Im Zweifel für die Verzweifelten

Für Jungen, die an der Duchenne Muskeldystrophie leiden, gibt es bisher keine Heilung. Nun wurde in den USA ein neues Medikament zugelassen: Exondys 51 könnte bei einigen für einen milderen Verlauf der Erbkrankheit sorgen.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Die Community um die Jungs mit Duchenne Muskeldystrophie in Amerika hatte am gestrigen Montag Grund zu feiern. Es hagelte Posts und Statements. Denn die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat sich nach einigem Hin und Her endlich durchgerungen, den Einsatz des Medikaments Eteplirsen zu genehmigen. Das ist auch ein Verdienst der Forscher, Eltern und nicht zuletzt der betroffenen Jungen: Insgesamt 51 Fürsprecher hatten sich am 25. April im Marriott Hotel von Hyattsville zu Wort gemeldet – voller Engagement und bisweilen mit einem Hauch von Verzweiflung angesichts dieser bisher unheilbaren und tödlichen Erkrankung.

Zu den Wissenschaftlern gehörte auch Carrie Miceli, die mit ihrem Mann Stanley Nelson und dem gemeinsamen Sohn Dylan zum FDA-Panel angereist war: Miceli und Nelson haben 2006 an der University of California in Los Angeles gemeinsam mit Kollegen das Center for Duchenne Muscular Dystrophy gegründet, als sie von der Erkrankung ihres Sohnes erfahren hatten. Dylans Diagnose brachte die Immunologin und den Genetiker dazu, sich in ihrer Forschung einem für sie ganz neuen Objekt zu widmen, wie Technology Review in seinem neuen Oktoberheft berichtet (jetzt im heise shop oder am Kiosk).

Dass die Zulassung kommt, war sich Carrie Miceli schon in den vergangenen Wochen sicher. Trotzdem bringt Exondys 51, so der Marktname des Präparats, keine Heilung und wird – im besten Fall sogar nur 13 Prozent der Erkrankten helfen können. Denn bei der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne verhindern Gendefekte die Bildung des für Muskelzellen wichtigen Proteins Dystrophin. Dieser Mangel führt zum Abbau von Muskelzellen, sodass die fast ausschließlich betroffenen Jungen im Teenageralter ihr Gehvermögen verlieren. Später bekommen sie darüber hinaus Probleme mit der Atmung oder dem Herz.

Bei 13 Prozent nun liegt die Mutation auf dem sogenannten Exon 51. Und Exondys 51 von Sarepta Therapeutics aus Cambridge, Massachusetts, überspringt dieses Exon bei der Bildung von Dystrophin. Dadurch erhalten die Patienten zwar ein verkleinertes Protein, das kann aber seine Funktion immerhin teilweise erfüllen. Die Hoffnung dabei ist, den Verlauf von Duchenne abzumildern. Denn bei der Muskeldystrophie vom Typ Becker etwa verursacht der zugrundeliegende Gendefekt ebenfalls die Bildung eines verkürzten Dystrophin-Proteins, was zwar noch eine Muskelschwäche auslöst, aber nicht bereits im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter zum Tod führt.

Nun gehört Dylan Nelson-Miceli zwar nicht zu jenen, die unmittelbar von Exondys 51 profitieren werden. Aber seine Eltern hoffen, dass auf ähnliche Weise sowie mittels Kombinationstherapien auch einige der anderen für Duchenne verantwortlichen Genveränderungen behandelt werden können. Wobei sich das neue Präparat von Sarepta Therapeutics noch am Markt behaupten muss. Denn die FDA konstatierte jetzt ganz deutlich in ihrem Statement, dass sie den therapeutischen Nutzen von Exondys 51 noch nicht erwiesen sieht. Damit trägt die Behörde auch dem negativen Ergebnis des Beratungskomitees Rechnung, von dem etwa die Washington Post berichtet.

Darüber hinaus basiert das beschleunigte Zulassungsverfahren für die Therapien seltener Erkrankungen meist auf einer dürftigen Datenlage. Wenn zum Beispiel nur jeder 3500. Junge erkrankt, stehen nur wenige Probanden zur Verfügung. Andererseits ist es bei Kosten von rund 300.000 Dollar im Jahr wiederum nur verständlich, dass die Zulassung von einem objektiv messbaren Effekt abhängt. Den Jungen wäre eine solche, tatsächliche Wirkung jedoch allemal zu wünschen. (inwu)