Ende der Kleinstaaterei

Halleluja – die Verkehrsverbünde wollen ihre Grenzen öffnen.

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Über die Navigator-App der Deutschen Bahn kann ich Zugtickets von Hannover nach Amsterdam, Kopenhagen, Wien oder Genf buchen – nicht aber nach Wunstorf, gerade einmal zwölf Bahnminuten westlich von Hannover. Dieses liegt innerhalb des Verkehrsverbundes, und der kann oder will seine Tickets aus irgendwelchen Gründen nicht über die Bahn-App verkaufen.

Aber jetzt gibt es Hoffnung: Im Projekt IPSI ("Interoperable Produkt-Service-Interface") haben die Verkehrsverbünde endlich ihre Kleinstaaterei beendet. Künftig soll man über jede App eines beteiligten Verbundes auch Tickets jeder anderen Region kaufen können. Mitte 2017 soll es so weit sein.

Das würde in fremden Städten zum Beispiel das Herumfingern an kontraintuitiven Fahrkartenautomaten ersparen. "Aus ÖPNV-Sicht ist das eine Revolution – als würden die Berliner Verkehrsbetriebe ihre Automaten in München aufstellen", sagt Daniel Ackers, Sprecher der VDV eTicket Service GmbH. Damit nicht genug: IPSI soll auch offen sein für Dritte. So könnten sich dann beispielsweise Zugtickets und Mietwagen in einem Aufwasch buchen lassen.

Noch bequemer wäre es natürlich, wenn man sich gar nicht mehr um die Tickets kümmern müsste, sondern am Monatsende eine Rechnung für alle zurückgelegten Strecken bekäme – selbstverständlich zum jeweils günstigsten Tarif. Zumindest das entsprechende Schlagwort dazu existiert bereits: "Be in, be out". Doch laut Ackers steckt es noch im Forschungsstadium: Es gebe noch immer keine Technik, die Fahrgäste zuverlässig genug lokalisiert, um nachzuverfolgen, wann sie genau wo mitgefahren sind.

Auch die Vorstufe "Check in, check out" kommt nur langsam in die Puschen. Bei diesem System muss man sich vor jeder Fahrt an- und abmelden, etwa durch eine NFC-Chipkarte. Die Deutsche Bahn will ihr derartiges System namens "Touch and Travel" nach vier Jahren nun wieder einstellen – es hatte zu wenig Kunden gefunden. Ich selbst habe es auch nie benutzt. Das Handy-Ticket fand ich einfach bequemer.

Ein ähnliches System für den Nahverkehr gibt es seit 2015 im Raum Schwäbisch Hall. Die meisten anderen Verkehrsverbünde scheuen aber offenbar die Kosten, die mit der flächendeckenden Installation von Lesegeräten verbunden ist. Erschwerend hinzu kommt laut Ackers noch der Tarif-Wildwuchs: Da in jedem Verkehrsverbund anders geregelt ist, wer beispielsweise wann noch wie viele Mitfahrer mitnehmen kann, müsste ein überregionales E-Ticket auch diese ganzen Details abbilden. Ein weiteres Problem ist der Standard-Wirrwarr bei der NFC-Technik: Die Kreditkartenanbieter, die das Thema bisher vor allem vorangetrieben haben, nutzen andere Spezifikationen als die Verkehrsbetriebe. Mit welchen Basisstationen sich ein Smartphone versteht, ist Glückssache.

Die Folge: Praktisch alle deutschen Verkehrsverbünde setzen zwar auf E-Tickets, aber vor allem für Monats- oder Jahreskarten. Für Gelegenheitsfahrer gibt es kaum bequeme Angebote. Mit IPSI könnte sich das nun endlich ändern. (grh)