Themenmolekül: Wir basteln uns ein Universum

Glasers gesammelte Linkwolke aus der Welt der Wissenschaft und Technologie. Diesmal unter anderem mit alter Software, Neuem aus der Neurophilosophie und der Schönheit von Maus-Embryos.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Glaser

Auf meinen Expeditionen durch das Netz finde ich immer wieder bemerkenswerte Informations-Atome, die sich im Lauf der Zeit zu Themenmolekülen verbinden. Gelegentlich möchte ich an dieser Stelle solche Link-Gravitationswolken aus der Welt der fröhlichen Wissenschaft und Technologie vorlegen.

Wikiverse ist ein neues Werkzeug, mit dem sich die Wikipedia auf völlig neue Art und Weise durchsuchen lässt. Entwickelt von dem Visualisierungsexperten Owen Cornec, lassen sich mit Wikiverse teils überraschende Verbindungen zwischen verschiedenen Wikipedia-Themen visualisieren und erkunden. Die Dimension des jeweiligen Wikiversums kann dabei vom Benutzer gesteuert werden. Er entscheidet beispielsweise, ob ein, zwei oder fünf Prozent der Wikipedia durchforscht werden sollen. Eine Liste verwandter Themen erscheint rechts am Bildschirm, oder man sieht sich sein Thema als Stern in einer dreidimensionalen Galaxie an. Verwandte Themen erscheinen in unmittelbarer Nähe und sind zu Clustern angeordnet, etwa Kunst, Biologie oder Geographie. Linker Hand erscheinen Definitionen und zusätzliche Links. Ein aufschlussreiches Hilfsmittel zur Nutzung des Wikipedia-Wissensuniversums.

Eine reizvolle Sammlung wissenschaftlicher Trivia aus dem Aviva Directory.

Alte Software kann Erinnerungen aus den frühen Tagen des Personal Computing wachrufen. Vielleicht fallen einem dazu Dokumente ein, die man 1981 mit Wordstar geschrieben oder Daten, die man mit VisiCalc erfasst hat. Die Historical Software Collection ermöglicht es einem mit ihrem offenen Software-Archiv, solche Erfahrungen nochmal nachvollziehen zu können. Kurator des Archivs, das Dutzende von Vintage-Softwarepaketen enthält, ist Jason Scott von der Internet Archive Digital Library. Gaming-Fans werden erfreut sein, dass die Website unter anderem auch Pac-Man und eine Reihe anderer früher Atari-Spiele zur Verfügung stellen kann. Dank Browser-Emulatoren lässt sich die Software ganz so verwenden, wie man das in den 80er- und Anfang der 90er-Jahre getan hat.

Der kleine Bio-Bastler: "Ja, Meister, für dich würde ich meiner Familie den Bauch aufschlitzen."

Es ist eine echte Herausforderung, die unendlichen Weiten des Universums vorstellbar zu machen. Das Team hinter Lightyear.fm, einer sozusagen hypothetischen Multimedia-Website, hat sie angenommen. Die Website verwendet den Zeitstrahl von Hitparaden, um akustisch anschaulich zu machen, was man hören könnte, wenn man sich weit von der Erde entfernt befindet. So wäre beispielsweise der Bewohner einer 50 Lichtjahre entfernten Welt in der Lage, gerade erstmals den 1966er-Hit I'm a Believer von den Monkees zu hören. Nein, wäre er nicht wirklich – die Leute hinter Lightyear.fm wissen natürlich auch, dass Radiowellen nur ein paar Lichtjahre weit reisen können. Dennoch ist die Website eine spielerische und spannende Möglichkeit, sich Größe und Proportionen des Universums vor Augen (und Ohren) zu führen. Während der akustischen Zeitreisen sind gleichzeitig künstlerische Darstellungen des möglichen Anblicks zu sehen, den die Erde aus den verschiedenen Entfernungen jeweils bieten könnte.

Szenen aus dem Labor der 60er-Jahre: Der Mann, der ein besseres Molekül baut.

Der britische Guardian beherbergt ein von dem Neurobiologen und Wissenschaftsautor Mo Costandi regelmäßig bestücktes Neurophilosophie-Blog, das ein breites Spektrum von Themen abdeckt. Dazu gehören etwa neueste Forschungen über die Beziehung zwischen Darmbakterien und dem Gehirn; das Verhältnis von bewussten und unbewussten Gedanken bei der Schmerzerfahrung; oder die Entwicklung künstlicher Haut, die Wärme und Berührungen erkennen kann. Costandi schreibt in einem zugänglichen Stil und befasst sich mit Themen, die für jeden interessant sein dürften, den die menschliche Biologie fasziniert. Wer bestimmte Aspekte vertiefen möchte, findet dazu auch jeweils Referenz-Links.

Ästhetik und Anschauung in einem Bild: die Nervenperipherie eines Maus-Embryos.

Maschinelles Lernen – also wenn Computer statistische Lerntechniken anwenden, um automatisch Muster in großen Datenmengen zu identifizieren – macht sich zunehmend im Alltag bemerkbar. Plattformen wie Facebook nutzen das Verfahren zur Gesichtserkennung. Banken versuchen damit, Kreditkartenbetrug zu verhindern. Es ist allerdings nicht ganz einfach, genau zu verstehen, wie diese Spielart der Künstlichen Intelligenz tatsächlich funktioniert. Wie würde eine Maschine bestimmen, ob ein Haus in New York City oder San Francisco steht? Die Website von Stephanie Yee und Tony Chu nutzt dazu R2D3 – ein interaktives Datenvisualisierungstool, das die Autoren selbst entwickelt haben. Damit werden der Schlüsselwortschatz und die Konzepte, die hinter Maschinellem Lernen stehen, auf eingängige Weise erläutert. (bsc)