln dagegen wurde mit einem speziell entworfenen Gerät erfasst, das am Kopf getragen werden musste und das die Muskelbewegungen registrierte. In der Diskussion des Vortrags wurde angemerkt, dass dies ein kritischer Punkt sein könne, da autistische Kinder sehr empfindlich und abwehrend reagieren könnten, wenn sie so etwas tragen sollen. Auch hier zeigte sich also: Die Forschung entwickelt sich sehr rasant, steht in vielerlei Hinsicht aber auch noch am Anfang. (kbe)