Wird aus Saulus Paulus?

Bayer will sich künftig wohl vermehrt der grünen Gentechnik widmen. Da ist es nur passend, dass sich die jüngste Neuerwerbung Monsanto gerade die CRISPR-Methode gesichert hat. Unumstritten ist dieser Schritt jedoch nicht.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Für alle Kritiker der grünen Gentechnik hat sich der US-Agrarkonzern Monsanto in der Vergangenheit zum Feindbild par excellence gemausert. In den 1990ern setzte sich das US-Unternehmen in der Biotechentwicklung an die Spitze, indem es seinen Unkrautvernichter Roundup in Kombination mit gegen das Mittel resistentem Saatgut – Sojabohnen und Mais – auf den Markt brachte. Monsantos Pflanzen wachsen inzwischen auf mehr als 180 Millionen Morgen Land, schreibt Antonio Regalado vom MIT Technology Review auf der Webseite des Magazins.

Nun hat sich der deutsche Chemiekonzern Bayer entschieden, Monsanto zu übernehmen, was weltweit für Aufsehen sorgte. Doch während noch gerätselt wird, welchen gemeinsamen Weg die beiden agrarindustriellen Schwergewichte wohl einschlagen werden, landen die Amerikaner ihrerseits einen Coup. Wie der New Scientist auf seiner Webseite berichtet, hat Monsanto vom Bostoner Broad Institute als erster kommerzieller Nutzer für seine Pflanzenforschung eine Lizenz für die Gen-Editing-Technik CRISPR erhalten.

Spätestens dieser Schritt nun versetzt die Gesellschaft – die amerikanische nicht weniger als die europäische – unter Zugzwang. Denn die revolutionäre Methode, mit der das genetische Erbgut gezielt verändert werden kann, wird bei einem Einsatz durch den Agrarkonzern schon bald neue Pflanzensorten hervorbringen. Und ihnen wird man, auch das eine besondere Qualität von CRISPR, nicht mehr ansehen können, ob es mit Gentechnik erzeugte Organismen sind. Denn fremdes Erbgut, bisher ein sicheres Zeichen für genveränderte Spezies, lässt sich bei dieser Technik nicht mehr nachweisen.

Eine zweite, noch größere Herausforderung für die Gesellschaft ist der Gene Drive, den die CRISPR-Methode ermöglicht. Dabei handelt es sich um eine Art Turbo, der die Mendelschen Regeln außer Kraft setzt und zu einer beschleunigten Vervielfältigung einer Erbgutveränderung innerhalb einer Population führt. Um Missbrauch zu verhindern, hat das Broad Institute einer eigenen Erklärung zufolge in der erteilten Lizenz den Einsatz eines Gene Drive ebenso ausgeschlossen wie die Entwicklung von Saatgut, dass sich in der nächsten Generation nicht mehr aussäen lässt.

Unabhängig von solchen Maßnahmen sind die Gesellschaften aber nun aufgefordert, sich baldmöglichst mit genveränderten Pflanzen zu befassen, die vom bisherigen Regelwerk nicht abgedeckt werden. Vielleicht will man sich aber – gerade in dem von Gentechnik-Diskussionen gebeutelten Deutschland – dieser nächsten Runde in der Auseinandersetzung gar nicht mehr stellen. In den USA sind die ersten mit Gen-Editing veränderten Lebensmittel bereits auf dem Markt gekommen. Wenn es gar nicht mehr zu dem umstrittenen Label "genverändert" kommt, könnte man meinen, hat man sich eventuell auch elegant einer leidigen Diskussion entledigt?

Es wird spannend sein, diese Entwicklung weiter zu beobachten. Auch von Monsanto wird gemunkelt, es könnte nach einer Fusion mit Bayer als Zielscheibe aus der Schusslinie genommen werden. Falle der Name Monsanto. sei dies der Tod vieler Unterhaltungen, konstatiert etwa Kevin Folta von der University of Florida. Er schlägt deshalb vor, dass man den Buhmann aus dem Spiel nimmt. Der Wissenschaftler hofft, das würde dann wieder wissenschaftliche Diskussionen über landwirtschaftliche Techniken ermöglichen. Dieser Schritt könnte im schlechtesten Fall allerdings auch genutzt werden, um anschließend einfach zur Tagesordnung überzugehen. Wenn aus Saulus erst einmal Paulus geworden ist, kräht unter Umständen kein Hahn mehr nach ihm. (inwu)